Amazonasregenwald auf dem Trockenen

Globale Erwärmung lässt tropische Wälder austrocknen. Gestörter Wasserkreislauf vergrößert Schäden besonders am Rand

  • Norbert Suchanek
  • Lesedauer: 4 Min.
Bald weniger Regenwolken über dem Amazonaswald?
Bald weniger Regenwolken über dem Amazonaswald?

Während die globale Erwärmung in Europa sowohl zu häufigeren Dürren als auch zum vermehrten Auftreten sintflutartiger Regengüsse und Überschwemmungen führt, werden im Amazonasbecken vor allem die Dürren häufiger und länger. Neue Forschungsergebnisse deuten nun darauf hin, dass das größte Regenwaldgebiet der Erde weit anfälliger für Trockenphasen ist als bisher angenommen. Weite Gebiete Amazoniens könnten gänzlich zur Savanne oder Trockensteppe werden. Am stärksten gefährdet sei der südliche Rand der Regenwaldregion, wo die kontinuierliche Rodung für Weideland oder Sojabohnenanbau der Belastbarkeit des Waldes schon seit Jahren zusetzt.

»Für jeden dritten Baum, der im Amazonasbecken durch den Klimawandel vertrocknet, stirbt ein vierter Baum – auch wenn er nicht direkt von Dürre betroffen ist.« Das ist das auf einen Nenner gebrachte Ergebnis der Netzwerkanalyse eines Wissenschaftlerteams der Universitäten von Utrecht, Santa Catarina und São Paulo in Brasilien unter Federführung des Potsdam-Instituts für Klimaschutzforschung (PIK). Selbst wenn eine Trockenperiode nur ein bestimmtes Regenwaldgebiet betreffe, gehe der Schaden um den Faktor 1,3 über diese Region hinaus, heißt es in der Studie, die in den »Proceedings« der Nationalen Wissenschaftsakademien der USA (PNAS) erschienen ist. Diese Regel, so Erstautor Nico Wunderling, gelte auch für die Abholzung. »Das heißt, wenn man einen Hektar Amazonaswald abholzt, zerstört man eigentlich 1,3 Hektar.«

Ursache ist die durch Dürre oder Abholzung ausgelöste Störung des »Wasserrecyclings« im Regenwald. Von dem über dem Blätterdach niedergehenden Regen nimmt der Boden ebenso viel auf wie die Pflanzen. Durch Verdunstung und Transpiration geben beide eine große Menge davon wieder in die Atmosphäre ab, was wiederum zu Wolkenbildung und zu Regenfällen in benachbarten Gebieten führt. Der intakte Wald erzeugt damit bis zur Hälfte der Niederschläge im Amazonasbecken selbst. Durch Klimawandel verstärkte Dürren reduzieren das zirkulierende Wasservolumen, während gleichzeitig die geringere Baumbedeckung die Verdunstung verringert. Dadurch gibt es auch in den benachbarten Regionen weniger Niederschlag, wodurch noch größere Waldgebiete beeinträchtigt werden.

»Wenn die Walddecke dünner wird, führt das aufgrund des Netzwerkeffekts zu weniger Wasser im System insgesamt und damit zu unverhältnismäßig mehr Schäden. Intensivere Dürreperioden drohen«, erklärt Wunderling. Die Klimamodelle zeigen, dass außergewöhnlich trockene Jahre wie 2005 und 2010 im Amazonasgebiet ab 2050 zur neuen Normalität werden dürften.

Bei ihrer Netzwerkanalyse berücksichtigten die Forscher auch die regionalen Unterschiede der Amazonaswälder. »Im Amazonasgebiet sind Bäume und Waldsysteme unterschiedlich an die Wasserverfügbarkeit angepasst, da es in einigen Regionen natürlicherweise eine ausgeprägte Trockenzeit gibt, während es in anderen das ganze Jahr über regnet«, erläutert Koautor Boris Sakschewski vom PIK. »Wir stellen trotzdem fest, dass selbst die an starke Trockenzeiten angepassten Teile des Amazonas eine neue Klimanormalität nicht unbedingt überleben werden. Das Risiko ist hoch, dass sich ganze Landstriche in Savanne oder gar eine völlig baumlose Landschaft verwandeln. Die Folgen für die Artenvielfalt wären katastrophal – ebenso wie die für das lokale, regionale und globale Klima.«

Dennoch sei nicht alles verloren, resümiert die Potsdamer Klimaforscherin Ricarda Winkelmann, die gleichfalls an der Studie mitgearbeitet hat. Noch sei ein großer Teil der Amazonaswälder relativ stabil. Die festgestellten Netzwerkeffekte von Trockenperioden seien wahrscheinlich auf den Südosten und Südwesten Amazoniens beschränkt, wo der Wald bereits stark unter der Abholzung für Rinderzucht und Sojaanbau gelitten habe. Es gelte, die Treibhausgasemissionen rasch zu reduzieren und den Regenwald zu schützen.

Was heute in Brasilien passiert, ist allerdings genau das Gegenteil. Erst vergangene Woche erteilte die brasilianische Umweltschutzbehörde IBAMA grünes Licht für den weiteren Ausbau der Bundesstraße BR-319, die von Porto Velho in Rondônia nach Manaus führt und das größte noch weitgehend intakte Regenwaldgebiet im Herzen Amazoniens zerschneidet. Laut Klimaforscher Philip Martin Fearnside vom Nationalen Amazonasforschungsinstitut INPA in Manaus sei die BR-319 die aktuell schlimmste Bedrohung für die gesamte Amazonasregion und darüber hinaus. Ihre Fertigstellung könnte bis 2030 zu einer Verfünffachung der Regenwaldabholzung führen und das amazonische Ökosystem zusammenbrechen lassen. Bisher konzentriere sich die Waldvernichtung noch auf den sogenannten »Entwaldungsbogen« im Süden und Südosten am Rand des Amazonasbeckens, so Fearnside. Die komplett asphaltierte BR-319 aber würde diesen Bogen der Waldvernichtung mit noch intakten Regenwaldgebieten verbinden und professionellen Abholzern, Landräubern, Rinderzüchtern, Bodenspekulanten und Landlosen Tür und Tor öffnen.

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