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Die Verantwortung liegt bei Lufthansa
Verdi-Luftfahrtexperte Marvin Reschinsky über die Tarifgespräche fürs Bodenpersonal
Diesen Mittwoch beginnt die nächste Verhandlungsrunde im Tarifstreit mit der Lufthansa zur Bezahlung des Bodenpersonals. Sind Sie zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommt?
Wir wollen auf jeden Fall zu einem Ergebnis kommen. Wir haben stets betont, dass die Kolleginnen und Kollegen zeitnah finanzielle Entlastungen in Form von höheren Verdiensten brauchen. Doch der Ball liegt jetzt bei der Lufthansa.
Marvin Reschinsky ist Gewerkschaftssekretär bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und Konzernbetreuer für die Lufthansa. Mit ihm sprach nd-Redakteur Simon Poelchau über die Tarifverhandlungen für die rund 20 000 Beschäftigten am Boden bei der Airline.
Werden Sie notfalls nochmals streiken?
Wir erwarten von der Lufthansa ein deutlich besseres und abschlussfähiges Angebot. Sollte das nicht kommen, sind weitere Streiks nicht ausgeschlossen. Es darf nicht auf Zeit gespielt und die Verhandlungen dürfen nicht künstlich in die Länge gezogen werden. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen in Zeiten hoher Inflation schnell höhere Löhne.
Eine bekannte Boulevardzeitung titelte anlässlich der Streiks des Bodenpersonals, dass Ihr Gewerkschaftschef Frank Werneke »uns den Urlaub« versauen würde. War ein Streik mitten in der Urlaubszeit sinnvoll?
Wir haben natürlich vollstes Verständnis für Passagiere, die aufgrund von Flugstreichungen verärgert sind. Aber die Verantwortung für den Streik liegt nicht bei uns, sondern bei der Lufthansa-Spitze. Sie wusste genau wie wir schon vor Monaten, dass die Tarifverhandlungen in die Sommer- und Ferienzeit fallen würden. Doch die Lufthansa hat sich in den Verhandlungen bisher nicht dementsprechend verhalten. Sie wusste bereits zwei Wochen vor dem Streik, dass ihr Angebot ungenügend war, hat aber nicht nachgebessert. Auch die 40 Stunden zwischen Ankündigung und Beginn des Warnstreiks hat sie nicht genutzt, um ein besseres Angebot vorzulegen.
Wie ist derzeit die Stimmung beim Bodenpersonal?
Die Stimmung unter den Beschäftigten ist katastrophal. Die Lufthansa hat während der Pandemie massiv Personal abgebaut. Das führt zu einer enormen Belastung bei den Beschäftigten und teilweise äußerst kurzfristigen Streichungen von Flügen. Manche Passagiere erfahren erst im Sicherheitsbereich, dass ihr Flug gestrichen wurde, und sind dann natürlich wütend. Diese Wut geben sie dann an die Beschäftigten weiter. Diese werden teilweise sogar bespuckt und körperlich angegriffen.
Wie groß war der Personalabbau?
Der Personalabbau betraf beim Bodenpersonal ungefähr ein Drittel. Das ist aus unserer Sicht ein Skandal. Die Lufthansa wurde während der Pandemie mit Steuermilliarden vom Staat gerettet und ist jetzt nicht bereit, einen reibungslosen Luftverkehr zu gewährleisten.
Im Zuge der Coronakrise kam es bei der Lufthansa nicht nur zu Stellenabbau. Die Beschäftigten haben auch auf Gehalt verzichtet, um den Konzern zu retten. Wie hoch war dieser Beitrag?
Insgesamt beliefen sich die Einsparungen durch Gehaltskürzungen beim Bodenpersonal auf ungefähr 200 Millionen Euro. Dabei verzichteten die Beschäftigten am Boden unter anderem auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das jeweils 50 Prozent eines Monatsgehalts ausmacht. Der Zuschlag zum Urlaubsgeld beträgt bei Beschäftigten am Check-In beispielsweise 1075 Euro. Die Beschäftigten sind also bereits durch die Coronakrise massiv in Mitleidenschaft geraten und erleben nun auch noch durch die Inflation einen massiven Verlust ihrer Kaufkraft. Deshalb muss es jetzt zu einer kräftigen Erhöhung kommen, damit die Beschäftigten sich den Job bei der Lufthansa überhaupt noch leisten können.
Die Lufthansa hat bei einer Laufzeit von 18 Monaten eine Erhöhung der Grundvergütung in zwei Schritten um insgesamt 250 Euro angeboten. Warum ist Ihnen das zu wenig?
Das Angebot von der Lufthansa ist insgesamt weit davon entfernt, die Kaufkraftverluste aufgrund der hohen Inflation aufzufangen. Für einen Flugzeugmechaniker zum Beispiel würde das Angebot ein Lohnplus von lediglich 3,5 Prozent bedeuten. Das reicht bei einer Preissteigerung von über sieben Prozent hinten und vorne nicht. Wir fordern deshalb 9,5 Prozent mehr beziehungsweise mindestens 350 Euro mehr Gehalt im Monat.
Die Lufthansa bietet zudem eine zweiprozentige Vergütungserhöhung ab 1. Juli 2023 in Abhängigkeit vom Konzernergebnis an.
Auch das ist aus Gewerkschaftssicht inakzeptabel. Wir können Tariferhöhungen nicht abhängig machen vom Konzernergebnis, weil die Beschäftigten es nicht in der Hand haben, ob die Lufthansa nicht am Ende den Gewinn künstlich senkt, etwa indem sie neue Flugzeuge kauft, um so beim Gehalt zu sparen.
Eine weitere Forderung von Verdi ist die Anhebung des konzernweiten Mindestlohns auf 13 Euro. Ist das wirklich nötig?
Leider ja. Für einen Konzern wie Lufthansa sollte es eigentlich beschämend sein, Löhne unter 12 Euro die Stunde zu zahlen. Doch für viele Beschäftigte am Boden trifft das leider noch zu. Das sind beispielsweise 500 Beschäftigte im Frachtbereich bei der Lufthansa Cargo und bei der Konzerntochter Lufthansa Technik Logistik Services. Dort gibt es noch Löhne von nur knapp über elf Euro. Das reicht in Großräumen wie München, Hamburg oder Frankfurt am Main nicht zum Überleben. Und es ist niedriger als die 12 Euro, auf die der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Oktober steigt.
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