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Verdacht auf rechte Terrorserie
Linke gehen von einem neonazistischen Anschlag in Oberhausen aus und verweisen auf ähnliche Taten in der Region
Einen Tag nach der Explosion am Linken Zentrum in Oberhausen ermittelt die Polizei weiter nach den Tätern. Es würden Spuren ausgewertet, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Die Ermittlungen laufen »in sämtliche Richtungen«. Mehrere Mitglieder der Linken aus der Stadt im Ruhrgebiet hatten am Wochenende an einer Demonstration in Berlin teilgenommen, die sich gegen die Aufrüstung Deutschlands wegen des Ukraine-Kriegs richtete. Fraktionschef Yusuf Karacelik war dazu von der Polizei befragt worden. Er sieht aber keinen Zusammenhang mit dem Anschlag. Nach seiner Ansicht sollte die Polizei lieber in der rechten Szene nach den Tätern suchen.
Karacelik erklärte, dass in der Vergangenheit mehrfach Aufkleber mit neonazistischen Parolen oder Hakenkreuzschmierereien an dem Zentrum hinterlassen worden seien. Vereinzelt habe es auch Drohbriefe gegeben. In den vergangenen Monaten seien diese aber seltener geworden. Nichts habe konkret auf einen derartigen Angriff hingedeutet.
Kreissprecherin Sefika Minte wertete den Angriff als einen gezielten Anschlag auf die politische Arbeit vor Ort und linke Überzeugungen. Es sei darüber hinaus auch ein Anschlag auf die gesamte demokratische Stadtgesellschaft. Darauf müsse es eine politische Antwort geben.
Die Explosion hatte in der Nacht zum Dienstag gegen 3.30 Uhr Tür und Fenster des Linken Zentrums in der Elsässer Straße gesprengt und Fensterscheiben eines etwa 20 Meter entfernten Reisebüros und eines Friseursalons zerstört. Das Linke Zentrum ist der Versammlungsort der Ratsfraktion Die Linke.Liste sowie des Kreisverbands der Linkspartei. Es steht allen sozialen Initiativen in der Stadt offen.
Nachdem die Räumlichkeiten einige Stunden durch das Landeskriminalamt abgesperrt worden waren, konnten sie am frühen Nachmittag wieder betreten werden. Informationen gab es von den Beamtinnen und Beamten des LKA nicht. Erste Erkenntnisse etwa über die Art des Sprengsatzes erfuhren die Betroffenen im Laufe des Tages aus der Presse. Nachbarinnen und Nachbarn kamen vorbei, um sich den Schaden anzusehen. Viele erklärten sich solidarisch und boten Hilfe beim Aufräumen an. Mittags fiel die Entscheidung, dass die erste politische Antwort eine Kundgebung gegen rechten Terror und Hetze auf dem naheliegenden Friedensplatz sein sollte.
Am Abend versammelten sich dort etwa 300 Personen. Karacelik bedankte sich für die Solidarität und versicherte, dass die Ratsfraktion ihre Arbeit fortsetzen werde und sich nicht einschüchtern lasse. Die Arbeit gegen rechte Ideologien und Neonazistrukturen müsse noch stärker werden. Am Samstag solle um 12 Uhr am gleichen Platz eine regionale antifaschistische Demonstration stattfinden.
Auch der Beigeordnete der Stadtverwaltung, Frank Motschull, war unter den Demonstrierenden und erklärte sich in Vertretung des Oberhausener Oberbürgermeisters Daniel Schranz (CDU) solidarisch mit Ratsfraktion und Kreisverband. Gewalt dürfe kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, erklärte er.
Der nordrhein-westfälische Landessprecher der Linken, Jules El-Khatib, kritisierte die Behörden wegen fehlender Ergebnisse und Fahndungserfolge. Es könne nicht sein, dass 700 militante Neonazis seit Jahren auf Fahndungslisten stünden, aber nicht ermittelt werden könnten. Vor nicht allzu langer Zeit waren rechte Chat-Gruppen in den Polizeien der Nachbarstädte Essen und Mülheim aufgedeckt worden. Ein Sprecher des Offenen Antifaschistischen Treffens wies auf weitere Anschläge hin, die kürzlich in Mönchengladbach und Erkelenz verübt wurden. Es sei möglich, dass es sich um eine rechte Anschlagsserie handele.
Nach der Kundgebung schrieben viele Teilnehmende der Kundgebung einen Gruß auf die Bretter, mit denen das Linke Zentrum mittlerweile gesichert ist. Die Aktion endete an dem Tag mit einer Spontandemonstration Richtung Bahnhof.
Der Autor ist Mitarbeiter der Ratsfraktion Die Linke.Liste Oberhausen
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