Urlaub von schlechten Gedanken

Franziska Giffey und Henry Maske besuchen Feriencamp für benachteiligte Kinder und Jugendliche

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 6 Min.
Henry Maske und Franziska Giffey bewundern die Arbeit des Friseurs Dermot O’Dyna. Einige Kinder erhalten von ihm den ersten professionellen Haarschnitt ihres Lebens.
Henry Maske und Franziska Giffey bewundern die Arbeit des Friseurs Dermot O’Dyna. Einige Kinder erhalten von ihm den ersten professionellen Haarschnitt ihres Lebens.

»Das sieht ja schon super aus«, sagt Franziska Giffey (SPD) über den Haarschnitt, dem Dermot O’Dyna gerade den letzten Schliff verpasst. »Sie sind also ein Starfriseur?«, fragt Berlins Regierende Bürgermeisterin weiter. »Kann man so sagen«, meint O’Dyna. An diesem Mittwochvormittag frisiert er allerdings keinen Star in seinem Berliner Salon, sondern einen Jugendlichen, der eine Ferienwoche im Outdoor- und Erlebniscamp der Perspektivfabrik der Henry-Maske-Stiftung am Brandenburger Beetzsee verbringt, in der Nähe von Brandenburg/Havel. Sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen zwischen acht und 14 Jahren soll hier ein kostenloser Urlaub ermöglicht werden.

Zwischen See und Hüpfburg ist an diesem Tag der Pop-up-Frisörsalon von Dermot O’Dyna aufgebaut, bestehend aus einem Biertisch und einem an einen Baum genagelten Spiegel. O’Dyna schneidet den jungen Menschen kostenlos die Haare, denn: »Manche Kinder haben noch nie einen professionellen Haarschnitt bekommen, weil zu Hause kein Geld dafür da ist. Die freuen sich total über eine moderne Frisur«, sagt der Friseur zu »nd«. Zusammen mit Franziska Giffey stattet an diesem Tag auch der Stifter und Ex-Boxweltmeister Henry Maske dem Camp einen Besuch ab. Begleitet von einem Trupp Journalist*innen und Sicherheitspersonal versammeln sie sich um den Outdoor-Friseurtisch und plaudern über Haare. »Ich liebe ihre Frisur ja sowieso schon«, sagt O’Dyna zu Giffey, aber ein paar Ideen hätte er da doch noch. Die Regierende verspricht, mal in seinem Berliner Salon vorbeizukommen.

Weiter geht es zur Hüpfburg. Ein Dutzend Kinder toben durch den bunten Parcours. Einige von ihnen schütteln Giffey und Maske brav die Hand. »Ich kenn dich aus dem Friedrichstadtpalast«, sagt eines der Kinder zur Regierenden Bürgermeisterin. »Ja, da hab ich eine Rede gehalten, das war toll, oder?«, sagt Giffey begeistert. Bei einer Kletterstation darf sie einem Mädchen Cola-Kisten anreichen, die es stapelt und hinaufklettert. In der Hawaii-Bar mit Outdoorbackofen schieben sie und der Ex-Boxer für Kinder und Kameras Pizza in den Ofen und verteilen ein paar vorbereitete Obstspieße.

Henry Maske und Franziska Giffey haben sich in der RBB-Sendung »Riverboat« kennengelernt, in der sie Ende 2021 beide zu Gast waren. Maske habe dort von der Perspektivfabrik erzählt und Giffey eingeladen. Nun sei sie gekommen, um sich ein Bild von dem Erlebniscamp zu machen »und ich bin wirklich begeistert«, sagt sie. Ein Drittel aller Berliner Kinder sei von Sozialleistungen abhängig. »Unbeschwert Ferien zu machen, ist da oft nicht drin. Aber jedes Kind hat ein Recht auf gute Ferien«, so Giffey.

Die 97 Teilnehmer*innen dieses Ferienprogramms kommen zum Teil aus Betreuungseinrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch Geflüchtete aus der Ukraine und aus Afghanistan sind darunter. Über die ganzen Sommerferien verteilt verbringen insgesamt 560 Kinder in sechs Freizeiten je sechs Tage in der Perspektivfabrik. »Das Besondere ist, dass die Gruppe an benachteiligten Kids sehr groß ist und es besonderes pädagogisches Geschick braucht«, sagt Johannes Rutkowsky zu »nd«. Er ist Sozialpädagoge und leitet die Freizeiten. Manchen Kindern falle es schwer, Regeln einzuhalten, Konflikte seien nicht selten.

