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  • Berlin
  • Umweltkatastrophe in der Oder

Lauter tote Fische im Fluss

Im Nationalpark Unteres Odertal bahnt sich ein handfester Umweltskandal an

  • Andreas Fritsche und Claudia Krieg
  • Lesedauer: 6 Min.

Tausende verendete Zander, Steinbeißer und andere Fische treiben auf der Oder und werden an die Ufer gespült. Es ist eine ökologische Katastrophe und ein Anzeichen für einen möglichen Umweltskandal. Die Staatsanwaltschaft Wrocław ermittelt.

Noch gibt es keine endgültige Klarheit über die Ursache. Aber nach Darstellung des polnischen Premierministers Mateusz Morawiecki lösten wahrscheinlich eingeleitete Chemie-Abfälle das große Fischsterben aus – Abfälle, die »in voller Kenntnis der Risiken und Folgen« in riesigen Mengen in den Fluss gekippt wurden. Die polnische Polizei setzte für Hinweise auf die Täter eine Belohnung in Höhe von 210 000 Euro aus. Er teile die Befürchtungen und die Empörung über die Vergiftung der Oder, sagte Morawiecki. Dass es dazu kommen könnte, sei in keiner Weise vorhersehbar gewesen, »aber die Reaktion der zuständigen Dienste hätte schneller erfolgen können«. Daher habe er entschieden, Przemysław Dacy, den Chef der polnischen Gewässerbehörde, und Michał Mistrzak von der Hauptinspektion für Umweltschutz sofort abzulösen, erklärte der Politiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) via Kurznachrichtendienst Twitter. Er sei zu spät informiert worden, beschwerte sich Morawiecki.

In Polen wurden bereits Ende Juli viele tote Fische gesichtet, die auf deutscher Seite erst einige Tage später in Frankfurt (Oder) angespült worden sind. Der dringende Rat der Stadtverwaltung: Fische aus der Oder jetzt bloß nicht essen und nicht mit Flusswasser in Berührung kommen. Hunderte Helfer begannen, die toten Tiere einzusammeln, die schon einen unangenehmen Geruch verbreiteten.

Auswirkungen sind nicht abschätzbar

»Das Ausmaß des Fischsterbens ist erschreckend«, erklärte Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne), der sich am Freitag in Schwedt ein Bild von der Lage gemacht hatte. »Für die Oder als ökologisch wertvolles Gewässer ist das ein Schlag, von dem sie sich vermutlich lange nicht erholen wird. Die Auswirkungen auf den Nationalpark Unteres Odertal und sein Ökosystem lassen sich derzeit noch nicht abschätzen.«

Auch wenn die Ursache für das massenhafte Fischsterben noch nicht eindeutig geklärt ist, gibt es hierzu verschiedene Theorien. Die Quelle der Verschmutzung wird jedoch weiterhin in Polen vermutet. Das Fischsterben in der Oder sei nach Angaben der polnischen Regierung nicht auf Schwermetalle zurückzuführen. Dies hätten weitere Analysen toter Fische durch das staatliche Veterinärinstitut ergeben, schrieb Umweltministerin Anna Moskwa auf dem Nachrichtenportal Twitter. Zuvor hatte die Regierung in Warschau bereits erhöhte Quecksilberwerte als Ursache ausgeschlossen.

Erhöhte Salzwerte im Wasser

Inspektoren des Gewässeramtes in der Woiwodschaft Dolnośląskie (Niederschlesien) hatten Ende Juli an drei Stellen Wasserproben genommen und in zwei der Proben zuerst die giftige Substanz Mesitylen entdeckt sowie eine für einen Sommer ungewöhnlich hohe Sauerstoffkonzentration festgestellt. Später entnommene Proben sollen dann wieder unbelastet gewesen sein. In Frankfurt (Oder) sind am Freitag entnommene Proben durch das Landeslabor Berlin-Brandenburg analysiert worden.

Die Analysen wiesen aber auf erhöhte Salzwerte im Wasser hin und stimmten folglich mit den Erkenntnissen der deutschen Behörden überein, sagte Moskwa der polnischen Nachrichtenagentur PAP. »Der hohe Salzgehalt der Oder hat möglicherweise andere giftige Stoffe im Wasser oder im Bodensediment aktiviert. Die toxikologische Untersuchung der Fische wird dazu beitragen, eventuelle Schadstoffe festzustellen, die zum Tod der Tiere beigetragen haben«, so die Politikerin. Auch der niedrige Wasserstand, die geringe Fließgeschwindigkeit und die hohe Wassertemperatur könnten demnach eine Rolle gespielt haben.

