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Aufwertungsprojekt Hafenplatz
Stadtbekannter Investor mischt bei Neubebauung des Areals am Potsdamer Platz mit
Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag will in Kreuzberg mit dem Immobilieninvestoren Ioannis Moraitis, einem stadtbekannten Aufwerter, gemeinsame Sache machen. Ein Anfang der 1970er Jahre errichtetes Gebäudeensemble am Hafenplatz, das bis zum Wegfall der Bindung vor einigen Jahren hauptsächlich aus Sozialwohnungen bestand, soll durch Abrisse und Neubauten wesentlich verdichtet werden. Die Lage direkt neben dem U-Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park und somit nur einen Steinwurf vom Potsdamer Platz entfernt, scheint aus Investorensicht ideal für eine Aufwertung.
Bei Gaby Gottwald schrillen die Alarmglocken, seitdem sie erfahren hat, dass Ioannis Moraitis bei den Investitionsplänen am Hafenplatz mitmischt. Kein Wunder. Moraitis hat sich bei den Mieterinnen und Mietern der Stadt mit seinen Projekten keinen guten Namen hat. Gottwald, die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg ist, beobachtet den Investor seit vielen Jahren.
Angefangen hat es 2015 mit der Kündigung des Gemüseladens Bizim Bakkal im Kreuzberger Wrangelkiez. Die Gekko Real Estate GmbH von Ioannis Moraitis hatte per grunderwerbssteuerbefreitem Share Deal das Haus Wrangelstraße 77 unter ihre Kontrolle gebracht, der Gemüseladen stand der Verwertung zur Maximalrendite offenbar im Weg. In dieser Situation hatte sich die stadtpolitische Initiative Bizim Kiez gegründet. Fälle von weiteren Häusern wurden bekannt, bei denen die Verwertungspläne von Moraitis Mieter bedrohten.
Moraitis gibt sich inzwischen geläutert. Auf der Webpräsenz der Hedera Bauwert, die aus dem Vorgängerunternehmen Gekko hervorgegangen ist, heißt es: »Als Gekko sind wir einige Dinge unbedacht angegangen und haben uns nicht nur Freunde gemacht. Das tut uns wirklich leid – und obwohl es Vergangenheit ist, wollen wir es nicht vergessen und kein Geheimnis daraus machen.« Viele Berichte über die damaligen Aktivitäten sind inzwischen aus den Internetarchiven verschwunden oder wurden geändert – der Investor gibt einiges Geld für Anwälte aus.
In einem im September 2020 veröffentlichten Blogbeitrag von Moraitis auf seiner Internetseite heißt es: »Mieter haben mehr Zukunftsängste als Wohneigentümer.« Letztere jedenfalls würden trotz hoher Kreditschulden bei der Bank viel gelassener sein – und damit gesünder leben.
Schon seit vielen Jahren plant die Gewobag zusammen mit dem Projektentwickler Artprojekt eine Nachverdichtung auf dem Hafenplatz-Areal. Nach Plänen von 2019 sollte der bis zu zwölfgeschossige kreuzförmige Zentralbau, der terrassenförmig abgestuft ist, dabei erhalten werden. Vorgesehen war, umgebende Bauten abzureißen und fünf- bis siebengeschossige Neubauten zu errichten. Zusammengenommen knapp 36.700 Quadratmeter Bruttogeschossfläche sollten nach Sanierung und Neubau zur Verfügung stehen, rund ein Drittel davon als Wohnfläche. Es gibt sogar einen Bauvorbescheid vom 23. September 2020, der noch rund einen Monat gültig ist. Doch den wollen die Investoren offenbar verfallen lassen.
»Die Projektidee geht, abweichend von dem ausgestellten Bauvorbescheid, von einer deutlich verdichteten Bebauung aus«, antwortete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kürzlich auf eine Schriftliche Anfrage von Niklas Schenker, dem wohnungspolitischen Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zu den Plänen am Hafenplatz. Die Gewobag bestätigt auf nd-Anfrage, dass es eine Absichtserklärung zwischen dem Projektträger und der Wohnungsbaugesellschaft gibt. Diese Absichtserklärung beziehe sich auch »auf die Dichte des Bauvorhabens«. Konkrete Fragen, wie dicht gebaut werden soll oder wie hoch der Anteil der Gewobag-Wohnungen an dem Projekt ausfallen soll, werden nicht beantwortet.
Auch der Projektentwickler Artprojekt hält sich auf nd-Anfrage sehr bedeckt. »Die zukünftige Entwicklung des Quartiers am Hafenplatz wird bis Jahresende in einem Dialogprozess mit Anwohner*innen, dem Bezirk und Senat sowie Fachleuten erarbeitet, der sich in enger Abstimmung mit dem Bezirksamt befindet«, heißt es. Zu den etwas komplizierten Eigentumsverhältnissen bei Grundstück und Projektentwicklung äußert man sich gar nicht.