Allerdings kommen die jungen Gäste in der Regel in festen Gruppen, mit den eigenen Betreuer*innen, zu denen schon ein Vertrauensverhältnis bestehe. Und es schaffe auch ein Gemeinschaftsgefühl, »dass alle wissen, die anderen kommen auch aus einer Wohngruppe«, erklärt Rutkowsky. Viele Gruppen kämen jedes Jahr, sodass Freundschaften zwischen Kindern aus verschiedenen Einrichtungen entstünden. Schließlich können sich die Träger auch selbst in die Programmgestaltung einbringen: Die Betreuer*innen einer Gruppe von der Ostsee seien alle Rettungsschwimmer*innen und betreuen die Badestation, die Johanniter basteln gerne, beschreibt Rutkowsky.

Schon angefreundet haben sich zwei Mädchen aus der Ukraine. Beide heißen Daria, beide sind zwölf Jahre alt und tragen jeweils eine pinke Blümchenkrone auf dem Kopf. Sie haben sich in den Liegestühlen vor der Hawaii-Bar niedergelassen, während der prominente Besuch Interviews gibt. »Sie werden für immer Freundinnen bleiben«, übersetzt Dolmetscherin Tetjana Hartwig für »nd«. Am besten gefalle den Mädchen Malen, Boot fahren und Kisten raufklettern. Natürlich wünschen die Mädchen sich vor allem, dass der Krieg vorbei ist und sie wieder nach Hause fahren können. »Aber hier sind diese Gedanken wie abgestellt und der Krieg ist weit weg«, sagt Hartwig. Auch die Verständigung mit den anderen Kindern funktioniere gut, beim Spielen sei es egal, welche Sprache jemand spricht.

Damilo, der als ukrainischer Betreuer im Ferienlager ist, hat sich auf den Besuch von Henry Maske gefreut. »Ich bin ein kleiner Fan von ihnen«, sagt er zu dem ehemaligen Boxer, denn er habe selbst mal geboxt. Ob er Vitali Klitschko schon mal getroffen habe, ebenfalls Ex-Boxer und Bürgermeister seiner Heimatstadt Kiew, will Damilo wissen. Ja, eine Woche nach dem 24. Februar hätten sie telefoniert, sagt Maske und legt dem großen jungen Mann die Hand auf die Schulter. Beide Klitschkos seien großartige Boxer. »Sie waren Kämpfer und sind Kämpfer geblieben«, bestätigt Damilo.

Gegründet hat Henry Maske seine Stiftung »A Place for Kids« 1999. »Damals war ich noch sehr hip«, sagt Maske zu »nd«. Er habe seine Prominenz für ein soziales Projekt nutzen wollen und gleichzeitig das Gefühl gehabt, dass Jugendliche oft übersehen würden. Deshalb habe er sich in diesem Bereich engagieren wollen. Franziska Giffey habe er als »offen und interessiert« wahrgenommen. Angesprochen darauf, dass die Berliner SPD in vielen Bereichen nicht für eine Politik zu Gunsten sozial Benachteiligter bekannt ist, erklärt er, dass die Umstände, Krieg und Corona, »eine unfassbare Herausforderung« seien, wie die Regierende ihm erzählt habe. Auch für seine Stiftung sei die Pandemie eine große Herausforderung.

Campleiter Johannes Rutkowsky bringt das genauer auf den Punkt: »Es gibt ein großes Finanzloch und Personalmangel.« Veranstaltungen konnten nicht stattfinden, unter anderem in der Küche hätten Mitarbeiter*innen gekündigt. Auch deswegen ist Franziska Giffey gekommen, »um ein bisschen Aufmerksamkeit für das Projekt zu schaffen, etwas Werbung zu machen«, wie sie sagt. Schließlich gäbe es ja auch in Berlin viele Stifter, die womöglich noch auf der Suche nach dem richtigen guten Zweck sind.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.