Kampf gegen Gasbohrung vor der Insel Borkum in der Nordsee

Niederländische und deutsche Umweltaktivisten bündeln ihre Kräfte

  • Sarah Tekath, Amsterdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Das niederländische Unternehmen One-Dyas will in der Nordsee nach Gas bohren. Dafür hat der niederländische Staat dem Unternehmen Ende Mai eine Genehmigung erteilt. Nach Angaben von One-Dyas soll in dem Gebiet N05-A, das sich knapp 20 Kilometer nördlich der Inseln Borkum, Rottumerplaat und Schiermonnikoog befindet, frühestens ab dem Jahr 2024 Erdgas gefördert werden. In der ersten Phase soll die Fördermenge bis zu 13 Milliarden Kubikmeter umfassen. Die N05-A-Plattform soll gänzlich mit Windenergie betrieben werden, wie das Unternehmen in einer Pressemitteilung im Juni bekannt gab.

Ermöglicht hat die Bohrung vor der deutschen Insel Borkum der niederländische Staat, indem eine bereits vorliegende Genehmigung für die nächsten Jahre verlängert wurde. Die niederländische Umweltorganisation Mobilisation for the Environment (MOB) argumentiert, dass dies niemals hätte passieren dürfen. »Wir wollen jetzt, dass das Gericht prüft, ob diese Genehmigung überhaupt hätte vergeben werden dürfen«, erklärt Max Haan, Sprecher von MOB. Nach Ansicht der Organisation sei es überhaupt nicht mehr zeitgemäß, jetzt noch fossile Brennstoffe aus dem Boden zu holen.

Außerdem, so MOB weiter, befinde sich das Feld in unmittelbarer Nähe von schützenswerten Naturgebieten – im Meer und an Land. »Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland gibt es Regeln für den Umweltschutz, aber wir sehen immer wieder, dass Unternehmen diese zu ihrem eigenen Vorteil auslegen«, erklärt Haan. In dem entsprechenden Areal befänden sich auch mehrere Natura-2000-Gebiete, in denen die Natur als besonders empfindlich eingestuft ist. So gibt es dort beispielsweise ein Riff, das durch die Bohrungen erhebliche Schäden davontragen dürfte. Außerdem würden sich die Bohrungen auch auf die örtliche Tierwelt – beispielsweise Vögel und Seehunde – auswirken. »Bei der Vergabe oder der Verlängerung einer solchen Genehmigung müssen verschiedene Faktoren gründlich geprüft werden, und wir glauben, dass das hier nicht ausreichend geschehen ist«, so Haan.

Das gerichtliche Vorgehen von MOB ist nicht neu. Zuvor hatte die Organisation bereits mit rechtlichen Mitteln versucht, die Austragung von Formel-1-Rennen auf der Strecke in Zandvoort zu verhindern. In erster Instanz entschied das Gericht damals zugunsten der Formel 1, woraufhin die Umweltorganisation in Berufung ging. Auch gegen den indischen Stahlkonzern Tata Steel, eines der größten Industrieunternehmen in den Niederlanden mit einem der höchsten Emissionswerte, ging die Organisation vor. Ähnlich wie im Fall Borkum argumentierte MOB auch hier, dass der niederländische Staat mit Blick auf die Umweltbelastung gar keine Lizenz hätte erteilen dürfen.

Was dieses Mal neu ist, ist die internationale Zusammenarbeit – und zwar mit der Deutschen Umwelthilfe. Was den Ausgang der Klage angeht, bleibt MOB-Sprecher Haan jedoch vage: »Wir können natürlich nicht in die Zukunft schauen, aber wir hätten es nicht gemacht, wenn wir nicht glauben würden, dass wir gewinnen können.« MOB zeigt sich also selbstbewusst, die zuständigen Richter und Richterinnen mit guten Argumenten überzeugen zu können, dass die Verlängerung der Genehmigungen für die Gasbohrung in der Nordsee von Anfang an falsch war.

Welche verheerenden Konsequenzen die Gasgewinnung nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Bevölkerung haben kann, zeigt unter anderem das Beispiel der niederländischen Stadt Groningen. So gab die staatliche Bergbauaufsicht kürzlich bekannt, dass die Gesamtzahl der Erdbeben in der Provinz Groningen im Jahr 2021 deutlich höher war als im Jahr davor. 2021 gab es insgesamt 72 Erdbeben, davon hatten zwölf eine Stärke von mehr als 1,5 auf der Richterskala. Das schlimmste Erdbeben im Jahr 2021 ereignete sich am 16. November mit einer Stärke von 3,2.

Das Parlament hatte bereits im Jahr 2018 beschlossen, die Erdgasgewinnung in der Region Groningen zu reduzieren, da das Risiko für die Anwohner und Anwohnerinnen nicht mehr tragbar sei. Bis 2023 oder 2024 soll die Förderung auf dem sogenannten Groningenveld gänzlich eingestellt werden. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gibt die niederländische Regierung jedoch an, dies »aufgrund der unsicheren internationalen Umstände« nicht mehr garantieren zu können.

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