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Mit Spielen

Die alte Bundesregierung hat eine Games-Strategie aufgelegt, die einen Superlativ an den nächsten reiht

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 5 Min.
Aufruf zu wirtschaftlicher Aktivität: Deutschland soll im wachsenden Games-Markt mitspielen.
Aufruf zu wirtschaftlicher Aktivität: Deutschland soll im wachsenden Games-Markt mitspielen.

Ab sofort, heißt es auf der Website des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (vorher hieß es Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur), werde die Computerspieleförderung des Bundes im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz betreut. Auf der Seite dieses Ministeriums allerdings ist die im Juni 2021 vom damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit recht großem Bohei vorgestellte »Strategie für den Games-Standort Deutschland« nicht zu finden. Sicher muss sich das noch einspielen.

Es gibt ein lustiges Foto von Andreas Scheuer, wie er ein Studio von Yager-Spiele-Entwickler*innen (Deutsches Entwicklungsstudio für Computerspiele) besucht. Die Hände zu einer Fast-Raute gefaltet, im blauen Anzug, während im Hintergrund ein bärtiger Nerd in gelbwallender Tunika vor einem Bildschirm sitzt, lächelt der Verkehrsminister in die Kamera. In gleicher Manier, wie er die Pkw-Maut lächelnd in die Welt gescheitert hat. Möglicherweise hat die Games-Branche damals nur gute Miene zum schlechten Spiel gemacht, denn es schien eher keine Garantie dafür zu geben, dass ein Mann wie Scheuer, der uns das Fürchten gelehrt hat, wenn es um Strategien geht, ausgerechnet ihr zum Wohle eine Erfolgsagenda auflegen würde. Trotzdem sagte der Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Game-Branche, Felix Falk: »Die Games-Strategie ist ein wichtiger Meilenstein. Computer- und Videospiele werden seitens der Politik nicht mehr nur als Innovationstreiber, Kulturgut und Wirtschaftsfaktor anerkannt, sondern sollen auch dementsprechend breit unterstützt werden.« Vielleicht hat er auch gewusst, dass Andreas Scheuer als Bundesminister bald abgeschlossene Vergangenheit sein würde und sich so manches zum Besseren wenden kann.

Die Strategie selbst umfasst 32 Seiten, abgefasst in jenem Sprachduktus, bei dem man nicht mehr weiß, ob es sich hier um die Textarbeit einer Werbeagentur oder tatsächlich politische Absichtserklärung handelt. »Games sind pure Lebensfreude im Zeitalter der Digitalisierung.« (Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung Dorothee Bär) »Wir wollen zu einem internationalen Leitmarkt für Computerspiele werden. […] Wir sehen riesiges Potenzial, lasst es uns gemeinsam heben und nutzen. Wirtschaft und Gesellschaft werden davon profitieren.« (Minister Andreas Scheuer) »In einem zweiten Schritt wollen wir die Leitplanken für eine holistische Games-Politik festlegen.« (Ghostwriter des Ministeriums)

Eine holistische Games-Politik also. Ob den politischen Marketingleuten wirklich klar war, was sie damit meinen, ist nicht verbürgt. Der Holismus an sich sagt, ein System sei nicht vollständig aus dem Zusammenwirken all einer Einzelteile erklär- und verstehbar, und die Bestimmung seiner Einzelteile wiederum sei von deren funktionaler Rolle im Ganzen abhängig. Es ist ausgesprochen schwierig, eine politische Strategie der Gegenwart zu finden, die das tatsächlich zur Grundlage macht.

Eines aber ist gewiss. Es gäbe keine Games-Strategie, hätte die Politik nicht nach langem Zögern doch einen Wachstumsmarkt ausgemacht. Und wäre sie nicht auf die Idee gekommen, den Games-Standort Deutschland zum »Leitmarkt im internationalen Wettbewerb« zu etablieren. Wachstum und Leitmarkt sind Trigger, die dann auch ausreichen, in einem Ministerium ein eigenes Referat für die Angelegenheit zu schaffen und einen Minister, fast toll geworden, sagen zu lassen: »Games sind das spannendste Medium unserer Zeit.«

34 Millionen Deutsche, heißt es in der Strategie, »spielen gelegentlich bis regelmäßig Computerspiele«. Ob diejenigen, die keine Deutschen sind, aber hier leben, das auch tun, ist nicht klar. Der Umsatz »im deutschen Games-Markt« hat sich in den Jahren 2017 bis 2021 verdoppelt und sei allein von 2019 bis 2020 um 32 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro gestiegen. Beklagenswert allerdings sei, dass trotz steigender Gesamtumsätze gerade mal fünf Prozent der in Deutschland mit digitalen Spielen erwirtschafteten Umsätze an deutsche Unternehmen gingen. Dabei hatte selbst Kanzlerin Merkel im Jahr 2017 auf der Computerspielmesse »Gamescom« gesagt: »Computer und Videospiele sind als Kulturgut, als Innovationsmotor und als Wirtschaftsfaktor von allergrößter Bedeutung.« An dieser Aussage verblüfft vor allem die Reihenfolge: Kulturgut an erster Stelle!

Die Leitplanken für eine holistische Games-Politik einer Branche, in der das damalige Ministerium einen »digitalen Frontrunner« sah (auf deutsch: Spitzenreiter), sehen folgendermaßen aus: Deutschland ist als Leitmarkt für Computerspiele zu etablieren, die Marktentwicklung von Computerspielen wird unterstützt, Innovationen durch Games werden gestärkt, Potenziale von Games für die Gesellschaft genutzt. Soweit die Werbung.

Hierzulande gibt es knapp 600 Entwicklerstudios, von denen nur sieben Prozent mehr als 25 Mitarbeitende haben. Sieben der zehn größten Entwicklerstudios sind mehrheitlich in ausländischem Besitz. Von 37 digitalen Spielen, die 2019 in Deutschland mehr als 100.000 Mal verkauft wurden, kommt lediglich eines aus Deutschland. Andererseits ist die jährlich stattfindende Gamescom die besucherstärkste Messe für digitale Spiele weltweit. Immerhin eine Führungsposition.

Interessant wird sein, wie sich die neue Regierung zu den Anstrengungen mit Blick auf die Gemeinnützigkeit von E-Sport-Vereinen verhält. Immerhin heißt es in der Koalitionsvereinbarung: »Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus und machen E-Sport gemeinnützig.« Das immer noch ökonomische Schattendasein der Zukunftsbranche kratzt jedenfalls fürchterlich am Image und ist einem Leitland mit Leitwährung und Leitansprüchen nicht angemessen. Ob die Games-Strategie Scheuers im Ministerium von Robert Habeck gleiche Euphorie auslöst und gleiche sprachliche Superlative generiert, ist noch offen. Auch wenn es natürlich dabei bleibt, dass Deutschland in möglichst jedem Wachstumsmarkt wird mitspielen oder gar Spielmacher sein wollen.

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