Werbung

Stahl, Staub, Schlacke und Fußball

BallHaus Ost: Satte Quadratschädel, köstliche Klobasa und bekömmliches Bier

  • Frank Willmann, Ostrava
  • Lesedauer: 3 Min.
Laut und bunt: Die Fankurve von Banik Ostrava beim Spiel gegen Teplice.
Laut und bunt: Die Fankurve von Banik Ostrava beim Spiel gegen Teplice.

Eine kleine Reise auf den Spuren der Sommergewitterkönigin führte uns vom schlesischen Teil Polens ins tschechische Ostrava. Zum gesitteten Stadionbesuch gehören hier eine Wurst und ein gradliniges Bier. Beides findet man beim FC Banik in bester Qualität. Manche Menschen meinen sogar, in Ostrava befände sich schlechthin das schlesische Wurst- und Bierparadies. Diese elementare Frage zu beantworten, überlasse ich fähigeren Wurstologen als mir.

Ballhaus Ost
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.

Einst schmückte das stolze und riesige Hüttenwerk Ostravsko-karvinské doly, kurz OKD, samt riesigen Metallverarbeitungsbetrieben die Stadt und gab den Leuten Arbeit. Fährt man heute mit der Straßenbahn Linie 4, gleitet sie kilometerlang durch brachliegende Industrieanlagen. Rostende Riesentürme, dunkle Fabrikanlagen, Flächen mit Schutt. Hört die Endzeitlandschaft auf, erfreut eine betagte Kneipe im Look der späten 60er Jahre mit dem schönen Namen »Rosveda« den durstigen Fußballreisenden. Genau dort platzierte uns Dreizahnbaba – so nannte sich unser lokaler Fußballanhänger, den ich an der Haltestelle eingesammelt hatte – oder er uns.

Zu unseligen Sozialismuszeiten war das Hüttenkombinat OKD der Sponsor des Klubs, der in seiner Europapokal-Historie gegen die Lieblingsteams unserer Reisegruppe antrat und die Fetzen fliegen ließ: Carl Zeiss Jena, Hansa Rostock, BFC Dynamo.

Dreizahnbaba meinte, auf Deutsche würde man in Schlesien nicht so stehen, aber er würde ein Auge auf uns haben. Und siehe, uns erschien ein Licht in Form der Biersorte Ostrava 12, mit der wir uns fleißig zuprosteten im »Rosveda«. In der Kneipe guckten ein paar Riesenoschis durch uns durch, deren Arme mit fetten schlesischen Adlern tätowiert waren. Bei manchen thronte er gar auf der Stirn. Ahhhh, was für satte Quadratschädel, geboren aus Stahlwerkschlacke und Kohlenstaub. Die Fans aus Ostrava sind befreundet mit denen aus Katowice, beide Klubs verbindet die schlesische Landschaft, der Bergbau und die verwehte einstige Größe ihrer Vereine. Wahrscheinlich deshalb ist gefühlt die Hälfte der Stadionbesucher gut im Bierkampf geschult. Weil der Schlesier aber ein grundgütiger Mensch ist, bleibt er selbst in der Niederlage zumeist friedlich.

Stahlwerk, Hüttenwerk & Co. sind pleite, die ehemaligen Arbeiter haben umgesattelt auf Shoppingmallknecht oder bevölkern als lebende Schnapsleichen Parks und öde Orte. Young and beautiful hingegen die lokale Damenschar, die uns im Stadion erwartete und in der Folge mit Nachtigallenstimmen ihren Verein nach vorn peitschte. Leider hatten sie nicht mit uns gerechnet, die wir auf unserer Reise den Fluch der Heimteams hinter uns herzogen. Folgerichtig verlor Ostrava gegen Teplice mit 1:2. Aber das machte nichts, weil die im Stadion zu futternde Klobasa, eine Mischung aus Hackfleisch und allerhand geheimen und schrecklichen Zutaten, unsere Gaumen verwöhnte. Diese Wurst wartet in jedem Stadion Tschechiens auf ihre Liebhaber. In Ostrava waren es sehr kompakte, fast sperrige Torpedos, die man mit Senf, Ketchup oder Meerrettich schmaust. Ein Stück Brot rundet das kulinarische Erlebnis ab.

Das coole Stadion war zu einem Drittel gefüllt. Knapp 5000 Menschen, darunter sieben Gästefans aus Teplice, lauschten den Ultras beim Dauergesang, die immer wieder ihre Liebe zu Schlesien und den Männern aus Katowice besangen. Vier wunderschöne Flutlichtmasten spendeten währenddessen Licht und führten uns nach dem Spiel ins »Rosveda«, wo die gute Tresenmutti tagaus, tagein mit Ostrava 12 die geschundenen Menschenherzen tröstet.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.