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  • Dokumentarfilm »Der laute Frühling«

Die einzige Chance

Nur wenn der Kapitalismus überwunden wird, können Menschen und Klima gerettet werden – das ist die These des Dokumentarfilms »Der laute Frühling«.

  • Nicolai Hagedorn
  • Lesedauer: 3 Min.
Blockade für das Klima: Filmstill aus »Der laute Frühling«
Blockade für das Klima: Filmstill aus »Der laute Frühling«

Die menschengemachte Veränderung des weltweiten Klimas ist seit über 30 Jahren wissenschaftlich dokumentiert und gut belegt. Inzwischen hat sich jedoch die gesellschaftliche Diskussion um Lösungsmöglichkeiten der für die Menschheit existenziellen Krise stark aufgefächert.

Während die Bourgeoisie und der deutsche ideelle Gesamtkapitalist dermaßen vor der Automobilindustrie und anderen Großkapitalen strammstehen, dass selbst minimale Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen nicht durchgesetzt werden, hat sich in linken und progressiven, zugegeben nach wie vor marginalen Milieus inzwischen zumindest die Erkenntnis durchgesetzt, dass unter kapitalistischen Bedingungen eine Lösung des Problems nicht zu haben ist.

Der Film »Der laute Frühling« von Johanna Schellhagen unternimmt nun den Versuch, die in der weltweiten Klimabewegung inzwischen virulenten Debatte über Alternativen zum kapitalistischen Wirtschaften einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Schellhagen setzt in ihrem gut einstündigen Dokumentarfilm zwei Schwerpunkte: Im ersten Teil widmet sie sich der Kapitalismus-Analyse, lässt Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen zu Wort kommen, um das Problem herauszuarbeiten. Im zweiten Teil entwirft sie eine Vision davon, wie eine friedliche antikapitalistische Revolution ablaufen könnte. Dabei gelten ihre Überlegungen vor allem der Frage, wie sich die Klima- mit der Arbeiterbewegung zusammenschließen könnte, um sich Produktionsmittel anzueignen und eine ökosozialistische Graswurzelrevolution in Gang zu setzen.

Als Kronzeugin für die Erkenntnis, nach der die Zwänge der kapitalistischen Produktion eine zügige CO2-Reduktion nicht zulassen, präsentiert Schellhagen in »Der laute Frühling« die an der Universität Lausanne lehrende Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Steinberger, die in mehreren Sequenzen die Unmöglichkeit einer Mäßigung der kapitalistischen Produktion darlegt. Vollkommen richtig erklärt Steinberger: »Der Kapitalismus kann seiner krisenhaften Natur nur dadurch entkommen, dass er ständig expandiert … Ohne Wachstum wird der Kapitalismus instabil und krisenanfällig.« Sie erklärt, dass eine solche Wirtschaftsweise mit dem dringenden Gebot einer CO2-Reduktion schlicht nicht vereinbar ist: »Eine der Konstanten in den Daten ist, dass es eine starke Verbindung gibt zwischen Wirtschaftswachstum und dem Anstieg von Emissionen, sowie des Energie- und Ressourcenverbrauchs.«

Auf Basis dieser Analyse schlägt Schellhagen dann den Bogen zu einer möglichen Lösung. Diese sieht sie in der Überwindung der auf Wachstum angewiesenen kapitalistischen Produktionsweise. »Arbeit ist zentral und entscheidend für das kapitalistische Produktionssystem«, erklärt die polnische Amazon-Arbeiterin und Gewerkschaftsaktivistin Magda Malinowska im Film, »und wenn wir uns als Arbeiter organisieren, können wir die Macht erlangen, das ganze System zu verändern.«

Vieles an dem Film und dem sehr weiten theoretischen Rahmen, in dem in atemberaubendem Tempo Theorie, Aktivismus und Utopie in gut einer Stunde abgehandelt werden, ist noch unausgereift und zu wenig reflektiert. Dazu gibt es eine Menge formaler Ungereimtheiten.

Davon abgesehen jedoch nähert sich »Der laute Frühling« seinem Thema in seinem analytischen Ansatz angemessen, gibt eine Ahnung von kapitalistischen Kategorien und Zwängen und entwirft in fast rührender Freundlichkeit eine revolutionäre Utopie der Kapitalismusüberwindung, die gemäß allem, was wir wissen, tatsächlich die einzige Chance der Menschheit ist, den Heimatplaneten für kommende Generationen als Lebensraum zu erhalten. Man kann den Film als Ausnahmeerscheinung bezeichnen, weil er nicht – wie viele andere mediale Bearbeitungen der Klimakrise – völlig von bürgerlicher Ideologie und Technologiegläubigkeit durchdrungen ist. Stattdessen fasst er das Kapital nicht als schicksalhafte Naturerscheinung, sondern als gesellschaftliches Verhältnis auf. Als eines, in dem Mensch und Natur rücksichtslos ausgebeutet werden und das überwunden werden kann und muss.

»Der laute Frühling«: Deutschland 2022. Dokumentarfilm. Regie: Johanna Schellhagen. Mit: Julia Steinberger, Andreas Malm. 62 Minuten, jetzt im Kino.

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