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Feuersturm in Falkenberg

Größter Waldbrand des Jahres in Brandenburg wütet im Landessüden

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Apokalyptische Szenen spielen sich auf dem Gebiet der Stadt Falkenberg/Elster ganz im Süden Brandenburgs ab. Auf rund 850 Hektar brennt am Dienstag bereits der Wald. Das sind 8,5 Quadratkilometer, eine Fläche, in die der Große Tiergarten in Berlin viermal hineinpassen würde.

Unter »ungeklärten Umständen« sei der Brand am Montagnachmittag ausgebrochen, teilte der Landkreis Elbe-Elster am Montagnachmittag mit. Zunächst ging es um rund 100 Hektar Wald, die in Flammen standen. Doch das Feuer breitete sich rasend schnell aus. Schon am Abend war die Rede von 800 Hektar. Zunächst ist die Evakuierung von drei Ortslagen der Stadt Falkenberg mit zusammen 600 Bewohnerinnen und Bewohnern angeordnet worden, am Dienstagnachmittag wurde dies Rehfeld und Kölsa wieder aufgehoben, die Anordnung gilt nur noch für Kölsa-Siedlung. Eine Schweinemastanlage mitsamt den Tieren ist bereits abgebrannt.

Das Haus des Gastes in der Kernstadt Falkenberg ist zu einer Notunterkunft umfunktioniert worden. »Die Lage ist immer noch ernst. Wir haben immer noch Brandherde«, sagt Kreisbrandmeister Steffen Ludewig. Nach Angaben des Landkreises sind am Dienstag 480 Einsatzkräfte aus mehreren Landkreisen ausgerückt. 90 Fahrzeuge waren im Löscheinsatz. Ein Panzer der Bundeswehr soll Schneisen in den Wald brechen, um die Brandausbreitung zu verhindern.

Johanna (85) und Hannelore (81) sind zwei Einwohnerinnen, die Feuerwehr und Deutsches Rotes Kreuz aus ihren Häusern in Kölsa abgeholt haben. Sie haben die Nacht auf dunkelblauen Feldbetten mit roten Fleecedecken verbracht. »Ich bin 85 Jahre alt – aber so einen großen Brand habe ich noch nie erlebt«, sagt Johanna. »Fliegeralarm, das kennen wir noch, aber so was nicht«, sagt ihre Bekannte Hannelore. Beide loben, dass sich die Helfer sehr gut um sie gekümmert hätten. »Wir wurden ordentlich versorgt.«

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) befürchtet, dass sich der Einsatz wegen des Waldbrandes in Falkenberg im Süden des Bundeslandes noch lange hinziehen kann. »Ihn komplett zu löschen, wird wahrscheinlich noch Wochen dauern«, sagte er am Dienstag in dem Einsatzgebiet im Kreis Elbe-Elster. Durch Detonation im Boden seien neue Munitions-Verdachtsflächen entdeckt wurden, die noch gar nicht in Karten verzeichnet gewesen seien. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst sei deshalb in dem Gebiet im Einsatz. Der Brand sei noch nicht unter Kontrolle, sagte der Minister.

Die Brandursache war bisher unklar, der Ort des Ausbruchs südwestlich des Einsatzgebietes aber bekannt, sagte der Minister. Es sei auffällig, dass an dieser Stelle in den vergangenen Wochen mehrfach kleine Brände ausgebrochen seien. Genauere Erkenntnisse gebe es noch nicht.

Am Dienstag leistet die Bundeswehr Katastrophenhilfe in Elbe-Elster. Löschhubschrauber fliegen über Falkenberg. Das Wasser holen sie aus dem Kiebitzsee. Das Gewässer in einem Naherholungsgebiet wird deswegen für Besucher gesperrt. Die Hubschrauber können nach Angaben eines Kreissprechers pro Ladung jeweils 5000 Liter Wasser aufnehmen. Eine Bundesstraße ist wegen des Waldbrandes gesperrt worden. Am Morgen war auch der Zugverkehr auf der Strecke Leipzig-Cottbus unterbrochen.

Der Landesfeuerwehrverband bezeichnet das Feuer als bisher größtes des Jahres in Brandenburg. Der Vizepräsident des Verbandes, Frank Kliem, sagte am Dienstag, die Situation sei auch besonders dramatisch, da Orte geräumt werden mussten und dies neben der Brandbekämpfung großen logistischen Aufwand bedeute. »Die Rettungskräfte sind doppelt gefordert«, so Kliem. Es müssten Ortschaften gesichert werden, um auch möglichen Plünderungen vorzubeugen.

Der Deutsche Wetterdienst gibt keine günstige Prognose, dass die Witterung bei der Brandbekämpfung helfen kann. Wenn, dann werde nur geringer Niederschlag erwartet. Vor allem in Schauernähe sei mit Windböen von bis zu 60 Stundenkilometern zu rechnen, die das Feuer weiter entfachen könnten. Auch für diesen Mittwoch sei nicht mit viel Niederschlag zu rechnen, für Donnerstag ist wieder Sonnenschein angesagt.

Der Großbrand im Elbe-Elster-Kreis in Brandenburg unterscheidet sich nach den Worten des Waldbrandexperten Philipp Haase von anderen Bränden im Land. »Wir reden hierbei von einem Baumkronenbrand, das Feuer läuft von Krone zu Krone und findet sehr viel brennbares Material wie Nadeln«, sagte der stellvertretende Waldbrandschutzbeauftragte am Dienstag. Das Feuer brenne über den Spitzen der Bäume in einer Höhe von bis zu 25 Meter. Dort seien die Windgeschwindigkeiten auch höher als am Waldboden, die Flammen könnten sich schneller ausbreiten, so Haase. Für das Gebiet bedeute das einen »Totalverlust« der Bäume. Das unterscheide den aktuellen großen Waldbrand von anderen Bränden in Brandenburg.

Der Kreisbrandmeister von Elbe-Elster, Steffen Ludewig, geht von mehreren Tagen aus, bis das Feuer gelöscht sein könnte. Die Kameraden müssten die vielen Glutnester im Boden »händisch« ausmachen. Das bedeutet: die abgebrannten Flächen durchstreifen und mit der Hacke den Boden aufreißen. Bis zur Entspannung ist es noch ein langer Weg.

Neben dem fehlenden Niederschlag sorgt auch die große Verdunstung wegen hoher Temperaturen für extrem trockene Böden nicht nur in Brandenburg. Die verbreiteten Kiefer-Monokulturen verschärfen die Brandgefahr. Da der Großteil ihrer Wurzeln nicht besonders tief reicht, vertrocknen die Bäume und geben dem Feuer so reichlich Nahrung. Mit dpa

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