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Waldbrände bedrohen Ortschaften
Im Südwesten Frankreichs sind Großfeuer außer Kontrolle. Die Feuerwehr betreibt Schadensbegrenzung
Waldbrände gehören in Frankreich traditionell zum Sommer. Doch meist treten sie im Süden des Landes nahe der Mittelmeerküste auf, so wie auch in diesem Jahr im Juni und Anfang Juli. Die Feuerwehr hier hat ihre Erfahrungen mit dieser Art von Waldbränden und kann sie meist nach wenigen Stunden oder Tagen löschen. Doch die Brände, die Anfang vergangener Woche im südwestfranzösischen Departement Landes ausgebrochen sind, stellen eine ganz andere Herausforderung dar: Sie wüten nun schon zehn Tage und sind außer Kontrolle geraten.
Die Feuer konzentrieren sich auf zwei Gebiete an der Meeresbucht von Arcachon nahe der Ortschaft La Teste-de-Buch und nahe der weiter landeinwärts, 40 Kilometer südlich von Bordeaux gelegenen Ortschaft Landiras. Hier sind bereits rund 20 000 Hektar Wald vernichtet – dies entspricht der doppelten Fläche von Paris –, während es in gewöhnlichen Jahren über das ganze Land verteilt im Schnitt 6000 Hektar sind. Die Rauchschwaden des Feuers von La Teste-de-Buch reichen bis zu den Stränden der Atlantikküste und haben hier bereits die meisten Urlauber vertrieben. Im Zoo der Kleinstadt sind mehrere Tiere durch Atemnot oder Stress gestorben. Den Qualm und die Schwebeteilchen der Feuer treibt der Wind bis nach Bordeaux, wo das Atmen im Freien zeitweise problematisch wird. Je nach Windstärke und -richtung ist der Rauch gelegentlich sogar im 800 Kilometer entfernten Paris zu spüren.
Rund 2000 Angehörige der Berufsfeuerwehr von Bordeaux und der freiwilligen Feuerwehren aus der ganzen Region sowie 1500 Zivilschutzangehörige aus dem ganzen Land sind im Einsatz. Um ihr Engagement zu würdigen und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, begab sich Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch an die Front gegen das Feuer im Südwesten. Zuvor hatte er Premierministerin Elisabeth Borne beauftragt, »alle nötigen Kräfte und Mittel einzusetzen, um die Waldbrände wirkungsvoll zu bekämpfen, landesweit und über die unmittelbare Zukunft hinaus«.
Die Feuerwehrleute vor Ort verfügen über mehrere Hundert Spezialfahrzeuge und über neun Löschflugzeuge, davon sechs Amphibienflugzeuge vom Typ Canadair. Diese füllen nach der Landung auf dem kurz hinter der Küste gelegenen Biscarosse-See durch Öffnen von Klappen an der Unterseite in nur zwölf Sekunden ihren Tank mit 6000 Litern Wasser. Dann schließen sie die Klappen und starten sofort wieder, um kurz darauf die »nasse Fracht« über einem Brandherd schlagartig herabfallen zu lassen. Doch selbst diese Technik, die sich andernorts bewährt hat, bleibt hier oft ohne größere Wirkung. Die Waldbrände sind so ausgedehnt, die Flammen schlagen so hoch und der starke Wind trägt die Funken so weit, dass immer neue Gebiete erfasst werden und das Feuer fast überall außer Kontrolle geraten ist. Hier muss sich die Feuerwehr notgedrungen auf die Evakuierung der Bewohner gefährdeter Häuser und auf die Begrenzung der Schäden beschränken. Bisher wurden 37 000 Menschen zeitweise evakuiert und andernorts provisorisch untergebracht.
Um die Flächenbrände einzugrenzen, werden Tag und Nacht die durch das Waldgebiet führenden Wege und Schneisen mittels Fällen und Abtransport von Bäumen so erweitert, dass die Flammen möglichst nicht mehr übergreifen können. Wo dies möglich ist, werden durch Feuerwehrleute taktische Gegenfeuer gelegt, um der Waldbrandfront die Nahrung zu entziehen und das Feuer sich totlaufen zu lassen. Meist verbietet sich ein solches Vorgehen allerdings, weil der vom Meer her landeinwärts wehende Wind zu stark ist.
»Ein Ende der Waldbrände ist längst noch nicht abzusehen«, meint auch die Präfektin Fabienne Buccio, die in der Region Gironde den Staat repräsentiert und sämtliche Lösch- und Evakuierungsarbeiten koordiniert. »Die Bilanz wird in den nächsten Tagen noch düsterer und opferreicher ausfallen«, ist sie überzeugt. Die Wetterprognosen geben ihr recht, denn in den nächsten zwei Wochen sind weiter hohe Temperaturen zu erwarten, starker Wind aus Richtung Meer und kein Regen.
Für einige Brandherde haben die Feuerwehrexperten defekte Autos oder Landmaschinen als Auslöser ausfindig gemacht, doch andere wurden offensichtlich mutwillig entfacht. Aufgrund von Augenzeugenberichten konnte bereits ein Verdächtiger festgenommen werden. Erfahrungsgemäß ist Brandstiftung in Frankreich die Ursache bei der Hälfte bis zwei Dritteln der Waldbrände.
Die gegenwärtigen Brände sind die schwersten seit Jahrzehnten im Departement Landes. Verheerender waren bisher nur der Waldbrand vom August 1949, als 50 000 Hektar Kiefernwald verbrannten, und im Sommer 1976, als landesweit 80 000 Hektar Wald zum Opfer der Flammen wurden. In den ersten zehn Tagen der aktuellen Waldbrände wurden in Landes bereits fünf Campingplätze, ein Restaurant und drei Wohnhäuser vernichtet. Glücklicherweise sind keine Menschenleben zu beklagen, es gibt nur einige Leichtverletzte.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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