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Alle Körper sind schön
Alle Körper – auch dicke wie der von Ricarda Lang – haben einen Platz in der Gesellschaft. Doch einige Männer stört das
Es gibt viele Aspekte an Rechtsradikalen und Antifeministen, die ausgesprochen unangenehm sind: ihr Zynismus, ihre Menschenfeindlichkeit, ihre Bösartigkeit. Sie äußern sich in absoluter Berechenbarkeit. Ein aktuelles Beispiel: Jedes Mal, wenn die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sich in irgendeiner Art und Weise prominent zu Wort meldet, drehen empörte Internet-Nazis auf Twitter, Facebook oder Telegram durch. Es geht um Langs Geschlecht, Langs vergleichsweise junges Alter und Langs Figur. Denn: Ricarda Lang wagt es, nicht den Schönheitsnormen einer patriarchal-heteronormativen Gesellschaft zu entsprechen. Und sie ist lange nicht die einzige Person, die von »Fatshaming« betroffen ist – Diskriminierung von dicken Menschen ist gesellschaftlich weit verbreitet und akzeptiert.
Interessant ist, dass der Vorwurf des »Fettseins« immer wieder auch Frauen trifft, die ganz durchschnittliche Körpermaße wie eine Größe 40 haben. Im Mai dieses Jahres wurde die Welt Zeuge eines trotzig-infantilen Wutanfalls des Evolutionspsychologen und ideellen Großvaters aller gekränkten und verunsicherten Männer, Jordan Peterson. Auslöser dafür war ein Zeitschriftencover mit einem sogenannten »Plus Size«-Model – Peterson witterte darin nichts geringeres als den Untergang des Abendlandes und ließ auf Twitter verlauten, dass diese Frau niemals schön sein könne, egal was die feministisch-woke Agenda behaupten würde.
Die Sache ist: Für all diese Männer ist jede Frau, die es wagt, mehr als 55 Kilo auf die Waage zu bringen, fast ein Affront. Ausgehend von einem kulturell vermittelten männlichen Blick – der Male Gaze ist der patriarchale, objektivierenden Blick auf den weiblichen Leib – und einer – ebenfalls patriarchal dominierten – Industrie, die davon lebt, dass Frauen permanent unzufrieden mit ihren eigenen Körpern zu sein haben, gelten Körper als unansehnlich, die nicht schon quasi anorektisch scheinen. Der Begriff der »Male Gaze« wurde von der Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey in ihrem Essay »Visual Pleasure and Narrative Cinema« eingeführt. Mulvey argumentiert, dass in patriarchalen Verhältnissen das »jemanden Anblicken« immer mit einem Machtgefälle einhergeht, das sozialpsychologisch, gesellschaftlich und kulturell vermittelt wird. Mulvey nennt Frauen auch »Ertragende des männlichen Blickes« – und jede Frau, die einmal von oben bis unten angestarrt wurde, weiß, wie sich das anfühlt.
In einer Gesellschaft, in der Männer nach wie vor glauben, dass Frauen gefälligst für männliche Bedürfnisbefriedigung zu existieren haben, fallen dicke Frauen jedoch aus dem Rahmen dessen heraus, was als erotisch wahrgenommen wird. Damit widersprechen sie einem patriarchalen Anspruchsdenken von Ästhetik, das Frauen nur als Objekt zu begreifen in der Lage ist. »Diese Frau weigert sich, für mich schlank und begehrenswert auszusehen«, so die Übersetzung. Wie die Feministin Laurie Penny in dem Buch »Fleischmarkt« ausführt, ist Schlankheit ein Kontrollmittel des Patriarchats. Weiblich gelesenen Personen wird es nach wie vor nicht zugesprochen, den öffentlichen Raum einzunehmen – sei es durch intellektuelle, verbale oder eben physische Präsenz. Dünne Körper würden, so Penny, als leichter beherrschbar wahrgenommen – und somit ansprechender für eine auf Herrschaft ausgelegte patriarchale Sexualität.
Wir leben in einer Gesellschaft, die uns permanent dazu nötigt, immer sportlicher, fitter und schlanker zu sein – im Neoliberalismus wird dies mit Selbstbeherrschung und -optimierung gleichgesetzt. Selbst wer auch nur dem Durchschnitt entspricht, wie es so viele Menschen tun, wird von jenen, die Neoliberalismus und Male Gaze internalisiert haben, bereits als »zu dick« betrachtet. Und wer dicker ist als der Durchschnitt – wie Ricarda Lang – wird dafür regelmäßig attackiert. Dabei ist Dicksein kein Makel, sondern eine Körperform unter vielen, und so schön wie alle anderen auch. Und eine frauenfeindliche, milliardenschwere Industrie würde einbrechen, wenn wir lernten, unsere Körper so zu lieben, wie sie sind.
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