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Ein gleichwertiges Bundesligamitglied
Schalke 04 feiert gegen Borussia Mönchengladbach den ersten Punkt der Saison
Auf den ersten Blick mag die obsessive Party etwas befremdlich erscheinen, die Marius Bülter und die anderen Schalker in der Nachspielzeit der Partie gegen Borussia Mönchengladbach feierten. Es war nur ein mageres Pünktchen, das der Treffer des Gelsenkirchener Angreifers zum 2:2 gegen Borussia Mönchengladbach seinem Klub bescherte, noch dazu durch einen bieder in die Torecke geschossenen Elfmeter. Und doch jubelte Bülter als habe er seinen Klub gerade in die Champions League geschossen. Die Leute auf der Schalker Auswechselbank kamen herbeigesprintet, aus den Lautsprechern donnerten die fetten Beats von »Blau und Weiß ein Leben lang«. Sogar der Mönchengladbacher Trainer Daniel Farke trug in diesem herrlichen Fußballmoment ein Lächeln im Gesicht, weil dieser entfesselte Jubel so früh in der Saison schon etwas bizarr wirkte.
Aber für die Angehörigen von Schalke 04 war dieses Tor eben doch viel, viel mehr wert, als sich in der Tabelle ablesen lässt. »Heute war es wichtig anzukommen, das heißt auch zu punkten, zu zeigen, wir sind konkurrenzfähig«, sagte Sportdirektor Rouven Schröder nach dem Abpfiff. Das Schalker Selbstvertrauen war ja während der vergangenen zweieinhalb Jahre in seinem Fundament erschüttert worden. Zuletzt hatte diese Mannschaft ihr Publikum in einem ausverkauften Bundesligaheimspiel im Januar 2020 zum Jubeln gebracht. Die ganze Welt hat sich seither verändert, und bis zum Samstagabend fürchtete zumindest der pessimistischere Teil des königsblauen Anhangs, dass man sich auf einen wenig ansehnlichen Existenzkampf einstellen müsse. Zu solchen Befürchtungen lieferte dieses 2:2 gegen Mönchengladbach nun viele Eindrücke, die die königsblaue Seele streicheln.
Die Schalker, die ihren Kader im Sommer 2021 durch einen radikalen und von massiven Sparzwängen geprägten Umbau in ein starkes Zweitligateam verwandelten und die nun mit ähnlich tiefgreifenden Renovierungsmaßnahmen wieder eine Bundesligamannschaft basteln mussten, hatten richtig gut Fußball gespielt. »Wir waren aggressiv, waren griffig«, sagte Trainer Frank Kramer und lobte das Publikum: »So eine geile Atmosphäre, unfassbar.« Dass das Energielevel hoch sein würde, war so zu erwarten nach den Entbehrungen der vergangenen Jahre. Dass die Mannschaft aber derart gut strukturiert und planvoll auftrat, ist eine kleine Sensation.
In der zurückliegenden Saison war Schalke zwar erfolgreich, aber eher, weil besondere Spieler wie der Flankenspezialist Thomas Ouwejan, der Instinktstürmer Simon Terodde oder der risikobereite Rodrigo Zalazar mit ihren speziellen Qualitäten für viele Tore sorgten. In genau so einem Moment der individuellen Stärke schoss Zalazar aus fast 30 Metern das 1:0 (29.). Aber es deutete sich eben auch an, dass dem Kaderplaner Schröder und dem neuen Trainer Kramer tatsächlich das Kunststück gelingen könnte, diese Mannschaft abermals entscheidend weiterzuentwickeln. Jenseits des Ergebnisses sei wichtig gewesen, »einfach jetzt da zu sein, zu zeigen: Wir können mithalten«, sagte Schröder. Auch spielerisch.
Im Mittelfeld verrichteten Tom Krauß (kam aus Nürnberg), Tobias Mohr (Heidenheim) und Alex Kral (Spartak Moskau) ihre Arbeit zwar nicht fehlerfrei, aber diese Leute scheinen das Potenzial zu haben, eine gute Rolle in der Bundesliga zu spielen. Besonders auffällig war Kral, weil er das Spiel im Zentrum klug lenkte, zugleich aber bei beiden Gegentreffern eine etwas unglückliche Rolle spielte: Vor dem 1:1 durch Gladbachs Jonas Hofmann (72.) wurde er getunnelt und vor dem 1:2 durch Marcus Thuram (78.), stand er dem Torhüter Alexander Schwolow im Weg, dessen verunglückte Aktion dann zur Torvorlage wurde. »Er hat es gut gemacht, hat seinen Job erfüllt, war viel unterwegs. Wenn er den Ball hat, ist er sehr sicher am Ball, sehr sauber«, sagte Kramer über Kral. »Aber es ist immer Luft nach oben.«
Mehr noch als den gewonnenen Punkt feiern die Schalker also das Gefühl, wieder ein normaler Bundesligaklub zu sein, und dazu trug auch der Handelfmeter in der Nachspielzeit bei, der nach Hinweis aus dem Kölner Keller verhängt wurde. Die drei unglücklichen VAR-Entscheidungen in der Vorwoche bei der Niederlage in Köln hatten ja den Eindruck gestärkt, weiterhin dieses Gelsenkirchener Schmuddelkind zu sein, das irgendwie benachteiligt wird. Nun sagte Sportdirektor Schröder: »Es sollte heute so sein, dass wir das 2:2 noch machen.« Dieses Gefühl, wieder ein gleichwertiges Mitglied der ersten Liga zu sein, ist von großer Bedeutung auf Schalke.
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