Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket?

29- oder 69-Euro-Monatskarte, 365-Euro-Jahresticket – Vorschläge gibt es viele, doch die Debatte stockt

Noch ist unklar, ob es ab September ein ähnliches Angebot wie das 9-Euro-Ticket geben wird.
Noch ist unklar, ob es ab September ein ähnliches Angebot wie das 9-Euro-Ticket geben wird.

Das 9-Euro-Ticket ist beliebt, alleine im Juni wurden rund 21 Millionen von den günstigen Monatstickets für den Nah- und Regionalverkehr verkauft. Zudem gibt es zehn Millionen Kunden mit einem Abo für die Öffentlichen, deren Ticket sich automatisch in eine 9-Euro-Karte umgewandelt hat. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing lobte das vom Bund bezuschusste 9-Euro-Ticket als »Riesenerfolg«. Mitte Juli sagte der FDP-Politiker, ein Nachfolgeangebot sei ab Ende des Jahres 2022 oder zu Beginn 2023 möglich. Im November sollten Wissing zufolge Daten zu dem Ticket vorliegen, die bei der Bewertung helfen würden.

Seitdem gab es zahlreiche Vorschläge, wie ein bundesweites Ticket künftig preislich gestaltet werden könnte. So forderte etwa die Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Ramona Pop, im Gespräch mit der »Funke-Mediengruppe« eine »Fortführung mit einem 29-Euro-Ticket ab September«. Ähnliches will auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): Es solle ab September ein bundesweit gültiges 365-Euro-Jahresticket eingeführt werden. Dieses müsse für rund 30 Euro auch monatlich gekauft werden können. »Das 9-Euro-Ticket hat bewiesen, dass die Attraktivität von Verkehrsmitteln über ihre Nutzung entscheidet«, so BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. Mit einem direkten und für alle erschwinglichen Nachfolgeangebot könne die Mobilitätswende fortgesetzt werden. »Hier braucht es eine schnelle und klare Entscheidung der Regierung ohne das übliche Ampel-Hick-Hack.«

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen plädierte in der »Süddeutschen Zeitung« für eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets um zwei Monate. Anschließend solle ein bundesweit gültiges Ticket für 69 Euro im Monat eingeführt werden. Dieser Preis könne von der Politik »aus sozialpolitischen Erwägungen« für Menschen mit wenig Geld auf 29 oder 39 Euro gesenkt werden. Dieser Vorschlag wird auch von Teilen der SPD unterstützt. Ebenso hatte sich der Städtetag positiv zu einem 69-Euro-Ticket geäußert. »Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Bund und Länder die damit verbundene Zeit nutzen und sich auf eine Anschlusslösung einigen, die sie auch tragfähig finanzieren«, so der Präsident des Städtetags, Markus Lewe zur dpa.

Doch bei der Frage nach der Finanzierung eines günstigen Nachfolgeangebots zeichnet sich zwischen Bund und Ländern eine Auseinandersetzung ab. So sieht beispielsweise die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer (Grüne), den Bund in der Pflicht. Der Schienenverkehrsbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), sagte, die Bundesländer müssten mitziehen. Ohne sie lasse sich kein Nachfolgeangebot umsetzen. Jedoch sieht er ein 69-Euro-Ticket als Nachfolge des 9-Euro-Tickets sowieso kritisch. Dieses könne »dazu führen, dass Netzkarten in bestimmten Verkehrsverbünden wie Berlin teurer werden. Auch das wäre wenig sinnvoll«, so der FDP-Politiker in der »Rheinischen Post«.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte am Wochenende einem Folgeangebot des 9-Euro-Tickets sogar eine komplette Absage erteilt. »Sollte ein bundesweites Ticket nicht umsetzbar sein, könnten alternativ auch die fünf norddeutschen Bundesländer etwas auf die Beine stellen«, teilte das niedersächsische Verkehrsministerium – ebenfalls am vergangenem Wochenende – auf Anfrage der dpa mit. Minister Bernd Althusmann (CDU) sagte, eine Anschlusslösung werde nur mit einer deutlichen Anhebung der Bundesgelder möglich sein. »Es kann ja nicht sein, dass der Bund das Ticket initiiert, die Umsetzung den Ländern überlässt, sich für den Erfolg feiern lässt und dann keine Verantwortung für eine Anschlusslösung übernehmen will.« Ein deutschlandweites Folgeangebot für das Ende August auslaufende Ticket werde weiterhin favorisiert, gleichwohl will Niedersachsens Verkehrsministerium darauf nicht allzulange warten.

Ein breites Bündnis von Jugendorganisationen fordert von der Bundesregierung die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets bis mindestens Ende des Jahres. Langfristig soll der ÖPNV bundesweit kostenlos gestaltet werden. »Eine Rückkehr zu den alten Ticketpreisen ab September wäre in der jetzigen Krisensituation ein Desaster«, so Wendelin Haag, Bundesvorsitzender der Naturfreundejugend Deutschlands. »Mobilität ist ein Grundrecht und gerade für junge Menschen eine wichtige Voraussetzung für Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe.« Für die Finanzierung der Maßnahmen fordern die Jugendorganisationen von Umweltverbänden, Gewerkschaften, mehrerer Parteien und der Klimabewegung, die Nutzung von Geldern aus umweltschädlichen Subventionen, deren Streichung bereits im Koalitionsvertrag verankert ist.

Auch die Linke fordert einen kostenlosen öffentlichen Personnennahverkehr. Dieser ließe sich innerhalb von fünf Jahren umsetzen. Zunächst solle das 9-Euro-Ticket bis Jahresende verlängert werden. Anschließend müsse als Übergangslösung ein Ticket für einen Euro pro Tag eingeführt werden, erklärte Linke-Chefin Janine Wissler. Finanziert werden solle dies unter anderem durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen und durch die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs. Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge schlug in den Zeitungen der »Funke-Mediengruppe« vor, ein günstiges Ticket für den öffentlichen Nahverkehr durch die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs zu finanzieren.

Trotz der vielen verschiedenen Vorschläge ist allen gemein, dass eine schnelle Nachfolge für das auslaufende 9-Euro-Ticket gefordert wird. Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Detlef Müller, schlug am Sonntag vor, noch im August solle eine Sonderverkehrsministerkonferenz darüber beraten. Dröge erklärte, die von Wissing in Aussicht gestellte Evaluation im November komme zu spät.

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