Yucatán im Ausverkauf

In den Tourismushochburgen Mexikos blüht der Drogenhandel

  • Julia Trippo, Cancún
  • Lesedauer: 5 Min.

Auf den ersten Blick wirkt Yucatán wie das karibische Paradies: türkisblaues, lauwarmes Meer, traumhafte Sandstrände, Palmen wehen im Wind. Die Sonnenuntergänge stehen jenen aus Hochglanz-Reiseprospekten in nichts nach – in Mexiko sind sie real. Das Wetter ist tropisch, die Natur üppig. Da muss man als Touristin schon genauer hinschauen, um zu verstehen, dass man nicht in einer TUI-Werbung gelandet ist, vielmehr in einem echten Land, mit echten Menschen und echten Problemen. Und davon gibt es hier genügend.

Drogenhandel und -konsum eskaliert

Yucatán

Die Strecke des Tren Maya führt auf der Halbinsel Yucatán an den Stätten der namensgebenden Maya entlang.

So atemberaubend das karibische Traumziel auch ist, so steht Yucatán doch immer öfter wegen zunehmender Gewalttaten von Drogenbanden in den Schlagzeilen. Der Regierung fällt es zunehmend schwerer, die Streits der rivalisierenden Clans zu deeskalieren. Auch weil sich die mexikanische Mafia in den vergangenen Jahren mehr und mehr zersplittert hat. Seit den 90ern plagen gewalttätige Konflikte einzelner Drogenkartelle das Land, bisher vor allem im Norden, wo Mexiko an die Vereinigten Staaten grenzt. Mittlerweile wird auch immer öfter von Kartell-Schießereien auf der Halbinsel berichtet, in touristischen Hotspots wie Cancún oder Tulum.

Neben der Gefahr, die von den Kartellen für alle Menschen der Region ausgeht, bringt auch die Drogennachfrage der Tourist*innen viel Unruhe in das instabile Ökosystem. Denn die vielen Besucher*innen, hauptsächlich aus den USA und Europa, kommen zum Feiern am Strand – und wollen selbst konsumieren. Auf der Suche nach Partydrogen wie Kokain oder Ecstasy wenden sie sich an die Angestellten in den Hotelressorts, die wiederum lokale Drogendealer kontaktieren. So wird der Kampf um die Kontrolle des Drogenmarktes auf der Halbinsel weiter befeuert. Dabei ist der Konsum in Mexiko eigentlich immer noch verboten.

Durch die Konflikte sind in der Vergangenheit auch schon unbeteiligte Einheimische und Tourist*innen ums Leben gekommen. Einer der bekannteren Vorfälle ereignete sich am 20. Oktober 2021, als eine 25-jährige Instagram-Influencerin aus Kalifornien und eine 35-jährige deutsche Touristin ins Kreuzfeuer zweier rivalisierender Gangs in Tulum gerieten, das beide das Leben kostete. Das Auswärtige Amt warnte zwischenzeitlich sogar vor Reisen und riet auf seiner Webseite, sich nur in Hotelanlagen aufzuhalten.

Aus Sorge, dass die gewaltvollen Auseinandersetzungen der Drogenclans Tourist*innen von einer Reise nach Mexiko abschrecken, hat die mexikanische Regierung nach Angaben der »Cancun Sun« mittlerweile mehr als 6000 Soldat*innen und Polizist*innen, die Tourist Security Battalion, an die Riviera Maya entsandt. Diese patrouillieren am Strand, in der Nähe beliebter Bars und Clubs. Es bietet sich ein absurdes Bild: Fröhliche, völlig von der Realität losgelöste, oftmals weiße Reisende in Flipflops, kurzen Shorts oder Bikinis, die unbeschwert ihre Zeit im karibischen Paradies genießen. Damit sie das tun können, stehen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte in glühender Hitze Wache. Sie tragen lange Kleidung und Gewehre, mancherorts auch Schutzhelme und Corona-Masken. Es wird alles getan für den Wirtschaftszweig Tourismus.

