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Ampel mal wieder auf orange

Die Differenzen in der Regierungskoalition nehmen zu – insbesondere auf dem Gebiet der Sozial- und Steuerpolitik

Es ist schon das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass SPD-Chefin Saskia Esken gegenüber den Partnern in der Ampel-Koalition relativ weitreichende Forderungen formuliert. Bereits am Sonntag hatte sie im ZDF-Sommerinterview eine Vermögensabgabe für die Reichsten und ein Aussetzen der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr verlangt. Damit möchte sie weitere Entlastungspakete für die unter »den anhaltenden Preissteigerungen« leidende Bevölkerung finanzieren. Am Donnerstag legte die Parteivorsitzende nach und verlangte, die Regelsätze für das Arbeitslosengeld II bzw. das von der Ampel-Koalition geplante Bürgergeld müssten »kräftig steigen«. Die Anhebung solle »durch eine Überarbeitung der Berechnungsgrundlage« erfolgen und nicht politisch festgelegt werden, sagte Esken dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie zeigte sich optimistisch, dass »auch unsere Koalitionspartner bereit sind, die Menschen in dieser schwierigen Lage zu unterstützen, sodass wir im Herbst gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen werden«.

Allerdings kommt schon das, was Eskens Genosse, Arbeitsminister Hubertus Heil, am Mittwoch bei der Vorstellung seiner Pläne für die Regularien zum Bürgergeld äußerte, kaum in die Nähe eines echten Inflationsausgleichs. Heil hatte gesagt, er könne sich eine Größenordnung von 40 bis 50 Euro monatlich vorstellen. Derzeit liegt der Hartz-IV-Regelsatz bei 449 Euro monatlich zuzüglich der Kosten für Miete und Heizung. Zum Vergleich: Sozialverbände und Die Linke verlangen eine Anhebung um mindestens 200 Euro.

Heils Zahl dürfte dem am nächsten kommen, was mit der FDP eventuell noch zu machen ist. Und in Sachen Schuldenbremse bzw. Verbot der Netto-Neuverschuldung sowie bei neuen Abgaben und Steuern werden Esken und andere in der SPD, die sich der Parteilinken zurechnen, bei der FDP wohl auf Granit beißen. FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte sich gegen eine pauschale Erhöhung der Regelsätze gestellt und betont, aus dem Bürgergeld dürfe »kein bedingungsloses Grundeinkommen werden«.

Trotz dieser Ansagen des kleinsten und doch mächtigen Koalitionspartners wagt auch die Parlamentarische Linke (PL) in der SPD-Bundestagsfraktion einen kleinen Vorstoß. Sie möchte angesichts der aktuellen multiplen Krisen zumindest eine einmalige Vermögensabgabe auf den Weg bringen. In einem Strategiepapier, verfasst offenbar von dem Lübecker Finanzpolitiker Tim Klüssendorf, spricht sie sich für das Instrument aus, mit dem 0,4 und 0,5 Prozent der Bevölkerung in die Pflicht genommen würden. Das Papier, aus dem das Onlinemagazin »The Pioneer« am Mittwoch zitiert hatte, ist allerdings noch nicht veröffentlicht. Es befinde sich noch in der internen Abstimmung der Parlamentariergruppe, sagte PL-Pressesprecher Maksim Malinovskii am Donnerstag gegenüber »nd«.

Laut dem Medienbericht heißt es darin, die Einnahmen aus der Abgabe sollten einmalig und direkt dem Bund zukommen und zur Finanzierung existenzsichernder Entlastungsmaßnahmen genutzt werden. Als Stichtag für ihre Einführung solle ein Datum in der Vergangenheit gewählt werden, »um Anreize zur Vermögensverringerung auszuschließen und keine Reaktionsmöglichkeit zur Steuerflucht einzuräumen«. Als Bemessungsgrundlage solle das abgabepflichtige Nettovermögen dienen, das zwei Millionen Euro sowie bis zu fünf Millionen Euro für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen übersteigt.

Der PL gehören 95 der derzeit 206 SPD-Bundestagsabgeordnete an. Sie ist damit nach eigenen Angaben der größte Zusammenschluss innerhalb der Fraktion. Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss der sehr vorsichtige Vorstoß auf die Politik der Ampel haben wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vor zwei Wochen erklärt, er sehe derzeit keine Möglichkeit für Steuererhöhungen, um die Inflationslasten gerechter zu verteilen. Dafür gebe es »keine Gesetzgebungsmehrheit«, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung »Maybrit Illner« mit Blick auf die Haltung der FDP.

Von Politikern der SPD wie auch der Grünen waren Forderungen nach einer Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne laut geworden, die stark von den hohen Energiepreisen profitieren. Zuletzt hatten sich am Wochenende SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und die Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt im »Spiegel« dafür ausgesprochen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte dies als »kontraproduktiv« angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage zurückgewiesen. Mit einer solchen Abgabe drohe eine »Abwärtsspirale aus Rezession und steigenden Belastungen«, sagte er.

Auch eine Aussetzung von Gas- und Stromsperren für Menschen, die ihre Rechnungen angesichts der explodierenden Preise nicht mehr zahlen können, ist mit der FDP nicht zu machen. Ein solches Moratorium hatte Grünen-Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke kürzlich ins Spiel gebracht – für den Fall, dass die Bundesnetzagentur »im absoluten Krisenfall Energieunternehmen erlaubt, gestiegene Preise trotz Preisgarantie an die Verbraucher weiterzugeben«.

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