Brandenburg Umweltminister Axel Vogel nannte es »richtig«, dass die toten Fische schnell eingesammelt werden – allein schon wegen der Tiere, die von den verendeten Fischen fressen.

Meldeketten haben versagt

»Die Bilder von den toten Fischen in der Oder sind schlimm«, sagte der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke). »Jetzt muss es darum gehen, schnell die Ursachen zu klären.« Da sich die Tragödie zuerst in Polen zeigte, aber man davon in Deutschland nicht umgehend erfuhr, möchte Domres geklärt haben, »warum der Informationsfluss zwischen polnischer und deutscher Seite nicht geklappt hat«. Genau das will auch der SPD-Abgeordnete Wolfgang Roick wissen. »Ich fordere sofortige Aufklärung«, sagte Roick. Er erwarte von Polen fundierte Informationen. Ein Notfallplan werde dringend gebraucht, auch zur Rettung des Oderhaffs, in das sich der Fluss ergießt. Das Oderhaff liegt zwischen dem Festland und der Ostseeinsel Usedom, deren östliche Spitze schon zu Polen gehört.

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums hatte am Freitag erklärt, dass die für solche Ereignisse üblichen Meldeketten versagt hätten. Erst am Donnerstag sei die Meldung eingetroffen, »die von der polnischen Seite hätte kommen müssen«, sagte der Sprecher. Da sei die Verschmutzung auf der deutschen Seite aber schon bekannt gewesen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte am Samstagabend bei einem Besuch in Frankfurt (Oder), sie habe nun mit den polnischen Behörden eine bessere Koordinierung vereinbart. Lemke sagte den Brandenburger Behörden, die für die Aufarbeitung auf deutscher Seite zuständig sind, Unterstützung zu.

Stettiner Haff wird untersucht

Dem Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern zufolge sind bisher keine Fischkadaver im deutschen Teil des Stettiner Haffs entdeckt worden. Die am Samstag genommenen Proben hätten zudem unauffällige Werte für pH, Sauerstoffgehalt und Leitfähigkeit ergeben, teilte eine Sprecherin am Sonntag in Schwerin mit. Die Untersuchung auf Schadstoffe ist jedoch den Angaben nach noch nicht abgeschlossen und könnte mehrere Tage andauern. Entnommen werden die Proben an drei Messstellen, unter anderem bei Ueckermünde und nahe der deutsch-polnischen Grenze.

Bereits am Samstag hatte das Landesministerium Anliegern empfohlen, vorläufig auf das Fischen in und die Wasserentnahme aus dem Gewässer zu verzichten. Bereits im Verlauf der Nacht auf Samstag war damit gerechnet worden, dass etwaige Verunreinigungen aus der Oder das Haff erreichen. Aus Sicht des Umweltministeriums im Nordosten lässt sich das nicht aktiv verhindern: »Eine Bekämpfung der Verunreinigung von im Wasser gelösten Schadstoffen ist in größeren Fließgewässern und in Küstengewässern praktisch nicht möglich.«

Tonnenweise tote Fische

Die Agentur PAP berichtet, man gehe davon aus, dass bisher mindestens elf Tonnen toter Fische aus der Oder gezogen worden seien. Auch auf polnischer Seite heißt es, es sei zu befürchten, dass der Fluss noch jahrelang von dem ausgelaufenen Gift betroffen sein könnte.

»Die Oder ist der Lebensquell in der gesamten Region«, erklärte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Sonntag am Rande der Verleihung des Kunstpreises in Neuhardenberg. Der Regierungschef dankte den vielen ehrenamtlichen Helfern für ihren Einsatz. Wie eng die Menschen mit der Oder verbunden seien, zeige sich auch daran, wie viele Ehrenamtliche sich gemeldet hätten. »Es waren Tausende«, sagte Woidke. »Die Menschen wissen, dass die Oder ihre Lebensgrundlage ist und wir alle haben den Auftrag, diese Lebensgrundlage weiter zu sichern.« In Brandenburg sind an den Ufern der Oder viele Freiwillige im Einsatz, um die toten Fische einzusammeln.  Mit Agenturen

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