Energiesparen vor acht

Das Umweltbundesamt erläutert, wie Effizienz und Suffizienz Entspannung bei der Öl- und Gasversorgung bringen können

  • Verena Kern
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei Gasknappheit und explodierenden Energiepreisen, wie wir sie derzeit erleben, müsste Energiesparen eigentlich das Gebot der Stunde sein. Wenn weniger verbraucht wird, sinkt die Nachfrage, das würde den Preisschock abmildern und zusätzlich auch noch Treibhausgase sparen.

Doch bislang tut sich Deutschland damit schwer. Energiesparen ist seit 50 Jahren, seit der ersten Ölkrise, nicht mehr populär. Obwohl alle Nachhaltigkeit gut finden, stecken wir fest in einem alten Denken, in dem Sparen stets nach Verzicht und Arme-Leute-Leben klingt. Effizienz ist okay, Sparen nicht. Zwar senken die Bürger*innen angesichts extrem hoher Preise schon ihren Verbrauch. Außerdem wollen Kommunen ihre Gebäude und Schwimmbäder weniger heizen.

Die Bundesregierung setzt dagegen ganz auf die Angebotsseite. Für das russische Gas soll Ersatz her. Zunächst vor allem aus Norwegen und Katar, mit schwimmenden Flüssiggasterminals und im Strombereich auch mit reaktivierten Kohlekraftwerken. Fürs Energiesparen hingegen gibt es nur Tipps und Förderangebote, was aber noch nie viel gebracht hat.

Eine von Wirtschaftsminister Robert Habeck im Juni vorgestellte Energiesparkampagne besteht vor allem aus Appellen und einer Plakatkampagne. Einige Bundesministerien wollen laut jüngsten Ankündigungen in ihren Dienstgebäuden ebenfalls an Strom und Heizung sparen – manche mehr, manche weniger. Aber hier geht es mit Blick auf die Gasversorgung in Deutschland um geringe Mengen.

So ernst, wie die Lage ist, wäre mehr nötig. So etwas wie eine gemeinsame Anstrengung, bei der alle mitmachen, ohne dass jemand frieren müsste. Wie das aussehen könnte, hat das Umweltbundesamt (UBA) kürzlich skizziert: Demnach könnten »Effizienz und Suffizienz« zur Entspannung bei der Versorgung beitragen. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen ließe sich der Verbrauch von Gas und Öl »schnellstmöglich« reduzieren. Man bräuchte dafür nicht einmal Fachkräfte oder Baustoffe, die derzeit ja ebenfalls knapp sind.

Zunächst beim Heizen: In allen öffentlichen Gebäuden wird die Raumtemperatur um zwei Grad gesenkt. Für alle Verbraucher*innen gibt es verständliche Heizinformationen, etwa zum Lüften und zum sparsamen Umgang mit Warmwasser. Die Bundesregierung, regt das UBA ferner an, startet eine aktivierende, aufsuchende Kommunikationsoffensive. Alle Haushalte werden persönlich vom Kanzler oder seinen Minister*innen angeschrieben. Es gibt einfache Online-Tools und Video-Tutorials. Auf dem Sendeplatz von »Wirtschaft vor acht« vor der ARD-Tagesschau läuft »Energiesparen vor acht«.

Und beim Verkehr: Ein Tempolimit wird eingeführt. Würde die Obergenze bei 100 km/h auf Autobahnen und bei 80 km/h auf Landstraßen festgesetzt, ließen sich nach Berechnung des Umweltbundesamtes bis zu 2 Milliarden Liter fossile Kraftstoffe einsparen, was immerhin 3,8 Prozent des Gesamtverbrauchs aus dem Jahr 2020 entspricht. Damit könnten Emissionen im Umfang von rund 5,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr vermieden werden. Zum Vergleich: Das wäre fast doppelt so viel wie die Reduktionsmenge für den Transportsektor, die sich aus dem kürzlich vorgelegten Klimaschutzsofortprogramm von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ergibt. Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen brächte immerhin noch rund 800 Millionen Liter Einsparung. Und wenn jeder zweite Sonntag autofrei wird, könnten noch einmal drei Prozent des Gesamtverbrauchs reduziert werden.

Auch die weiteren UBA-Empfehlungen sind nicht neu: So könnte Homeoffice in vielen Branchen Standard werden. Im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr wird das Angebot verbessert und ein günstiges Deutschlandticket eingeführt.

Umsetzen könnte man all das sofort. Der nächste Winter und die nächste Energierechnung wären dann weniger bedrohlich. Und für das Klima wäre auch einiges gewonnen, worauf Experten hinweisen. Und es gäbe noch ein Argument: Überlässt die Politik weiterhin alles der Eigenverantwortung des Einzelnen, ohne einen klaren Rahmen zu setzen, kann es schnell zu dem kommen, was das Umweltbundesamt »Scheinlösungen« nennt: Heizen mit Strom, Holz oder Kohle als Alternative zur Gasheizung.

Ein solcher Trend lässt sich schon jetzt beobachten. Laut zahlreichen Medienberichten ist die Nachfrage nach Heizlüftern, Kaminholz und sogar Kohleöfen deutlich gestiegen. Teilweise wird von einer Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr berichtet. Dabei ist die Nutzung von Elektroheizern nicht nur sehr teuer und mit Blick auf den Energieverbrauch auch ineffizient, »sondern würde auch den Stromverbrauch erhöhen und womöglich zu Stromengpässen in der Industrie führen«, warnt das Umweltbundesamt. Die scheinbare Lösung für einzelne Privathaushalte würde daher neue Probleme schaffen und das gesamte Energiesystem weiter belasten.

Ähnlich ungünstig wäre die Bilanz bei zusätzlichen Holz- und Kohleöfen: mehr Luftschadstoffe, mehr Treibhausgase und noch mehr Druck auf die Wälder, aus denen schon jetzt mehr Holz entnommen wird, als nachwachsen kann. Und das auch ganz ohne die vielen Waldbrände, die aufgrund anhaltender Trockenheit und hoher Temperaturen auch in Deutschland – aktuell vor allem in Osthessen, im Sauerland und der Sächsischen Schweiz – wüten.

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