Denn inzwischen ist das Projekt unter weitgehender Kontrolle der Hedera Bauwert von Ioannis Moraitis. Die Grundeigentümerin, die einst Grundstücksgesellschaft Hafenplatz Berlin GmbH hieß, ist 2021 in Gamma Invest Berlin GmbH umgetauft worden. 89,9 Prozent der Anteile hieran hält seit Anfang 2021 wiederum die Wohnen am Hafenplatz GmbH. Alle Unternehmen haben mit der Leibnizstraße 80 in Charlottenburg nicht nur denselben Firmensitz wie die Hedera Bauwert, sondern auch denselben Geschäftsführer: Ioannis Moraitis.
Die verbleibenden 10,1 Prozent der Grundstücksgesellschaft gehören einer ISM Immobilien & Beteiligungs GmbH. Eine Aufteilung, die auf einen grunderwerbssteuerbefreiten Share Deal hindeuten könnte. Es steht viel Kapital zur Verfügung. Dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluss 2020 zufolge liegt die Bilanzsumme der Grundstücksgesellschaft bei rund 81 Millionen Euro, wobei 80 Millionen Euro davon länger als ein Jahr laufende Verbindlichkeiten waren.
In einem Schreiben an »nd« bestätigt Ioannis Moraitis, dass man sich auch bei der Entwicklungsgesellschaft zusammengeschlossen habe. »Artprojekt ist wegen der Größe des Projekts dabei Juniorpartner geworden, führt das Projekt aber weiterhin federführend«, schreibt Moraitis, der seit Mai 2021 auch einer der drei Geschäftsführer der entsprechenden Entwicklungsgesellschaft Quartier am Hafenplatz mbH ist.
»Artprojekt konnte die Bodenwertsteigerung der letzten Jahre durch den De-facto-Verkauf des Grundstücks realisieren. Das wird durch wesentlich mehr Baumasse kompensiert werden müssen«, vermutet die Bezirksverordnete Gaby Gottwald gegenüber »nd«.
Eine wesentliche Erhöhung der Baumasse wird allerdings kein Selbstläufer. Allein schon, weil diesen Sommer die städtebauliche Erhaltungssatzung für die südliche Friedrichstadt in Kraft getreten ist, die auch das Gebiet am Hafenplatz erfasst. »Die Genehmigung zur Errichtung baulicher Anlagen darf versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird«, erläuterte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg im April 2019, als der Aufstellungsbeschluss für das Erhaltungsgebiet gefasst worden ist.
Der noch gültige Bauvorbescheid ist auf Basis des sogenannten Lückenschluss-Paragrafen 34 erteilt worden, laut dem ein Vorhaben genehmigt werden muss, »wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt«.
»Derzeit gibt es noch keine erkennbaren Planungsansätze«, antwortet das Bezirksamt auf nd-Anfrage. Im Herbst solle »zur gewünschten Neuentwicklung von Eigentümerseite« ein Planungsworkshop mit dem Bezirk durchgeführt werden. »Der Workshop wird zeigen, ob bestehendes Planungsrecht ausreicht oder neues Planungsrecht in Form eines Bebauungsplans geschaffen werden muss«, so die Pressestelle des Bezirks. Vor der Sommerpause äußerte sich die Verwaltung im Friedrichshain-Kreuzberger Stadtentwicklungsausschuss deutlicher: Mehr Baumasse als die rund 36.700 Quadratmeter, für die es den Bauvorbescheid gibt, sei ohne Bebauungsplan nicht möglich, hieß es damals.
»Wie von Anfang an zugesichert, können alle Mieter*innen, die einen Mietvertrag mit der Eigentümergesellschaft geschlossen haben, im Rahmen unserer Kooperation mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag am Hafenplatz bleiben und von der künftigen Transformation profitieren: durch zeitgemäße Wohnstandards und sichere Mietverhältnisse«, erklärt eine Sprecherin von Artprojekt auf nd-Anfrage.
Neben dem beklagenswerten Zustand der vorhandenen Bausubstanz hat der Eigentümer des Ensembles bisher auch durch Leerstand in großem Umfang von sich reden gemacht. Von 78 Leerstandsverfahren wegen möglichen Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot berichtete im März das Bezirksamt in einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage von Gaby Gottwald.
Immerhin steht das ehemalige Studierendenwohnheim am Hafenplatz nicht mehr leer. Man habe es »mit einer Ausnahmegenehmigung und auf Wunsch des Bezirks« für aktuell 220 kriegsgeflüchtete ukrainische Frauen und Kinder zur Verfügung gestellt, lässt Artprojekt wissen.
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