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Die Marine nimmt sich (zu) wichtig
Neuer Befehlshaber verkündet Stärkungspläne zur Abschreckung Russlands
Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine sei deutlich geworden, dass ein Leben in Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich ist und dass Recht, Demokratie und Menschenwürde geschützt werden müssten. »Auch und gerade in der Ostsee, in der sich Freunde und Verbündete wieder bedroht fühlen«, sagte der Inspekteur der Marine in der vergangenen Woche. Vizeadmiral Jan Christian Kaack skizzierte sodann Prioritäten und Schwerpunkte für die kommenden Jahre.
Kaack ist erst gut drei Monate im Amt. Sein Vorgänger, Kay-Achim Schönbach, hatte sich bei einem Hintergrundgespräch in Neu-Delhi ums Amt geredet, weil er noch vor Beginn von Moskaus Angriffskrieg eine allzu »private« Sicht auf die Situation im Osten Europas geäußert hatte. Das ukrainische Außenministerium bestellte sogleich die deutsche Botschafterin ein, das Verteidigungsministerium in Berlin rief den politischen Notstand aus und schickte Schönbach in die Wüste. Kaack wird so etwas nicht passieren.
Für seine Grundsatzrede hatte er sich an Bord des Tenders »Rhein« begeben und ihn vor die Kreidefelsen der Insel Rügen steuern lassen. Eine, wie der Marinechef meint, trügerische Idylle. Er warnte davor, die militärischen Fähigkeiten Russlands zu unterschätzen. Man habe zwar »die Versenkung des russischen Kreuzers ›Moskwa‹ sowie einiger anderer russischer Einheiten durch ukrainische Flugkörper verfolgen können. Wir alle sollten uns jedoch von diesen Bildern nicht täuschen lassen: Die russische Marine wird aus diesem Krieg im Wesentlichen unbeschadet hervorgehen.« Darauf müsse man vorbereitet sein. Soll heißen: Es gehe darum, »gemeinsam mit Freunden besser zu sein als mögliche Gegner. Nur dann funktioniert das Prinzip Abschreckung.«
Kaack verlangte eine Verbesserung der materiellen Einsatzsituation seiner Marine. Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Ende Februar habe er befohlen: »Alles, was schwimmt, geht raus!« Damals schickte die Deutsche Marine in kurzer Zeit bis zu 28 schwimmende Einheiten sowie Flugzeuge los – überwiegend in die östliche Ostsee. Für »unsere kleine Marine« sei das schon eine »irre Zahl« – angesichts der Personal- und Materialmisere. Jedoch »können wir nicht unbegrenzt durchhalten«.
Natürlich geht es auch um Neubauten. Die Beschaffung vor allem von U-Booten, Korvetten, neuen Flottendienstbooten und Seefernaufklärern wurde bereits vor der von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verkündeten »Zeitenwende« angestoßen. Nunmehr könnte man in die weitere Stärkung der U-Jagd- und Strike-Fähigkeiten investieren und Kampfboote für das Kommando Spezialkräfte der Marine und das Seebataillon realisieren, meint der Marinechef und ergänzt, dass man gleichzeitig in die stärkere Nutzung unbemannter Systeme unter und über Wasser sowie in der Luft einsteigen wolle.
Doch das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr, so warnte der Vizeadmiral, werde die Einsatzfähigkeit der Marine nicht kurzfristig erhöhen. Kein zusätzliches Schiff werde so morgen auslaufen, kein zusätzlicher Hubschrauber morgen starten und kein neues Unterkunftsgebäude morgen bezugsfertig sein. Deshalb müsse man zu allererst die Bestandsflotte stärken: »Meine sieben Prioritäten sind: Munition, Munition, Munition, Ersatzteile, Ersatzteile, Ersatzteile – und Führungsfähigkeit.«
Kaack sprach von Flexibilisierung und höheren Standards. Man habe es nicht wie bisher vor allem mit lange planbaren Missionen zu tun. Operationen wie die Unifil-Mission vor Libanon, die Nato-Mission zur Überwachung von Flüchtlingsbewegungen zwischen der Türkei und Griechenland sowie die EU-Mission in Libyen hätten Kräfte gebunden und die Gefechtsbereitschaft der Marine beeinträchtigt. Bei der Verbesserung der materiellen Einsatzbereitschaft setzt Kaack zudem auf die geplante Übernahme des Standorts der insolventen MV Werften in Rostock als Teil des Marinearsenals. Das ermögliche eine schnelle Instandsetzung von Schiffen und Booten.
Insgesamt passen sich die Vorhaben ein in die Nato-Strategie gegen Russland – wie sie vor einigen Wochen noch logisch erschien. Inzwischen aber wurden Schweden und Finnland in das Bündnis aufgenommen. Damit kommen zwei starke und hochmoderne Seestreitkräfte ins Bündnis: Schweden hat 316 Militärschiffe und belegt so weltweit Platz sechs. Finnland besitzt 246 Militärschiffe und nimmt Platz elf ein. Die geografische Lage beider Länder ist ideal beim maritimen Schutz der Nato-Ostflanke. Deutschlands Militär verfügt dagegen aktuell über 80 Schiffe und Boote, das bedeutet Platz 40 auf der Weltrangliste. Angesichts dieser Tatsachen könnte man schon auf die Idee kommen, dass unsere Marine sich zu wichtig nimmt und unsinnig Geld verschleudert.
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