• Berlin
  • Einstürzende Schulbauten

Schimmelschule in Wedding macht komplett dicht

Eine der größten Grundschulen Berlins zieht für mindestens sechs Jahre in ein nicht unbedingt nahes Ausweichquartier

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.
Sieht harmlos aus, ist aber gesundheitsgefährdend: Ein Aufgang in der gesperrten Anna-Lindh-Schule
Sieht harmlos aus, ist aber gesundheitsgefährdend: Ein Aufgang in der gesperrten Anna-Lindh-Schule

Den Schulstart am kommenden Montag dürften sich die Schüler und Lehrkräfte der Anna-Lindh-Schule in Mitte anders vorgestellt haben: Alle Klassen der Grundschule an der Guineastraße im Ortsteil Wedding werden vorerst im Homeschooling unterrichtet, und zwar in dem Fall keineswegs pandemiebedingt. Vielmehr wurden aufgrund großflächigen Schimmelbefalls alle Räume des Schulhauptgebäudes »vom Gesundheitsamt für den Betrieb zum neuen Schuljahr nicht freigegeben« und dürfen nicht mehr betreten werden, wie die Schulleitung den Eltern nun schriftlich mitgeteilt hat.

Bereits Ende Juli musste ein Gebäudeteil wegen gesundheitsgefährdender Schimmelbelastung dicht gemacht werden. »Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn eine Schule wie die Anna-Lindh-Schule von heute auf morgen gesperrt wird«, hatte Mittes Schulstadträtin Stefanie Remlinger (Grüne) kurz zuvor angesichts der angespannten Schulplatzsituation in ihrem Bezirk gesagt. Genau das ist jetzt also eingetreten.

Abgesehen von den ersten und zweiten Klassen, die ab der zweiten Schulwoche zunächst noch in Containern auf dem Schulgelände in Wedding unterrichtet werden, heißt es für alle anderen Klassenstufen nach der Daheimbeschulungsphase: pendeln nach Charlottenburg-Nord. In einem vom Bezirk Mitte für zunächst sechs Jahre angemieteten Bürogebäude am Saatwinkler Damm – einst Sitz der Fluglinie Air Berlin – werden die Räume aktuell mit Hochdruck für den Unterricht hergerichtet. Das Bezirksamt verhandelt derzeit noch mit privaten Busunternehmen und der BVG über einen Schülerverkehr oder eine Verstärkung der bestehenden Buslinien.

Zu einem späteren Zeitpunkt ist dann auch für die Erst- und Zweitklässler Schluss an der Guineastraße. Wenn man so will, ist die Schulgemeinschaft dann wieder vereint, nur eben gut dreieinhalb Kilometer entfernt vom ursprünglichen Standort.

»Wir haben großes Glück im Unglück«, sagt Schulstadträtin Remlinger am Donnerstag zu »nd«. »Es war zwar ein Albtraum, das in so kurzer Zeit zu organisieren. Aber wir haben einen freien Standort gefunden, mit einem fairen Vermieter, vor allem aber auch mit genügend Platz.« Dass die neuen Räume außerhalb des für Grundschüler geltenden Einzugsbereichs und zudem auch noch in einem anderen Bezirk liegen, sei »schulrechtlich kein Problem«, da sich die Anna-Lindh-Schule in einer Notfallsituation befinde, sagt die Grünen-Politikerin. Klar ist: Es handelt sich bei der Anmietung um ein kostspieliges Vorhaben. Remlinger spricht für die gesamten sechs Jahre von einem »zweistelligen Millionenbetrag«. Aber anders gehe es nicht.

Tatsächlich ist der alte Gebäudekomplex an der Guineastraße mittlerweile eine Schrottimmobilie. Die in den 1950er Jahren errichtete Grundschule – mit zuletzt rund 700 Schülerinnen und Schülern immerhin eine der größten Berlins – gilt seit langem als Großschadensfall. Zum Schimmel gesellen sich hier Wasserschäden, fehlende Deckenplatten, bröckelnder Putz. Schon in der Vergangenheit wurden immer wieder kurzzeitig Räume gesperrt, dann folgten jeweils kleinere Instandhaltungsarbeiten. Geholfen hat es nichts.

Selbst Schulleiter Mathias Hörold schließt mit Blick auf die marode Bausubstanz und die zu ergreifenden Maßnahmen »gegebenenfalls« einen Abriss nicht aus. Das Problem: Der Kasten ist denkmalgeschützt. Stadträtin Remlinger will sich zum Thema Abriss dann auch vorerst nicht äußern. Nur so viel: »Das Bezirksamt Mitte und der Denkmalschutz beraten sich intensiv.«

In trockenen Tüchern ist jedenfalls noch nichts. Im von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) vorgelegten – und von den Bezirken teils heftig kritisierten – Entwurf für das Investitionsprogramm für die Jahre 2022 bis 2026 ist die Anna-Lindh-Schule noch mit 60 Millionen Euro als Sanierungsprojekt vermerkt – immerhin. Denn obwohl der desolate Bauzustand der Schule seit Jahren bekannt ist, versäumte es Remlingers Vorgänger, Ex-Schulstadtrat Carsten Spallek (CDU), kontinuierlich, eine eigentlich notwendige Gesamtsanierung der Gebäude im jährlich fortgeschriebenen Investitionsprogramm anzumelden. Das wurde unter der im Herbst vergangenen Jahres ins Amt gewählten neuen Schulstadträtin nachgeholt.

Stefanie Remlinger sagt, sie schaue jetzt nach vorn: »Ich setze mich dafür ein, dass in dem temporären Gebäude guter Unterricht möglich ist, bis wir in sechs Jahren hoffentlich eine völlig neue Anna-Lindh-Schule fertiggestellt haben werden.«

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