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Zahlreiche Schulsanierungen sollen verschoben werden
Berliner Bezirke legen Einsprüche gegen neues Investitionsprogramm der Senatsfinanzverwaltung ein
Die milliardenschwere Berliner Schulbauoffensive ist bekanntlich ein steter Quell atmosphärischer Verstimmungen zwischen den Bezirken und dem Senat. Gerade erst ist im Zuge der Nachverhandlungen zum Doppelhaushalt 2022/2023 die Sorge der Bezirke abgeräumt worden, dass ihnen 136 Millionen Euro für den Bau von neuen Schulen, Mobilen Ergänzungsbauten und Typensporthallen gestrichen werden könnten. Schon gibt es neuen Ärger. In diesem Fall um jene Schulsanierungen, die im behördlichen Wirrwarr der Schulbauoffensive im Verantwortungsbereich der Bezirke liegen.
Stein des Anstoßes ist der von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) vorgelegte Entwurf für das sogenannte Investitionsprogramm für die Jahre 2022 bis 2026. Anders als in den Vorjahren werden hierin in allen Bereichen »Vorhaben mit niedrigerer Priorität, die außerhalb des finanziellen Rahmens liegen, auf die folgenden Jahre geschoben«, sagt Weseners Sprecher Frederik Bombosch zu »nd«. In den Bezirken betrifft dies demnach vor allem Schulsanierungen.
Das bedeute mitnichten, dass den Bezirken Mittel im Rahmen der Schulbauoffensive gekürzt werden, sagt Bombosch. Den Bezirken stünden im Gegenteil »in den nächsten Jahren deutlich mehr Mittel als bisher zur Verfügung«. Bis 2025 steigt demnach die jährlich abrufbare Summe von derzeit 260 Millionen Euro auf rund 375 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2021 hatten die Bezirke Mittel in Höhe von 160 Millionen Euro abgerufen.
Es sei aber an der Zeit, damit aufzuhören, das jährlich aktualisierte Investitionsprogramm »notorisch zu überzeichnen«, sagt Bombosch. Die Rede ist von immerhin mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Bislang sei es so gewesen, dass viele Projektplanungen auf dem Papier standen, bei denen man davon ausgehen konnte, »dass sich immer etwas verschiebt« – und die versprochenen, aber realistischerweise überhaupt nicht fest eingeplanten Ausgaben unterblieben. Die besagten »Vorhaben mit niedrigerer Priorität« eben.
»Wenn man das auf Dauer macht, läuft man in Probleme rein«, sagt der Sprecher von Finanzsenator Wesener. Die Gefahr, so Bombosch: Wenn wider Erwarten doch mal alle Bauvorhaben zum angekündigten Zeitpunkt anlaufen würden, ließe sich das insgesamt überhaupt nicht bezahlen. Mit solchen Pseudoplanungen soll nun Schluss sein. »Das ist so von der Koalition auch beschlossen worden.«
Bei der Bildungsverwaltung, die 2016 die administrative Federführung bei der Schulbauoffensive übertragen bekommen hat, sieht man das mit der trauten Einigkeit etwas anders. So wandte sich Bildungsstaatssekretär Alexander Slotty (SPD) vor wenigen Tagen mit einem Schreiben an die Schulstadträte der Bezirke, in dem er betont, er sei »verwundert« und »äußerst irritiert« über die seitens der Finanzverwaltung »angedachten Kürzungen von Investitionsmitteln für Schulbau- und Schulsanierungsvorhaben«. Der Entwurf von Wesener sei dem Haus von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) zwar »zur Kenntnis gegeben«, aber nicht mit ihm »abgestimmt« worden. Der Ton Slottys ist deutlich: Man bittet gar nicht erst, sondern »erwartet« von der Finanzverwaltung, dass die besagten Mittel wieder in das Programm geschrieben werden.
»Wir kommentieren das nicht«, sagt dazu Weseners Sprecher Frederik Bombosch: Nur so viel: Die Bildungsverwaltung sei in den Prozess sehr wohl eingebunden gewesen.
