Feuersbrünste ohne Beispiel

Waldbrände in Sächsischer Schweiz schwelen weiter

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Sächsischen Schweiz sind weiterhin Hunderte Feuerwehrleute damit beschäftigt, einen riesigen Waldbrand unter Kontrolle zu halten – auch mehr als zwei Wochen, nachdem dieser aus der benachbarten Böhmischen Schweiz auf deutsches Gebiet übergegriffen hat. Zwar brennt der Wald in der bei Touristen beliebten Region mit ihren malerischen Sandsteinfelsen nicht mehr großflächig. Doch aus Glutnestern im Boden lodern, angefacht durch teils starken Wind, immer wieder Flammen auf. Man müsse »hohen personellen und technischen Aufwand« betreiben, um sie zu bekämpfen, erklärt das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Die Lage bleibe »angespannt«.

Das Feuer brach vor nunmehr 17 Tagen nahe des berühmten Prebischtors im tschechischen Teil des grenzübergreifenden Nationalparks aus, wo zeitweise bis zu 1060 Hektar lichterloh brannten. Ganze Ortschaften mussten zeitweise evakuiert werden, etliche Wohnhäuser brannten nieder. Später breitete sich der Brand in das sächsische Gebiet zwischen Großem Winterberg und Hinterhermsdorf aus. In Sachsen brennt es auf 150 Hektar. Siedlungen sind nicht gefährdet. Trotzdem spricht CDU-Landrat Michael Geisler von einer »Brandkatastrophe, wie wir sie in diesem Ausmaß noch nicht erlebt haben«.

Es ist der dramatischste, aber längst nicht der einzige Waldbrand in Sachsen in diesem Sommer. Ab Mitte Juni hatte es zunächst in der Gohrischheide bei Zeithain nahe der Grenze zu Brandenburg gebrannt, auf einer 800 Hektar großen, teils mit alter Munition belasteten Fläche. Die Rede war vom größten Waldbrand in Sachsen seit 30 Jahren. Gelöscht war er erst nach zweieinhalb Wochen. Dann brannte in Nordsachsen eine knapp 50 Hektar große Waldfläche in der Gemeinde Arzberg. Die Bekämpfung des Feuers, bei der auch Hubschrauber, Wasserwerfer und Bergepanzer zum Einsatz kamen, kostete nach Angaben der Kreisverwaltung 1,5 Millionen Euro. Auch Nordsachsens CDU-Landrat Kai Emanuel spricht von einem »bislang beispiellosen Waldbrand«. Zudem gab es kleinere Brände, etwa unterhalb der Bastei in der Sächsischen Schweiz sowie in Oybin im Zittauer Gebirge.

Auch wenn solche Feuer fast immer durch menschliches Fehlverhalten ausgelöst werden und die Polizei im Fall der Gohrischheide sogar wegen Brandstiftung ermittelt, wird das Ausmaß der Brände erst durch extreme Trockenheit ermöglicht, die in Teilen Sachsens seit Jahren zunimmt und mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht wird. Nach den Dürrejahren 2018 bis 2020 brachte das vorige Jahr eine kurze Entspannung. Nun ist etwa in Nordachsen erneut von einem »lang anhaltenden und großen Niederschlagsdefizit« die Rede. Laut einem hydrologischen Monatsbericht liegt dieses in Sachsen derzeit flächendeckend bei 20 bis 41 Prozent. Von rund 500 Grundwasser-Messstellen im Freistaat unterschreiten derzeit 86 Prozent den monatstypischen Stand teils deutlich. Die dramatischen Folgen zeigen sich in der Sächsischen Schweiz. Dort breiten sich die Flammen nicht nur rasant in einem von Fichten dominierten Baumbestand aus, der zu erheblichen Teilen bereits einer durch langjährigen Trockenstress begünstigten Invasion von Borkenkäfern zum Opfer gefallen ist. Das Feuer frisst sich auch bis zu einen halben Meter tief in den staubtrockenen Boden.

Die Brandbekämpfung bindet enorme Kräfte. Zuletzt waren 850 Feuerwehrleute im Einsatz, viele aus anderen Regionen Sachsens. Zwölf Hubschrauber von Bundeswehr, Bundes- und Landespolizei sowie privaten Anbietern werden genutzt. Sie schöpfen im Minutentakt Wasser aus der Elbe, die Tschechien mit täglich bis zu 1,7 Millionen Kubikmetern aus den Staustufen an der Moldau auffüllt. Weil es kaum noch Kapazitäten für zusätzliche Einsätze gäbe, die Gefahr weiterer Feuer angesichts hoher Waldbrandwarnstufen aber extrem hoch war, verboten der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, die Stadt Dresden und andere Landkreise das Betreten sämtlicher Wälder.

Das löste wiederum große Sorgen in der Tourismusbranche aus. Die Sächsische Schweiz ist ein Besuchermagnet. 2019 kamen eine halbe Million Gäste, selbst in den Coronajahren 2020/21 ging die Zahl nur moderat zurück. Wer freilich in die Region kommt, will wandern und klettern. Die Nachrichten vom Waldbrand und vom Waldverbot führten dazu, dass Gäste frühzeitig abreisten und auch Buchungen für Spätsommer und Herbst reihenweise storniert wurden. Viele Betriebe, die bereits unter der Pandemie gelitten haben, sehen nun schwarz. Am Sonntag wurde das Betretungsverbot außerhalb des unmittelbaren Brandgebietes aufgehoben. Der regionale Tourismusverband sprach von einem »wichtigen Schritt zur Verbesserung der Situation«. Landrat Geisler appelliert an Touristen: »Bleiben Sie hier. Es gibt jede Menge Sehenswertes.«

Die Waldbrände lenken das Augenmerk auf die Frage, wie gut Sachsen auf derlei Katastrophen vorbereitet ist. Der erste eigene Polizeihubschrauber, der derlei Feuer bekämpfen könnte, wird erst 2023 in Dienst gestellt. Innenminister Armin Schuster (CDU) kündigte in der »Sächsischen Zeitung« an, zusätzlich 30 Millionen Euro in den Schutz vor Waldbränden investieren zu wollen. Dabei geht es etwa um Spezialfahrzeuge mit großen Wassertanks oder solche für unwegsames Gelände wie in der Sächsischen Schweiz. Hilfreich für die Bekämpfung des aktuellen Waldbrandes wäre neben Personal und Technik vor allem Regen. Dieser ist freilich nicht absehbar: Der Deutsche Wetterdienst stellt allenfalls für Anfang kommender Woche etwas Niederschlag in Aussicht.

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