Rosenkrieg der Forster Linken

Nach einem Techtelmechtel mit der AfD und seinem Rauswurf gründet Ex-Linksfraktionschef Ingo Paeschke eine eigene Wählergruppe

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Die an der polnischen Grenze gelegene Stadt Forst ist in Brandenburg für ihren ostdeutschen Rosengarten bekannt, in der Linken dagegen inzwischen eher für den dort seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Rosenkrieg. Die Trennung ist inzwischen vollzogen. Der ehemalige Linksfraktionschef Ingo Paeschke ist aus der Partei ausgeschlossen, weil er sich gegenüber AfD-Fraktionschef Konstantin Horn nicht an die in der politischen Hygiene empfohlene Abstandsregel gehalten hat. Gerungen wird in diesem Rosenkrieg nun quasi noch darum, bei wem die Kinder leben, also in diesem Falle, wem sich die Genossen in der Stadt anschließen.

Es hat sich im Stadtparlament eine eigenständige Fraktion »unabhängig links« (ul) gebildet, bestehend aus Ingo Paeschke, der früheren Ortsverbandsvorsitzenden Cornelia Janisch und dem Stadtverordneten Kai Grund.

Ingo Paeschke verzichtete darauf, gegen seinen im September 2020 durch die Landesschiedskommission ausgesprochenen Parteiausschluss Widerspruch bei der Bundesschiedskommission einzulegen. Nicht so die ebenfalls betroffene Cornelia Janisch. Ihr Fall liegt nun noch bei der Bundesschiedskommission. Kai Grund ist bis heute Genosse. Es gibt auch keinen Antrag, ihn aus der Partei hinauszuwerfen. In der ul rechnen sie aber damit, das es so einen Antrag noch geben wird – spätestens, wenn er bei der Kommunalwahl 2024 für die ul und damit auf einer mit der Linken konkurrierenden Liste antreten sollte.

Dass es eine solche Liste geben wird, ist sehr wahrscheinlich. Schon diesen September wolle man die zugehörige Wählergruppe »unabhängig links« gründen, erklärt Ingo Paeschke dem »nd«. Mitmachen will dann auch Günther Mattern, sachkundiger Einwohner der ul im Planungsausschuss des Stadtparlaments. Genosse ist Mattern nicht mehr, sondern nach 52 Jahren Mitgliedschaft nunmehr ausgetreten – enttäuscht vom Kreisverband Lausitz, aber auch vom Zustand der gesamten Partei. »Es werden sogar Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet toleriert. Das ist nicht mehr meine Partei«, schrieb Mattern mit Blick auf die Ukraine an den Bundesvorstand und leitete eine Kopie auch dem »nd« zu. Beigefügt hat er eine Liste mit den Namen von 19 Genossen aus Forst, die in den vergangenen zwei Jahren schon ausgetreten sind und sechs weiteren, die diesen Schritt jetzt erst gegangen seien. Von vorher 63 Mitgliedern seien somit also 25 von sich aus gegangen und zwei ausgeschlossen worden. Zusätzlich seien acht gestorben.

Auslöser des Zerwürfnisses: In Forst sollte ein altes FDJ-Objekt zum Jugendklub umgebaut werden. Die Kosten liefen aus dem Ruder. Die Linke hatte immer davor gewarnt. Sie wollte stattdessen einen Neubau am Stadion am Wasserturm. Pläne dazu stellte sie dann zusammen mit den Fraktionen »Gemeinsam für Forst« und AfD vor und das ausgerechnet in der Geschäftsstelle der Linken. Ingo Paeschke saß dabei Seite an Seite mit AfD-Fraktionschef Konstantin Horn.

Wenn Paeschke diesen Fehler sofort reumütig eingesehen und wieder auf Distanz zur AfD gegangen wäre, deren menschenfeindliche Ansichten er zu keinem Zeitpunkt teilte, hätte sich die Aufregung bald gelegt. Doch der Kommunalpolitiker bedauerte, die AfD sei in Forst nun einmal die stärkste Fraktion, eine Verständigung mit den anderen Fraktionen in der Jugendklubfrage sei leider nicht möglich gewesen und mit dieser Situation müsse man irgendwie umgehen.

Weil eine deutliche Mehrheit der Genossen in Forst zu Paeschke hielt, versuchte der Kreisverband Lausitz, den Ortsverband Forst aufzulösen, bekam diesen Beschluss im Juni 2020 bei einem Kreisparteitag im Cottbuser Kino »Weltspiegel« aber nicht durch. Die Wahl eines neuen Ortsvorstands kam später auch nicht zustande, weil keiner der fünf Bewerber genug Stimmen auf sich vereinen konnte. Nun ist eine Satzungsänderung vorgesehen. Demnach sollen alle Ortsverbände, auch die in Guben, Spremberg und Cottbus abgeschafft werden. Über den Basisorganisationen stünde dann direkt der Kreisvorstand, erläutert die Vizekreisvorsitzende Anke Schwarzenberg. Sie wohnt zwar in Cottbus, lebte aber früher in Forst, war dort auch Stadtverordnete und hat jetzt als Landtagsabgeordnete in Forst ein Wahlkreisbüro. Schwarzenberg betont, dass es bei der Abschaffung der Ortsverbände gar nicht um Ingo Paeschke gehe. Angesichts des inzwischen hohen Alters vieler Mitglieder gebe es Probleme, noch Genossen zu finden, die im Ortsvorstand die notwendige Arbeit leisten. Guben habe im Moment auch keinen Ortsvorstand und in Spremberg drohe diese Situation in den kommenden Jahren.

Es sei ein »Dammbruch«, was Paeschke mit der AfD gemacht habe, beklagt Schwarzenberg. Er sehe das aber nicht ein und nach Schwarzenbergs Einschätzung sehen mehr als die Hälfte der Genossen in Forst, vielleicht sogar 70 oder 80 Prozent, das ebenfalls nicht ein. Konsequent war die Stadtverordnete Doris Dreßler, die sich im Stadtparlament von Paeschke, Janisch und Grund löste. Sie könnte bei der Kommunalwahl 2024 wieder für Die Linke antreten.

Für Ingo Paeschke gibt es »kein Zurück« in Die Linke, wie er klarstellt. Zum Umgang der ul mit der AfD erklärt der pensionierte Bundeswehroffizier: »In den Sachfragen arbeiten wir zusammen. Wir sind jetzt in einer Situation, dass die Parteizugehörigkeit keine so große Rolle spielt.« Es gehe nicht mehr nach dem Motto: »Mit denen reden wir nicht.« Im Moment fahre man damit »nicht so schlecht«.

Ob Paeschke selbst bei der Kommunalwahl 2024 für die Wählergruppe ul antritt, lässt er offen. Das habe er für sich noch nicht entschieden. »Seitdem ich 60 bin, habe ich aufgehört, langfristig zu denken«, sagt er. In der Kommunalpolitik hat Paeschke viele Jahre mitgemischt, erst als SPD-Fraktionschef, dann als Linksfraktionschef. Jetzt ist er Vorsitzender des Stadtparlaments.

Der teure Umbau des FDJ-Objekts zum Jugendklub ist übrigens vom Tisch. Die SPD wolle nun beantragen, das Haus abzureißen und an dieser Stelle statt am Wasserturm neu zu bauen, erzählt Paeschke. Das wäre eine Kompromisslösung – schon vor zweieinhalb Jahren eingefädelt, hätte sie der Linken den Rosenkrieg vielleicht erspart.

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