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Endliche Geschichte
Unser Mann in Hollywood: Der Filmregisseur Wolfgang Petersen ist gestorben
Deutsche Schauspieler und Regisseure schaffen zwar immer wieder mal den Sprung nach Hollywood, der Wechsel von der hiesigen Film- und Fernsehlandschaft in die kalifornische Traumfabrik bleibt aber eher die Ausnahme. Einer der erfolgreichsten deutschen Regisseure in der kalifornischen Filmmetropole dürfte in den vergangenen Jahrzehnten Wolfgang Petersen gewesen sein, der jetzt im Alter von 81 Jahren verstorben ist. Wie seine Sprecherin gestern mitteilte, verschied Petersen bereits am vergangenen Freitag an den Folgen einer Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankung in Los Angeles.
International berühmt wurde Wolfgang Petersen mit dem Kultfilm »Das Boot«. Den vermeintlich kriegskritischen Charakter dieser Geschichte über die deutsche U-Boot-Soldateska konnte bei weitem nicht jeder nachvollziehen, sodass Fritz Raddatz den Kinoerfolg in der »Zeit« seinerzeit als »Kriegsfilm am Rande der Verherrlichung« brandmarkte. Der 1941 im ostfriesischen Emden geborene und während des Zweiten Weltkriegs in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsene Petersen lernte sein Handwerk als Filmregisseur in den 1960er Jahren an der damals neu gegründeten deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, nachdem er zuvor in Hamburg Schauspiel studiert hatte und nebenher auch am Theater aktiv blieb. Seinen Durchbruch im deutschen Filmgeschäft erlebte er 1977 im Fernsehen mit der legendären »Tatort«-Folge »Reifezeugnis«, die auch die damals 16-jährige Nastassja Kinski über Nacht berühmt machte. Die Geschichte um einen Lehrer, der eine Beziehung zu einer minderjährigen Schülerin hat, gehört bis heute zu den am häufigsten wiederholten »Tatort«-Folgen.
Im gleichen Jahr löste Petersens Film »Die Konsequenz«, eine unter anderem mit Jürgen Prochnow besetzte Literaturadaption von Alexander Zieglers gleichnamigen Roman über eine schwule Liebe, einen handfesten Fernsehskandal aus. Der Bayerische Rundfunk weigerte sich, die Erstausstrahlung des Films in der ARD mit umzusetzen und änderte in seinem Sendegebiet einfach das Programm – ganz ähnlich wie das im konservativen München knapp zehn Jahre später auch mit einer Folge des Satiremagazins »Scheibenwischer« gemacht wurde, als die einen kritischen Sketch zum Bau der umstrittenen atomaren Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf brachten.
1981 kam der Film »Das Boot« in die Kinos, der ihn vor allem in den USA berühmt machte und als der teuerste bis dato in der BRD produzierte Film galt. Kultcharakter erlangte auch der Soundtrack des Films. 1984 folgte die Verfilmung von Michael Endes »Die unendliche Geschichte«, die tricktechnisch und ästhetisch aus heutiger Sicht ziemlich altbacken wirkt. Dagegen ist sein auch inhaltlich gut gemachter Blockbuster »Outbreak – Lautlose Killer« (1995) mit Dustin Hoffman und Morgan Freeman, in dem er die damals durch die Presse gehenden Ebola-Ausbrüche in Westafrika verarbeitete, seit dem Beginn der Corona-Pandemie zu einem brandaktuellen und in den letzten zwei Jahren viel gesehenen Film geworden.
Petersen, der später vor allem mit großen Budgets und angesagten Starensembles actionlastige Filme machte, versuchte sich auch einmal am Science-Fiction-Genre und adaptierte 1985 kurz vor seinem Umzug nach Hollywood mit »Enemy Mine – Geliebter Feind« eine preisgekrönte SF-Kurzgeschichte, die als etwas zu kitschig geratene Allegorie auf den damals auf dem Höhepunkt befindlichen Kalten Krieg zumindest versöhnliche Töne anschlug und eine pazifistische Grundhaltung mit einem Blockbuster massenpublikumstauglich ins Kino brachte. Weitaus staatstragender war Petersens Film »Air Force One« (1997), in dem Harrison Ford einen heldenhaften und mit seinen Angestellten solidarischen US-Präsidenten gibt, der eine Flugzeugentführung durch Terroristen beendet. Wenn Michael Haneke den seiner Meinung nach technisch gut gemachten Film auch als »übles Propaganda-Machwerk« bezeichnete, galt der Blockbuster damals als Hollywoods Schützenhilfe für die Demokraten unmittelbar nach der Wiederwahl Bill Clintons. Das hinderte aber Donald Trump nicht daran, den Soundtrack des Films für seine Wahlkampagne 2016 zu nutzen und immer wieder zu betonen, wie sehr er Harrison Ford in dem Film bewundere, wenngleich der Schauspieler sich sofort von Trump distanzierte.
Im Jahr 2000 inszenierte Petersen mit »Der Sturm« einen bildgewaltigen Katastrophenfilm, in dem George Clooney und Marc Wahlberg mit turmhohen Wellen in einem stürmischen Atlantik kämpfen, die einen selbst beim Zuschauen schwindlig werden lassen können. 2004 durfte Wolfgang Petersen dann mit »Troja« noch einmal ein ganz großes Starensemble, bestehend unter anderem aus Brad Pitt, Orlando Bloom und Diane Kruger, dirigieren, wenngleich der 175 Millionen Dollar teure Sandalenfilm zwar an der Kinokasse funktionierte, künstlerisch aber nur wenig inspiriert wirkte und aus Homers »Ilias« einen knalligen Actionfilm voller Gewalt und stylischer heldenhafter und testosterongesteuerter Männer machte. Nachdem Petersens Film »Poseidon« (2006) über den spektakulären Untergang eines Kreuzfahrtschiffs ein Misserfolg wurde und an den Kinokassen floppte, zog er sich für zehn Jahre aus dem Filmgeschäft zurück. Er lebte zwar noch in Los Angeles, machte aber in Hollywood keine Filme mehr. 2016 kam dann mit der deutschen Produktion »Vier gegen die Bank« noch einmal ein Film von Petersen in die Kinos, ein Remake seines eigenen Fernsehfilms von 1976, unter anderem mit Till Schweiger und Matthias Schweighöfer. Ein weiteres geplantes Filmprojekt in Deutschland kam wegen der Corona-Pandemie nicht mehr zustande.
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