Das Geschäft mit der Inflationsangst

Während Corona der extremen Rechten keinen Zulauf brachte, setzen AfD und andere Gruppierungen nun auf die Angst vor der Inflation

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Deutschland am Abgrund«, »Der Euro kollabiert«, »Wirtschafts-Hurrikan im Herbst?« – Schon die Wortwahl dieser Überschriften lässt erkennen, dass es den Verfasser*innen weniger um Aufklärung als viel mehr um Alarmismus geht. Panikmache und Ängste vor dem totalen Zusammenbruch der Weltwirtschaft schüren, darin besteht das Geschäftsmodell von Websiten wie »MMnews«. Eine Strategie, um den ökonomischen Kollaps zu überstehen, hat das Portal wie zufällig auch parat: Investieren Sie in Rohstoffe! Passend dazu nennt sich eine Rubrik »Gold«. Windige Expert*innen preisen das Edelmetall seit jeher als Inflationsschutz für das Vermögen eines jeden Privathaushaltes an, möge der Goldbarren oder die Münze auch noch so winzig sein. Ergänzend sollen mit passenden Werbeanzeigen auf der Website Leser*innen dazu verleitet werden, alternativ in Uran oder Bitcoins zu investieren.

Wer sich solche Investments nicht leisten kann, der bekommt von Portalen wie »MMnews«, »PI-News« oder dem völkischen »Compact« wenigstens die Gewissheit geliefert, hier würde jemand schon seit Jahren vor dem ökonomischen Totalkollaps warnen, die aktuell beunruhigende Entwicklung der Inflation sei dabei nur der letzte, finale Beweis. Websiten wie »MMnews« gibt es viele. Dank gegenseitiger Empfehlungen und Verlinkungen ist ein Netzwerk gewachsen, in denen sich Untergangsprophet*innen wechselseitig in ihrer Weltsicht radikalisieren.

Nur wenige Klicks entfernt lauert die extreme Rechte. Gefeiert werden auf solchen Portalen Ökonomen wie Markus Krall, der in seinem Buch »Die Bürgerliche Revolution« aus dem Jahr 2020 vor einem Wirtschaftscrash warnt und darin Chancen für einen Umsturz sieht. Der Wirtschaftsberater ist gern gesehener Gast bei der AfD, die mit dem Volkswirt Max Otte einen guten Bekannten Kralls als Kandidaten bei der letzten Bundespräsidentenwahl aufstellte. Als wichtiges Bindeglied fungiert AfD-Parteivize Peter Boehringer. Der finanzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion bewegt sich seit Jahren in Kreisen, die auch die Verschwörungserzählung von einem »Great Reset« verbreiten, also die Behauptung, globale Eliten aus Politik und Wirtschaft würden Krisen mitunter provozieren, um einen gesellschaftlichen Umbau nach ihren Vorstellungen voranzutreiben. Die hohe Inflation wäre da nur der neueste Versuch.

In ihrer an die breite Bevölkerung gerichteten Kommunikation vermeidet die AfD Stichworte wie den »Great Reset«. Anders als in der Coronakrise tritt die Partei jedoch beim Thema Inflation in ihren Botschaften konsistent auf. Während die AfD zu Pandemiebeginn teils sogar Maßnahmen zur Eindämmung des Virus unterstützte, ehe sie auf einen fundamentaloppositionellen Kurs umschwenkte, passierte ihr dieser strategische Fehler nun nicht. Bereits seit Frühjahr fährt die Partei eine wachsende Kampagne, in der sie Maßnahmen gegen die steigende Teuerungsrate fordert, die teils sogar von der Bundesregierung umgesetzt wurden, etwa die Streichung der EEG-Umlage auf den Strompreis. Andere Maßnahmen, darunter die Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, sind parteiübergreifend in der Debatte. Was die AfD hier fordert, ist also anschlussfähig. Erst im Subtext lauern die üblichen nationalistischen Parolen, etwa wenn Boehringer vor einer Gefahr für den »deutschen Wohlstand« warnt.

Ob die AfD-Kampagne auf breiter Basis zündet, hängt sehr davon ab, wie die Inflationspolitik der Ampel-Koalition ausfällt. Gibt es im Herbst keine weiteren Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen, liefert die Bundesregierung der extremen Rechten eine Steilvorlage zur Mobilisierung, die nicht bei null beginnt. Der harte, verschwörungsideologische Kern jener Gruppen, die schon Corona verharmlosten, läuft sich im Internet warm und wartet darauf, aus neuen Ängsten politisches Kapital zu schlagen.

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