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Apokalyptische Töne zu Energiefragen
Verbraucherschutzzentrale Brandenburg appelliert mit Jahresbericht an Ministerin
Die Verbraucherschutzzentrale Brandenburg (VZB) sieht die Energiepreise akut als größtes Problem für die Einwohner. So sei binnen eines Jahres der Preis bei Erdgas um 95 Prozent, bei Strom um 15 Prozent, bei Kraftstoff um 35 Prozent und bei Lebensmitteln um 20 Prozent gestiegen, rechnete VZB-Geschäftsführer Christian Rumpke auf der Pressekonferenz in der Potsdamer Staatskanzlei am Montag vor. Eine vierköpfige Durchschnittsfamilie koste das etwas über 3000 Euro im Jahr zusätzlich – ein komplettes Monats-Netto-Volumen, so Rumpke. Dies aber sei »noch lange nicht das Ende der Fahnenstange«, sondern erst der Anfang der finanziellen Belastung.
Vieles hänge davon ab, ob es zu weiteren Gaslieferungen aus Russland komme, meint Rumpke. »Bestenfalls bleiben die Preise auf ihrer gegenwärtigen Höhe, schlimmstenfalls gibt es für bestimmte Bereiche kein Gas mehr.« Auch Fachleute seien seiner Ansicht nach mit der Frage überfordert, was dann zu geschehen habe. Rumpke sprach von einer »Operation am offenen Herzen«. An Landes- und Bundesregierung gewandt ergänzte er: »Wir benötigen einen Plan. Und den kenne ich nicht.«
Inzwischen frage fast die Hälfte der Kunden bei der VZB wegen der Energiesituation an. Die Energieberater in Brandenburg seien begehrt wie nie, so der VZB-Chef. Allerdings sei Beratung das eine, sie dann auch umsetzen zu können, das andere. Mieter hätten demnach praktisch keinen Einfluss darauf, welche Energiequelle zum Heizen ihrer Wohnung genutzt wird. Warmduschen werde allmählich zum Finanzthema.
Aber auch für Wohnungseigentümer schließen sich Rumpke zufolge viele unbeantwortete Fragen an, die einem raschen und massenhaften Ausstieg aus der Gasheizung Grenzen setzten: »Bekomme ich einen Handwerker, bekomme ich Material, bekomme ich Technik als Alternative zur Gasheizung?« Die unglaublich gestiegene Nachfrage nach Ölradiatoren mache diese »zum Klopapier der Gegenwart«, womit er auf den Ausverkauf dieses Hygieneartikels in den vergangenen Jahren anspielte. »Sparen, sparen und nochmals zu sparen«, riet Rumpke dennoch und warnte davor, dass der »Enkeltrick« und Haustürgeschäfte auf dieses Feld ausgedehnt würden. Hier seien bereits Trickbetrüger unterwegs, die sich Unsicherheit und Sorge der Menschen zunutze machen und diese zu übereilten und nachteiligen Entscheidungen drängen würden.
Rumpke ging mit der Landeskartellbehörde hart ins Gericht. Diese habe sich zu wenig um jene gekümmert, denen günstige Energietarife gekündigt wurden und die so automatisch in die zum Teil wesentlich teurere »Grundversorgung« gefallen seien. Der Verbraucherschützer ist sich sicher, dass es bald viel mehr Menschen geben werde, die nicht imstande sind, ihre Energierechnung zu bezahlen. Es habe keinen Sinn, in Hysterie zu verfallen, sagte dazu Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Angesichts jahrzehntelanger Versäumnisse werde der Bund Entlastungspakete schnüren müssen.
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