Fataler Kreislauf

Malaysia ist einer der führenden Hersteller von Plastik und nimmt es als globalen Müll auch wieder zurück

  • Sigrun Matthiesen
  • Lesedauer: 4 Min.
Bald nicht mehr so sauber? Ein malaysischer Strand auf Redang Island.
Bald nicht mehr so sauber? Ein malaysischer Strand auf Redang Island.

Malaysia importiert aus dem globalen Norden nicht nur Plastikmüll, sondern auch die fragwürdigen Konzepte zum Umgang damit. So lassen sich die Ergebnisse einer 2021 veröffentlichten englischsprachigen Studie zusammenfassen. Es handelt sich um ein sogenanntes »Review Paper«, für das vorhandene wissenschaftliche Literatur zu einem Thema gelesen, sortiert und bewertet wird. In diesem Fall von sechs Wissenschaftler*innen, die sowohl in Malaysia wie in Großbritannien in Disziplinen wie Umweltforschung, Geologie, planetarische und Wassergesundheit oder Ingenieurwissenschaften forschen und lehren.

Malaysia ist von der Fläche her ungefähr so groß wie Deutschland, besteht aber aus einer Halbinsel und einer Insel (Borneo), die durch das Südchinesische Meer getrennt sind. Dort wiederum, daran erinnert die Studie, befinden sich Korallenriffs, die zu denen mit der größten Biodiversität weltweit gehören. Noch, denn seit 2017 ist Malaysia der weltgrößte Importeur von Plastikmüll – jedenfalls, wenn die illegalen, als Warenlieferungen deklarierten Einfuhren mitgerechnet werden. Auch wenn die Regierung des Landes 2019 zu den Unterzeichnern der Basler Konvention zur globalen Reduzierung des Plastikmülls gehörte und versucht, die Importe, hauptsächlich aus Australien, Großbritannien und Japan, strenger zu regulieren: Mit rund 100.000 Tonnen pro Monat sind die Verarbeitungskapazitäten mehr als überfordert. Denn schon im Jahr 2015, also bevor die Mülleinfuhren sich durch Chinas »Plastik-Verbannung« schlagartig verdoppelten, landeten, so eine in der Studie zitierte Untersuchung, zwischen 140 und 370 Millionen Kilo Plastikmüll jährlich im Meer. Weil es in zahlreichen Kommunen Malaysias überhaupt keine geregelte Abfallentsorgung gab und gibt. Weil von dem, was überhaupt eingesammelt wird, über 80 Prozent auf Deponien landen, die schlecht gemanagt sind. Weil das bisschen Plastik, das zur Wiederverwertung eingesammelt wird, für die Plastikproduzenten nur dann als Rohstoff interessant ist, wenn sie noch weniger dafür zahlen müssen als für den vom Ölpreis abhängigen neuwertigen Rohstoff.

Mit rund 1.300 Produzenten gehört Malaysia global zu den führenden Plastikherstellern. Die Branche – Jahresumsatz 2016: 30 Milliarden Malaysische Ringgit, rund sechs Milliarden Euro – ist also ungefähr so einflussreich wie die Autoindustrie hierzulande. Auch die föderale Autonomie der 13 Bundesstaaten ist historisch stark ausgeprägt. Ganz anders als in China lässt sich also in der »konstitutionellen Wahlmonarchie« Malaysia nicht mal eben so ein Verbot oder Gebot fürs gesamte Land anordnen. Außer bei Plastikstrohhalmen, die sind seit 2019 nirgendwo mehr erlaubt. Und es gibt zahlreiche »Roadmaps« und Konzepte, die Kreislaufwirtschaft propagieren, das Verbrennen von Müll als »grüne Energie« verkaufen, und selbstverständlich sind mittlerweile jede Menge angeblich »natürlich abbaubare« Kunststoffe im Umlauf.

Vor allem dort, wo wohlhabende Menschen leben, lässt sich das berühmte, auch hierzulande hip gewordene »Streetfood« jetzt ohne schlechtes Umweltgewissen konsumieren. Gegen entsprechenden Aufpreis für die »nachhaltige« To-go-Verpackung oder gar das wiederverwertbare, mit kostbarem Trinkwasser gespülte Geschirr. Die anderen, also die Mehrheit, haben weiterhin keine andere Wahl, als unterwegs zu essen – und zwar so preiswert wie irgend möglich. Weil ihre Arbeitstage vor Sonnenaufgang beginnen und danach noch lange nicht zu Ende sind. Weil sie endlose Stunden im Bus oder auf dem Motorroller verbringen, um vom Wohnort zum Job zu gelangen. Weil es sowohl am einen wie am anderen Ort gesundheitsgefährdend wäre, das Wasser aus dem Hahn zu trinken. Sie, deren Suppe weiterhin in einer doppelten Plastiktüte am Mofa-Lenker baumelt, werden dann vermutlich als Erste zur Rechenschaft gezogen, wenn die Regierung mal wieder beweisen muss, dass sie etwas tut gegen die Plastikvermüllung.

Vielleicht ist das ja die eigentliche Definition von »Schwellenland«: alle Übel des Reichtums und alle Übel der Armut im eigenen Land vereint zu haben. Ohne die Möglichkeit, seine Probleme anderswohin zu exportieren als jenseits der Mauern der besseren Wohnviertel.

Chen, H. L., Nath, T. K., Chong, S., et al.: »The plastic waste problem in Malaysia: management, recycling and disposal of local and global plastic waste«, 2021, doi.org/10.1007/s42452-021-04234-y

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