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Fischsterben in der Oder bleibt ungeklärt
Sechs Tage nach Bekanntwerden des Fischsterbens liegen weiterhin keine Laborergebnisse vor
Seit Tagen werden massenhaft tote Fische an die Ufer der Oder gespült, die Ursachen der Umweltkatastrophe sind jedoch nach wie vor unklar. Auf deutscher Seite laufen die Untersuchungen des Flusswassers und verendeter Tiere noch. »Wir wissen bis jetzt nicht, was genau diese Vergiftungserscheinungen bei den Fischen verursacht hat«, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montag in Lebus, einer Kleinstadt im Landkreis Märkisch-Oderland, wo er sich erstmals ein Bild der Lage verschaffte.
Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) sagte am Montagmorgen im RBB-Inforadio, dass mit Ergebnissen aus dem Landeslabor erst in mehreren Tagen zu rechnen sei. Auszuschließen sei eine Belastung durch den hochgiftigen Stoff Mesitylen, es seien aber »sehr stark erhöhte Salzfrachten« gefunden worden, also große Mengen an im Wasser gelösten Salzen. Aus einer Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums geht außerdem hervor, dass das Labor in Frankfurt (Oder) in aktuellen Wasserproben eine »anhaltende, extreme Algenblüte« bemerkte. Laut Ministerium kamen vermutlich verschiedene Faktoren wie niedrige Abflussmengen, hohe Wassertemperaturen und eine mögliche Schadstoffbelastung zusammen.
Bei polnischen Laboruntersuchungen seien keine Schwermetalle wie Quecksilber in den sezierten Fischen gefunden worden, sagte Polens Umweltministerin Anna Moskwa am Sonntag in Stettin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Die Proben der Fische sollten nun auf weitere 300 schädliche Stoffe, darunter Instektizide, untersucht werden. Zudem werde das Verhalten der Tiere kurz vor ihrem Verenden beobachtet.
Sabine Buder, Geschäftsführerin des Vereins Forum Natur Brandenburg, zeigt sich »nd« gegenüber am Montag schockiert darüber, wie lange die Öffentlichkeit bereits auf solide Daten zur Schadstoffbelastung warte: »Ich weiß seit letztem Dienstag von den toten Fischen, und selbst wenn erst am Mittwoch Proben genommen werden, darf das nur bis zu zwei Tage dauern.« Auch die Sektion der Fische dauert ihr zu lange. »Ich schicke selbst Tiere zur pathologischen Untersuchung«, erzählt Buder, die als Tierärztin tätig ist. »Das kann keine Woche dauern.«
Neben Fischen und Muscheln müsste auch jedes tote Wirbeltier erfasst und untersucht werden, so Buder. Bei einem Besuch des Oderufers im Landkreis Märkisch-Oderland habe sie eine Schwanenfamilie gesehen, die merkwürdig lethargisch gelaufen sei. Außerdem sei ihr ein Foto eines toten Storches zugeschickt worden. »Wir wissen eben noch nicht, was los ist, und bei dem drastischen Ausmaß muss man davon ausgehen, dass es etwas Schlimmes ist.«
Auch bei den Sammelaktionen toter Fische in den betroffenen Landkreisen vermisst Buder politisches Engagement auf Landes- und Bundesebene. Anstatt Freiwillige für ihre Eigeninitiative zu loben, müsste die Landesregierung professionelle Trupps mit Schutzausrüstung schicken. »Da gab es Ehrenamtliche, die sind mit T-Shirt und kurzer Hose rumgelaufen«, erzählt Buder. Das Verfehlen sieht sie nicht bei den Landkreisen, die Schutzkleidung zur Verfügung stellten, aber den sicheren Gebrauch nicht durchsetzen könnten. »Das ist ein Thema, dessen sich eine höhere politische Instanz annehmen müsste«, findet Buder. Sie verweist zudem auf das unbekannte Risiko für die Anwohner, die ihr Trinkwasser aus Brunnen in Flussnähe beziehen.
Die Tierärztin hat den Eindruck, dass die in ihren Augen »größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brandenburgs« von Landes- und Bundespolitik nicht ernst genommen wird. »Der Ministerpräsident war bis einschließlich heute im Urlaub, es war ihm also nicht wichtig genug, um den Urlaub zu unterbrechen«, so Buder. mit dpa
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