Frech zugegriffen statt höflich gefragt

Verein verklagt Deutsche Bahn wegen Datenschutzmängeln ihrer Navigator-App

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich geht es nicht mehr ohne die Navigator-App, sobald eine längere Reise mit der Deutschen Bahn (DB) ansteht. Ansagen am Bahnsteig und die Gleisanzeige mögen noch recht routiniert funktionieren. Doch spätestens, wenn der Zug auf einem anderen Gleis einfährt, fehlt der ausgehängte Wagenstandsanzeiger am neuen Gleis. Mit Gepäck gilt es dann, im vollen Zug den gebuchten Sitzplatz zu finden, gern auch noch unter erschwerten Bedingungen, wenn die Wagenreihung wieder einmal verändert wurde.

Ein Klick in die DB-Navigator-App liefert nicht nur Informationen über Gleiswechsel und Verspätungen, sondern bietet auch die Option, Fahrkarten zu buchen oder schnell ein Anschlussticket zu lösen, wenn es einmal aus einer Tarifzone hinaus geht. Der unangenehme Beigeschmack: Die App kennt reichlich Daten der Reisenden. »Viele Menschen sind auf die Bahn als Verkehrsmittel angewiesen – und wir alle sind auf sie angewiesen, damit eine Klimawende gelingen kann«, sagt Julia Witte von Digitalcourage. Nicht nur Witte ist der Ansicht, dass Bahnfahren zur Grundversorgung gehört und mit Apps eine wichtige Stellung einnehmen kann. »Dass ausgerechnet diese App massenhaft Informationen über uns weitergibt, ist ein inakzeptabler Übergriff«, so Witte.

Die Datenschützer*innen vom Verein Digitalcourage machen gegen den Navigator mobil, denn einige seiner Funktionen verstoßen gegen die Datenschutzgrundverordnung DSGVO sowie das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz TTDSG. Sicherheitsforscher Mike Kuketz hat die App unter die Lupe genommen und dabei eine Reihe sogenannter Tracker ausfindig gemacht, die Daten über das Nutzungsverhalten sammeln und weiterleiten. Und zwar nicht nur an die DB AG, sondern auch an den US-Software-Produzenten Adobe und die App-Stores von Google oder Apple.

Die Deutsche Bahn hat die Kritik von Digitalcourage an der App unterdessen »entschieden« zurückgewiesen. Es würden »keine identifizierenden personenbezogenen Informationen, sondern nur pseudonymisierte Daten« verarbeitet, heißt es in einer Pressemitteilung des Konzerns. Man lege großen Wert auf die sparsame Erhebung und den sorgsamen Umgang mit den Daten der Kund*innen.

Doch angesichts der großen Datenmenge, die allein die zehn Millionen Nutzer der Android-Version des Navigators produzieren, liegen reichlich Daten vor, die zumindest theoretisch eine Deanonymisierung und damit eben doch wieder Rückschlüsse auf personenbezogene Informationen ermöglichen können.

Kernpunkt des Streits um die App ist, dass sie Daten an zehn Dienstleister übermittelt, ohne die der Navigator angeblich nicht funktioniert. Statistische Zwecke, personalisierte Angebote und Funktionstest zur Nutzungsverbesserung zählen dazu. »Für den Abruf von Zugverbindungen in einer Fahrplan-App und die Buchung von Tickets ist die Weiterverwertung der personenbezogenen Daten der Reisenden zu Analyse- und Marketingzwecken nicht unbedingt erforderlich«, sagt Anwalt Peter Hense, der der Bahn zusammen mit Mike Kuketz und dem Datenschutzativisten Padeluun von Digitalcourage im April ein Ultimatum zur Überarbeitung der App gesetzt hatte.

»Durch die Einordnung der Tracker in diese Kategorie will sich die Bahn ihrer Verpflichtung entziehen, Nutzer*innen um eine informierte Einwilligung bitten zu müssen. Kurz: Die Bahn greift bei den Daten ihrer Fahrgäste frech zu, obwohl sie höflich fragen müsste«, sagt Peter Hense. Zwar reagierte die Bahn auf das Ultimatum. Sie habe aber in ihrer Antwort deutlich gemacht, »dass sie nicht vorhat, etwas an den Trackern zu ändern«. Deshalb werde von den Datenschützer*innen eine Klage eingereicht.

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