Angst vor bösem Erwachen

Lichtenbergs Bürgermeister Michael Grunst befürchtet massive Probleme mit steigenden Energiepreisen im Berliner Osten

  • Patrick Volknant
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Michael Grunst über den kommenden Winter spricht, klingt er alles andere als zuversichtlich. »Wir stehen vor einem sozialpolitischen Desaster«, sagt Lichtenbergs Bezirksbürgermeister zu »nd«, der sich angesichts der steigenden Energiepreise um die rund 300 000 Einwohnerinnen und Einwohner seines Bezirks sorgt. Es war ein Termin bei Georg Friedrichs, Chef der Berliner Energieversorgers Gasag, der dem Linke-Politiker bis heute Bauchschmerzen bereitet. »Er hat mir noch einmal dargelegt, dass sich der Gaspreis vervierfacht hat und dass das eins zu eins an die Verbraucher geht«, sagt Grunst.

Mit Sorge blickt der Bürgermeister vor allem auf den Osten der Hauptstadt. Denn anders als im Westen würden hier die Kraftwerke des Wärmeversorgers Vattenfall nicht mehr mit Kohle, sondern mit Gas betrieben. Grunst nennt etwa das in seinem Bezirk angesiedelte Heizkraftwerk Klingenberg. »Ich höre da momentan gar nichts vom Land Berlin, geschweige denn vom Bund«, führt der Linke-Politiker aus. »Das wird zu massiven Preiserhöhungen in der Fernwärmeversorgung für den gesamten Ostteil der Stadt führen.« Er spricht von Nachzahlungen im vierstelligen Bereich, von einer »hochdramatischen Situation«, bei der die Menschen ihre Heizkosten schlichtweg nicht mehr bezahlen könnten.

Vom Bund erwartet Grunst die Einführung eines Energiepreisdeckels, um abzufedern – auch wenn dieser sicher etliche Milliarden in den nächsten Jahren kosten werde. »Ich weiß nicht, ob die ahnen, worauf die Leute hier zusteuern«, sagt der Bürgermeister. Wer ähnliche Summen für die Bundeswehr ausgeben könne, dürfe bei der sozialen Absicherung nicht geizen.

In Lichtenberg selbst laufen die Vorbereitungen für den Ernstfall. »Als Verwaltung gucken wir, was möglich ist«, sagt Grunst. Was öffentliche Gebäude angeht, reicht der Maßnahmenkatalog vom Abschalten der Warmwasserbereitung und Lüftungsanlagen bis hin zu Einsparungen an der Beleuchtung. In verschiedenen Runden wird laut dem Bezirkspolitiker außerdem besprochen, wie man Angestellte dazu bewegen kann, Computer zuverlässig herunterzufahren und sparsam zu heizen: »Das sind alles Dinge, wo ich glaube, dass wir bis zu zehn Prozent Energiekosten sparen können.« 

Heizungen zu drosseln, wie jüngst der Immobilienkonzern Vonovia angekündigt hat, hält Grunst hingegen für »absurd«. Sowieso könne die Lichtenberger Verwaltung gewisse Änderungen für den Öffentlichen Dienst nicht ohne weiteres durchsetzen. »Wenn wir sagen, dass wir erst um sieben Uhr morgens mit dem Heizen im Winter anfangen wollen, müssen wir die Personalräte beteiligen«, sagt Grunst. Auch die Arbeitsstättenverordnung gelte es zu beachten. 

Das größte Potenzial sieht Grunst zudem an anderen Orten: »Wir haben über 50 Schulen, und auch da müssen wir gucken, wie man Energie spart – natürlich ohne dass die Kinder frieren.« Auch freie Träger hätten bereits gemeldet, die hohen Energiekosten nicht mehr zahlen können. 

Von möglichen Schließungen, über die im Notfall die Senatsverwaltung entscheiden müsste, rät Grunst ab. Schon während der ersten Jahre der Corona-Pandemie hätten Schülerinnen und Schüler genügend gelitten. »Es müssen Maßnahmen getroffen werden, aber ich weiß nicht, ob es schlau ist, das öffentliche Leben zum Stillstand zu bringen«, ergänzt er.

Neben den Sparmaßnahmen möchte Lichtenberg bei der Stromproduktion stärker auf erneuerbare Energien setzen. Grunst kündigt an: »Wir wollen alle Dächer, die wir haben, mit Solartechnik bestücken und das machen wir jetzt auch.« Bei dem größten Problem, der Wärmeversorgung, werde das allerdings nur wenig helfen. 

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