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Aufklärung gefordert
NRW-Politik reagiert auf tödliche Polizeischüsse in Dortmund
»Mörder, Mörder, Mörder«, schallt es den Polizist*innen am Mittwochabend vor dem Dortmunder Polizeipräsidium entgegen. Bis zu 500 Demonstrant*innen sind gekommen, um Gerechtigkeit für den 16-jährigen Mouhammed zu fordern. Er war am Montagnachmittag in der Dortmunder Nordstadt erschossen worden.
Was genau passiert ist, ist unklar. Sicher ist, dass elf Polizist*innen den Jugendlichen umkreisten, der aus dem Senegal stammt. Er soll ein Messer bei sich gehabt haben, angekündigt haben, sich selbst damit zu töten. Die Polizist*innen haben ihn erst mit Pfefferspray und dann mit einer Elektroschockpistole (Taser) attackiert. Er soll dann auf sie zugerannt sein und wurde mit einer Maschinenpistole erschossen. Mouhammed war in einer an den Tatort angrenzenden Jugendeinrichtung untergebracht. Seine Betreuer*innen hatten die Polizei gerufen. Vor der Tat war der Jugendliche, der bei der Flucht aus dem Senegal seine Familie verloren haben soll, auf eigenen Wunsch hin in einer psychatrischen Einrichtung.
Unter den Demonstrant*innen, die am Dienstag und Mittwoch zu Hunderten auf die Straße gingen, vermuten viele, dass die Polizei auch geschossen hat, weil sie rassistisch ist. Die Dortmunder Nordstadt gilt als Problemviertel. Cannabis kaufen im Park, dort kein Problem. Auch die von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) besonders ins Visier genommenen »Clans« sind in der Nordstadt aktiv. Oft gibt es Razzien. Gefunden wird dabei meist nicht viel mehr als unversteuerter Shisha-Tabak. Die Polizei im Viertel gilt als hart. In einem Porträt für die »Zeit« wurde ein Beamter schon vor mehreren Jahren als »Libanesen-Jäger« bezeichnet. Von offizieller Seite wurde der Spitzname zwar zurückgewiesen, aber für negative Schlagzeilen sorgen Polizist*innen in der Nordstadt immer wieder.
Seit Mittwoch beschäftigt sich auch die nordrhein-westfälische Landespolitik mit dem Vorfall. Viele Äußerungen drehen sich darum, dass vom Polizeipräsidium Recklinghausen gegen den Dortmunder Todesschützen ermittelt wird, während gleichzeitig Dortmunder Polizist*innen in Recklinghausen ermitteln. Dort war am Sonntag ein Mann nach einem polizeilichen Pfeffersprayeinsatz gestorben. Volkan Baran, SPD-Landtagsabgeordneter aus Dortmund erklärte, dass er den Beamten keine »Betriebsblindheit« oder gar einen »willentlichen gegenseitigen Schutz« unterstellen wolle, dass »diese Praxis dennoch begründet und diskutiert werden« müsse. Marc Lürbke, Innenpolitiker der FDP und wie Baran in der Opposition zur schwarz-grünen Landesregierung, erklärte, dass ihn die »Vorverurteilung« von »linken Kreisen« ärgere. Diese sprechen »reflexhaft« von Polizeigewalt. Lürbke ist sich sicher, dass der Fall ordentlich aufgeklärt wird, plädiert allerdings dafür, dass Polizeibehörden gegeneinander ermitteln sollten, die räumlich weiter voneinander getrennt sind.
Innenminister Reul bezeichnet es gegenüber dem WDR als »unglücklich«, dass nun Recklinghausen in Dortmund ermittelt und umgekehrt. Gleichzeitig betont der CDU-Politiker, dass früher behördenintern ermittelt worden sei. Das jetzige Verfahren sei also ein Fortschritt. Reul verspricht Aufklärung des Dortmunder Falles, zeigt sich aber gleichzeitig sicher, dass die Polizist*innen richtig gehandelt hätten. Man müsse aufpassen, dass keine »Misstrauensstimmung« gegenüber der Polizei entstehe.
Wenig Verständnis für den Einsatz äußerte der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. »Warum wurde dort eine Maschinenpistole eingesetzt? Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar«, sagt er. Die Maschinenpistole sei für Amoklagen gedacht. Auch der Einsatz von Pfefferspray habe bei Menschen, die sich in psychischen Ausnahmesituationen befänden, einen gegenteiligen Effekt, sie würden diesen als »unmotivierten Angriff« empfinden und einen Gegenangriff beginnen. Das sei »immer das gleiche Muster«. Feltes fordert: »Bei solchen Einsätzen sollte immer ein Psychologe oder Psychiater dabei sein.«
Der Kriminologe kritisiert außerdem wie mehrere Kolleg*innen, dass in Nordrhein-Westfalen eine Polizeibehörde gegen die andere ermittelt. Ändern wird sich das auf absehbare Zeit nicht. Die Grünen-Innenpolitikerin Verena Schäffer betonte gegenüber dem WDR zwar die Notwendigkeit eines unabhängigen Polizeibeauftragten beim Landtag, wie er im schwarz-grünen Koalitionsvertrag geplant ist, erklärte aber gleichzeitig, dass dieser nicht Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ersetzen könne. Er soll lediglich als Mediator und Beschwerdestelle fungieren.
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