Dünne Luft für Bora bei der Frankreich-Rundfahrt

Das einzige deutsche Team bei der Tour de France wird den eigenen Ansprüchen nicht gerecht

  • Tom Mustroph, Peyragudes
  • Lesedauer: 4 Min.
Alexander Wlassow wollte aufs Podium fahren, ist als bester Bora-Profi immerhin Achter.
Alexander Wlassow wollte aufs Podium fahren, ist als bester Bora-Profi immerhin Achter.

Mit jedem Tour-Tag ist die Stimmung beim Team Bora-hansgrohe weiter gesunken. Der einzige deutsche Rennstall startete mit großen Ambitionen in die Frankreich-Rundfahrt. Etappensiege und ein Podiumsplatz in der Gesamtwertung waren das erklärte Ziel. »Wir wollen offensiv fahren, das Rennen gestalten und beleben«, kündigte Performance Director Rolf Aldag an.

Die Fahrweise entsprach den Worten nur in der ersten Woche dieser Tour de France. Zweimal schnupperten Bora-Profis an der Gesamtführung. Auf der 6. Etappe fuhr Maximilian Schachmann einige Zeit in der Fluchtgruppe im virtuellen Gelben Trikot. Vier Tage später verpasste Lennard Kämna um winzige elf Sekunden Platz eins. Als »Sieger der Herzen« bezeichnete Schachmann seinen Teamkollegen. Der damals noch unschlagbar wirkende Tadej Pogačar hätte das Trikot sogar gern an Kämna abgegeben – und damit einen Tag weniger Arbeit für sich und sein Team besorgt. »Ich bewundere Lennard Kämna. Er wird jedes Jahr besser und hat sich zu einem der besten Spezialisten der Welt entwickelt, wenn es um Fluchtgruppen und Etappenjagd geht«, lobte Pogačar.

Als »Sieger der Herzen« hatte sich Kämna auch auf dem siebten Teilstück bewährt. Er schien auf dem Weg zum Etappensieg auf der Planche des Belles Filles, als die Favoriten doch noch an ihm vorbeiflogen.

Nichts Zählbares in den Händen zu haben, drückt auf die Moral. Lennard Kämna hat mittlerweile die Tour verlassen. Eine Erkältung ohne Corona-Infektion ist der Grund. Schachmann ist noch dabei, allerdings nach einem Sturz lädiert und mit Beinen, die nicht so wollen, wie der Kopf es vorhat. Bei Nils Politt, dem dritten deutschen Profi im Bora-Bunde, wollten zuletzt zwar immerhin die Beine. Aber auf der 15. Etappe, die vom Profil her auf ihn zugeschnitten war, fand er bei seinem Ausreißversuch nur minimalste Begleitung. Er gab dann ob mangelnder Erfolgsaussichten bald auf.

Politt und Kämna, die 2021 und 2020 jeweils eine Tour-Etappe gewannen, können sich damit trösten, vom Peloton inzwischen sehr ernst genommen zu werden. Gehen sie in eine Fluchtgruppe, sind sie fast automatisch Favoriten. Jeder blickt auf sie. Jeder markiert sie. Und bei Attacken anderer wartet man gern darauf, dass sie die Lücke schließen. »Wir haben uns durch unsere Leistungen sicher ein Standing im Peloton erarbeitet«, sagt Politt zu „nd». Und darauf kann man stolz sein bei Bora. Der Spielraum für eigene Manöver engt sich dadurch aber auch ein. Das spürt das Team, das im Mai noch den Giro d’Italia so erfolgreich gestaltete und mit Jung-Kapitän Jai Hindley sogar gewann, bei der Tour de France diesmal besonders deutlich.

Die Luft wird dünner, wenn der eigene Leistungshorizont größere Höhen erreicht. Umso bemerkenswerter ist die Leistung von Kapitän Alexander Wlassow. Der Russe war durch einen Sturz früh um seine Klassementchancen gebracht worden. Kaum ging es ihm besser, zeigte er sich in den Pyrenäen in einer Fluchtgruppe. Mit dem Tagessieg am Dienstag klappte es nicht, weil die Fluchtkollegen auch von ihm erwarteten, dass er die Lücken schließen möge. Immerhin rückte er wieder unter die besten zehn vor. Sein Wille, auch nach Rückschlägen nicht aufzugeben, ist enorm. Wlassow zeigt, wie man den toten Punkt einer sich abflachenden Aufstiegskurve überwinden kann. 

Auf der 17. Etappe versuchte am Mittwoch der Österreicher Patrick Konrad für Bora in einer Ausreißergruppe den Tagessieg zu holen – ebenfalls vergeblich. Weil wieder die Favoriten ernst machten: Titelverteidiger Tadej Pogačar gewann bei der Bergankunft in Peyragudes, konnte dem zweitplatzierten und gesamtführenden Jonas Vingegaard aber keine Zeit abnehmen.

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