Dass die neue Ehrlichkeit im Investitionsprogramm auch problematisch ist, will die Finanzverwaltung gar nicht in Abrede stellen, so Bombosch weiter: »Das wird Auswirkungen haben und das wird an einigen Stellen auch für echte Probleme sorgen.« Zugleich sei der Schritt aber notwendig. »Denn natürlich schlagen die Kostensteigerungen auf dem Bau durch.« Deshalb seien alle Verwaltungen ja auch aufgefordert worden, »ihre Vorhaben nach Dringlichkeit zu gewichten«.
Ausgesprochen hart trifft es beispielsweise den Bezirk Mitte. Auf dessen eingereichter Priorisierungsliste ist nach der Bearbeitung durch den Senat auch nicht mehr viel Dringliches übriggeblieben. Bei 18 von 24 Vorhaben soll es hier jetzt drei bis fünf Jahre später losgehen. »Ich war wie vom Donner gerührt, als ich den Entwurf des Investitionsprogramms vorliegen hatte«, sagt Mittes Schulstadträtin Stefanie Remlinger (Grüne) zu »nd«: »Im Grunde alle Schulsanierungen, die nicht bereits begonnen wurden oder wo nicht städtebauliche Verträge draufliegen, sind auf die Jahre 2027 und folgende geschoben worden.« Immerhin habe es die Sanierung der Anna-Lindh-Schule noch ins Programm geschafft, sagt Remlinger.
Die Grundschule in Wedding – mit über 700 Schülern eine der größten Berlins – gilt als ein einziger Schadensfall: Schimmel, Wasserschäden, fehlende Deckenplatten, bröckelnder Putz. Die Probleme an der Anna-Lindh-Schule sind seit vielen Jahren bekannt. Getan hat sich wenig. Die dauernden kleinen Instandhaltungsmaßnahmen zeigten keine echte Wirkung. Remlinger ist erst seit November 2021 im Amt. Überzeugt, dass hier nur Klotzen hilft statt Kleckern», habe sie die Schule nun mit 60 Millionen Euro erstmals in der Investitionsplanung angemeldet.
Remlinger selbst hatte sich angesichts des zu ihrem Amtsantritt in Sachen Schulbau insgesamt vorgefundenen Jammertals eine «Aufholjagd» vorgenommen, wie sie sagt. Eine eigene «Task Force» wurde im Bezirk gebildet. Doch die Aufholjagd ist mit dem Entwurf des Investitionsprogramms 2022 bis 2026 aus dem Haus ihres Parteifreundes Daniel Wesener vorerst gründlich ausgebremst worden. «Dabei ist die Lage in Mitte dramatisch, der Bedarf an Schulplätzen ist einfach sehr, sehr hoch», sagt Remlinger. Und für Schulplätze sorgt in diesem Zusammenhang eben nicht nur der Bau neuer Schulen, sondern auch die Sicherung des Bestands. «Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn eine Schule wie die Anna-Lindh-Schule von heute auf morgen baupolizeilich gesperrt wird.»
Die Bildungsexpertin Remlinger, bis 2021 Mitglied des Abgeordnetenhauses, sagt: «Ich habe lange genug Haushalt gemacht. Vorhaben, die außerhalb des Programmzeitraums liegen, sind eine Absichtserklärung, kaum mehr.» Selbstverständlich habe sie Einspruch bei der Finanzverwaltung gegen den Entwurf eingelegt. Das hatten im Vorfeld auch mehrere andere Bezirke angekündigt.
Weseners Sprecher Frederik Bombosch sagt, dass man mit Widerspruch gerechnet habe. «Natürlich kämpfen die Bezirke jetzt um ihre Projekte. Und natürlich kann jetzt noch nachgesteuert werden.» Der Senat werde das Programm voraussichtlich im September verabschieden. Bis dahin könnten im Gesamtpaket noch Verschiebungen vorgenommen werden. Klar müsse aber auch sein: «Es wird keine Nachjustierung geben, was den finanziellen Rahmen angeht.» Das gebe die Einnahmesituation in Berlin nicht her, sagt Bombosch.
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