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Biologie als Hundepfeife
Anders als vielfach behauptet, liefert die Wissenschaft keine Argumente für Transfeindlichkeit, meint Lilli Mehne.
Die Publizistin Alice Schwarzer pocht darauf, die Biologin Marie-Luise Vollbrecht verteidigt es und das Magazin »Emma« warnt vor seiner Abschaffung: Das biologische Geschlecht ist scheinbar in großer Gefahr. Wo auch immer es um trans Menschen und ihre Rechte geht, wird das biologische Geschlecht in seiner angeblichen Allgemeingültigkeit beschworen. Aber diese Darstellung ist irreführend – denn die Biologie ist nicht transfeindlich. Die Menschen, die sich auf sie beziehen, aber oftmals schon.
Um Transidentität zu verstehen, muss zwischen biologischem und sozialem Geschlecht unterschieden werden. Das biologische Geschlecht kategorisiert Menschen nach bestimmten körperlichen Merkmalen wie zum Beispiel Genitalien in männlich, weiblich und intersex (Personen, deren körperliche Merkmale weder als eindeutig weiblich noch als eindeutig männlich eingeordnet werden). Dahingegen ist das soziale Geschlecht ein Überbegriff für Geschlechtsidentität, geschlechtliche Wahrnehmung und Geschlechterrollen. Die Geschlechtsidentität beschreibt, als welches Geschlecht man sich als Individuum versteht und kann daher nicht von außen bestimmt werden. Im Gegensatz dazu bezeichnet die geschlechtliche Wahrnehmung, als welches Geschlecht man von anderen gesehen wird. Eng verbunden mit diesem Merkmal sind Geschlechterrollen, die kulturell unterschiedlich sind und beschreiben, wie sich eine Gesellschaft die einzelnen Geschlechter vorstellt.
Es ist wichtig anzuerkennen, dass die Begriffe »Mann« und »Frau« keine festen Definitionen haben, sondern in ihrer Bedeutung immer wieder neu verhandelt werden. Dieser fortwährende Prozess findet im Kleinen wie im Großen statt, am Abendbrottisch ebenso wie in der Universität.
Bei trans Personen stimmt das biologische Geschlecht und die Geschlechtsidentität nicht überein. Wer sich nicht vorstellen kann, wie sich das anfühlt, kann nichtsdestotrotz auf einfache Art und Weise die Geschlechtsidentität von trans Personen anerkennen. Neue Pronomen, neuer Name, neue Anrede – wenn man sich ein wenig Mühe gibt, hat man das schnell drauf. Für trans Menschen können diese Gesten der Akzeptanz einen großen Unterschied machen.
Die Entscheidung, das biologische Geschlecht der Geschlechtsidentität vorzuziehen und als gesellschaftlich wichtigere Kategorie auszuwählen, ist nicht an die Wissenschaft gebunden. Es ist eine moralische Entscheidung, die einer guten Begründung bedarf – doch diese bleibt häufig aus. Stattdessen werden alte Stereotype über trans Personen genannt, dass sie sexuell übergriffig seien oder gewalttätig. Statistisch kann nichts davon belegt werden.
Die Biologie gibt uns nicht vor, wie wir Geschlecht in sozialen Kontexten, sprich: fast überall, verstehen sollen. Das ständige Bekräftigen des biologischen Geschlechts als das einzig Relevante gleicht stattdessen einem Ritual, mit dem die »Genderideologie« ferngehalten werden soll. So wird in der »Emma« über eine prominente trans Frau geschrieben, sie sei »physisch und rechtlich ein Mann« und ein trans Junge wird als »biologisches Mädchen« bezeichnet. Dabei geht es nicht um unabhängige Berichterstattung oder wissenschaftliche Debatten, sondern darum, Vorurteile gegen trans Menschen zu verstärken. Wer sich in transfeindlichen Zirkeln bewegt, weiß sofort, dass hier jemand mit ähnlichen Ansichten spricht.
Es ist das Prinzip der »Hundepfeifen-Politik«: Während die Durchschnittsperson ein scheinbar harmloses Argument hört, ist der stumme Teil der Aussage – hier die Transfeindlichkeit – offensichtlich für alle, die Bescheid wissen. Letzten Endes gibt es keinen logischen oder gar wissenschaftlichen Grund für Transfeindlichkeit. Wie jede menschenverachtende Ideologie liegt in ihrem Kern die simple Ablehnung der Menschen, die als weniger wertvoll gesehen werden. Der Versuch, diese Verachtung mithilfe der Biologie zu rationalisieren, scheitert – hoffentlich.
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