Denn an der Riviera Maya hat man Sorge, das neue Acapulco zu werden. Das war einst eine internationale Urlaubshochburg, bevor der Tourismus wegen der ausufernden Kriminalität größtenteils zusammenbrach. Seit Beginn des Drogenkrieges im Land, als 2006 das Militär systematisch im Inland eingesetzt wurde, kämpften rivalisierende Drogenkartelle um die Vorherrschaft in Acapulco, was zu einem Anstieg der Alltagskriminalität führte.

Mittlerweile gilt die Stadt an der Pazifikküste als eine der gefährlichsten der Welt, auch die Mordrate ist hier eine der höchsten. Die Tourismusbranche leidet unter der ausufernden Gewalt und dem schlechten Ruf. Es gibt immer weniger internationale (Direkt)Flüge, Kreuzfahrtschiffe meiden die Bucht von Acapulco, weniger ausländische Gäste reisten an. Die goldenen Zeiten scheinen erst mal vorbei. Und die karibischen Städte wie Cancún und Tulum sind zu einer großen Konkurrenz geworden: Viele US-Bürger*innen (die wichtigste internationale Zielgruppe der mexikanischen Tourismusbranche) kommen jetzt lieber dorthin.

Naturschutz versus Tourismus

Für die Yucatán-Region bedeutet der Tourismus wirtschaftlichen Aufschwung, was wiederum zu großen infrastrukturellen Reformen führt. Der Hotelbau boomt, ebenso der Bau von Pipelines, die industrielle Landwirtschaft breitet sich weiter aus. Die mexikanische Region hat außerdem eine touristische Bahnlinie geplant, den Tren Maya. Mit 160 km/h wird der Maya-Zug Urlauber*innen unter anderem von Cancún bis zu den archäologischen Maya-Stätten im Landesinneren bringen. Schon im nächsten Jahr soll der Zug die archäologischen Stätten im Süden des Landes miteinander verbinden und auch den Gütertransport erleichtern.

Besonders indigene Bewohner*innen der betroffenen Gebiete kritisieren den Bau der 1500 Kilometer langen Bahnstrecke als ein »koloniales Projekt«, in dessen Planung sie nicht einbezogen worden seien. Ihre Rechte würden dadurch verletzt und der Urwald zerstört, die dort beheimateten Tiere wie Brüllaffen und Jaguare gestört, durch Waldrodungen beispielsweise die Wasserknappheit der Region verschärft. Deshalb sorgt auch die Beteiligung einer Tochterfirma der Deutschen Bahn AG, die sich in Staatsbesitz befindet, an dem Projekt für Kritik.

Für die einheimischen Maya ist der Dschungel ein heiliges Lebewesen, ein Ökosystem mit physischem und spirituellem Leben, das es zu pflegen und respektieren gilt. Auch das sind wichtige Aspekte, die Reisende berücksichtigen sollten.

Ähnlich ist es mit den Cenoten, bei Tourist*innen beliebte, oft durch Einstürze von Höhlendecken in Kalkstein entstandene und mit Süßwasser gefüllte unterirdische Geländeformen – für Maya spirituelle Orte. Früher garantierten sie ihnen Zugang zu Trinkwasser und wurden gelegentlich für Zeremonien von Opfergaben genutzt. Mittlerweile ist es eher ein Spektakel, dort zu baden oder zu tauchen; es gibt Eis und Schwimmflügel. Im kühlen Nass lassen sich die Probleme der Welt einfach vergessen.

Kaum spürbare Corona-Maßnahmen

Wer in Mexiko als Tourist*in eine entspannte Zeit sucht, wird sie hier finden. Nicht zuletzt, weil fast keine Corona-Einschränkungen bestehen. Hier werden alle reingelassen – auch die Ungeimpften und Ungetesteten und das, obwohl Mexiko von Covid-19 stark betroffen ist. Und da das Land seit dem 3. März dieses Jahres nicht mehr als Hochrisikogebiet gilt, gibt es auch für die Rückreise nach Deutschland keine Auflagen. Trotz aller Probleme kann man sich in Yucatán als Tourist*in wohlfühlen. Dennoch hilft ein wachsames Auge beim Bereisen dieser magischen Region.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.