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- Arbeitskampf in Berlin
Das Kalkül ist gescheitert
Lieferando und Co unterschätzen den Mut ihrer Beschäftigten, findet Patrick Volknant
Kaum eine Woche geht mittlerweile ins Land, ohne dass sich Gewerkschafter*innen, Betriebsrät*innen und Beschäftigte vor einem Arbeitsgericht irgendwo in Berlin versammeln. Wenn es mal nicht darum geht, dass Unternehmen Betriebsräte schwächen oder überhaupt deren Zustandekommen verhindern wollen, klagen Beschäftigte gegen untragbare Verhältnisse am Arbeitsplatz, gegen Erpressungs- und Einschüchterungsversuche.
Mit dem Versuch, eine einstweilige Verfügung gegen die Wahl eines Betriebsrats in Berlin zu erwirken, sind Hub-Mitarbeiter*innen, die in ihrem Vorhaben von Lieferando unterstützt wurden, nun glücklicherweise gescheitert. Dass diese mit einer anderen, zweiten Klage gegen die Betriebsratswahl vorgegangen waren, ohne dass der Wahlvorstand und dessen Anwalt überhaupt darüber informiert wurden, spricht Bände. Nicht nur nutzt Lieferando selbst alle zur Verfügung stehenden Mittel, um die betriebliche Mitbestimmung aus unternehmerischem Interesse auf einem Minimalniveau zu halten. Auch nach einem Mindestmaß an Wertschätzung für die Kurier*innen, das Voraussetzung ist, um vernünftige Gespräche zu führen, sucht man vergeblich.
Es ist ein Muster, das beim Blick auf die Berliner Arbeitskämpfe immer wieder auftaucht: Ohne Ankündigung gehen Lieferando, Foot Locker und andere gegen Beschäftigte und Betriebsrät*innen vor. Von heute auf morgen werden Gehälter gekürzt, Kündigungen ausgesprochen, von Zusammenarbeit auf Augenhöhe keine Spur. Der Effekt ist voraussehbar und berechnet: Die Beschäftigten können sich nie sicher sein, wann die rote Linie aus Sicht ihres Arbeitgebers überschritten ist. Sie sollen, in stetiger Erwartung von Sanktionen, von alleine auf Mitbestimmung verzichten. Hierbei haben sich die Arbeitgeber allerdings verkalkuliert und die Entschlossenheit ihrer Beschäftigten unterschätzt. Denn die vielen Prozesse zeigen nicht nur, wie schlecht manches Unternehmen mit seinen Mitarbeiter*innen umgeht – sondern auch, dass es diese nicht kampflos hinnehmen werden.
Hinweis: Ursprünglicherweise hatte der Text den Eindruck vermittelt, dass das Unternehmen Zalando selbst als Beschwerdesteller am Prozess rund um die Hub-Mitarbeiter*innen beteiligt gewesen sei. Der Fehler wurde nachträglich korrigiert.
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