Doppelbödiger Merz

CDU-Parteichef hält trotz Modernisierungsversprechen an konservativen Positionen fest

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Noch keine sieben Monate ist Friedrich Merz CDU-Vorsitzender. Sieben Monate, in denen er versucht, sein Image als beinharter Konservativer loszuwerden. Vor Kurzem gab der 66-Jährige auf dieser Mission gemeinsam mit seiner Ehefrau Charlotte Merz dem nicht gerade für politische Tiefe bekannten Klatschblatt »Bunte« ein Doppelinterview. Tenor: Der Friedrich hat sich verändert, dazugelernt und bügelt seine Hosen mit Freuden selbst. Überhaupt sei ihm Gleichberechtigung »als CDU-Vorsitzender und als Fraktionsvorsitzender ein sehr wichtiges Anliegen«. Denn: »Ohne die Frauen gewinnen wir keine Wahl mehr.« Auch beim Thema Armut lässt Merz ungewohnte Töne anklingen. Vergangene Woche erklärte der Parteivorsitzende gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, bei den Entlastungsplänen der Bundesregierung aufgrund der hohen Inflation wäre es »besser gewesen, wirklich bedürftigen Haushalten etwas mehr zukommen zu lassen, statt Geld mit der Gießkanne zu verteilen«. Das klingt so gar nicht nach jenem Friedrich Merz, der sich 2018 als Millionär zur »gehobenen Mittelschicht« zählte. Eine von vielen Äußerungen, die ihm bis heute den Vorwurf einbringt, den Bezug zur sozialen Realität verloren zu haben.

Bei genauem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass Merz keinesfalls von seinen alten Positionen abrückt, sondern vielmehr unterschiedliche Zielgruppen mit passgenauen Botschaften adressiert. Reflexion über bisherige Ansichten? Diese deutet der Parteivorsitzende in Äußerungen bestenfalls an, greifbare Substanz fehlt allerdings.

So findet sich zu jeder Äußerung, die einen vorsichtigen Wandel erkennen lässt, mindestens ein ebenso aktuelles Zitat, das in die politisch genau entgegengesetzte Richtung weist. Beispiel Inflation: Merz spricht sich dafür aus, den Fokus bei der Inflationsentlastung auf Haushalte mit niedrigen Einkommen zu legen. Parallel dazu lobt er allerdings die Steuerentlastungsvorschläge von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die »in die richtige Richtung« gingen. Dass Lindners Pläne »sehr unausgewogen« seien, hatte vergangene Woche unter anderem Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), heftig kritisiert. »70 Prozent davon kommen den 30 Prozent mit den höchsten Einkommen zugute«, so der Ökonom in den ARD-Tagesthemen.

Beim Thema Gleichberechtigung ist Merz mehr Getriebener als Gestalter. Wenn die CDU Mitte September auf ihrem Bundesparteitag in Hannover nach jahrelanger Debatte über die Einführung einer internen Frauenquote entscheidet, dann handelt es sich für den Vorsitzenden weiterhin nur um »die zweitbeste Lösung«. Dabei ist der ausgehandelte Vorschlag schon jetzt ein Kompromiss, der auf die Gegner*innen einer solchen Regelung stark Rücksicht nimmt. Die 50-prozentige Quote soll schrittweise bis 2025 eingeführt werden und wäre auf fünf Jahre befristet. Der niedrige Frauenanteil von 26,6 Prozent in der CDU sei zwar problematisch, Merz ließ sich Ende Juli im ZDF-»Sommerinterview« nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass dies »auch nicht das größte Problem dieses Landes« sei.

Gezielt liefert der CDU-Vorsitzende bei gesellschaftspolitischen Themen der konservativen bis reaktionären Zielgruppe populäre Stichworte, mit denen auch die AfD auf Stimmenfang geht. Den Skandal um die zurückgetretene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger nutzt Merz, um zum Rundumschlag gegen die Öffentlich-Rechtlichen auszuholen und vermengt dabei Themen, die nichts miteinander zu tun haben. In einem Gastbeitrag für die »Badischen Neuesten Nachrichten« vom Wochenende schreibt der Parteichef, Journalist*innen der Öffentlich-Rechtlichen hätten bei der Umsetzung von geschlechtergerechter Sprache kein Recht, auf Lösungen wie den Genderstern zurückzugreifen, da diese »von den allgemein anerkannten Regeln des Gebrauchs der deutschen Sprache« abwichen. Mit dem Schlesinger-Skandal um Günstlingswirtschaft und persönlicher Bereicherung hat dies nichts zu tun. Ebenso unterstellt er Journalist*innen bei ARD und ZDF »einseitige Sympathie«, das breite Meinungsspektrum der Bevölkerung werde schon lange nicht mehr abgebildet. Dass die Politik über Änderungen in den Rundfunkstaatsverträgen Einfluss auf die programmatische Schwerpunktsetzung setzen könnte, erwähnt Merz nicht, beklagt sich stattdessen über die Übertragung kostspieliger Sportevents.

Merz ein Modernisierer? Eher nicht, sieht man sich an, dass der Parteichef den Kontakt zur internationalen radikalen Rechten sucht. Erst nach Kritik auch aus den eigenen Reihen zog der CDU-Vorsitzende seine Teilnahme an einer für Ende August in Berlin geplanten Veranstaltung mit dem US-Senator und Trump-Unterstützer Lindsey Graham zurück.

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