Von der Meinungsfreiheit gedeckt

Linke Journalisten waren wegen eines Textes zu tödlichen Polizeischüssen in Fulda angeklagt. Nun wurden sie freigesprochen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Montagnachmittag wurden die antifaschistischen Journalist*innen Darius Reinhardt, Leila Robel und der Sozialwissenschaftler Philipp Weidemann freigesprochen. Sie waren vor dem Fuldaer Amtsgericht wegen übler Nachrede angeklagt. Der Vorwurf bezog sich auf einen Artikel von Robel und Reinhardt, den sie im Jahr 2019 auf dem antifaschistischen Portal »Belltower News« der Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht hatten. Sie hatten sich am 13. April 2019 mit einer Gedenkdemonstration für Matiullah J. befasst, der von der Polizei erschossen worden war.

Der junge Afghane hatte ein Jahr zuvor, am 13. April 2018, in der Nähe seiner Fuldaer Unterkunft vor einer Bäckerei randaliert. Deswegen wurde die Polizei gerufen. Im Laufe der bis heute nicht vollständig geklärten Auseinandersetzung schoss ein Polizist zwölf Mal auf den Mann. Vier Schüsse trafen ihn, zwei waren tödlich. Politiker der Fuldaer CDU und der AfD warnten vor einer Vorverurteilung des Polizisten. Es wurde keine Anklage erhoben. Die Justiz ging von Notwehr aus und hatte das Verfahren eingestellt.

Nicht eingestellt wurden hingegen die Verfahren gegen Antifaschist*innen, die am ersten Jahrestag unter dem Motto »Gerechtigkeit für Matiullah« an einer Demonstration in der Fuldaer Innenstadt teilnahmen. Zwei Antirassisten wurden zwischenzeitlich zu Geldstrafen verurteilt, weil sie die Parole »Nazis morden, der Staat schiebt ab – es ist das gleiche Rassistenpack« skandiert haben sollen.

Am Montag standen nun Robel und Reinhardt wegen ihres kritischen Artikels auf »Belltower News« vor Gericht. Darin beschäftigten sie sich mit der Reaktion der Fuldaer Stadtgesellschaft auf den Tod von Matiullah. In der Unterüberschrift war von »zwölf tödlichen Schüssen« die Rede. Rechtsanwalt Nils Spörkel hielt ein fast literaturwissenschaftliches Referat, in dem er darauf hinwies, dass es einen Unterschied macht, ob jemand schreibt, jemand wurde von zwölf Schüssen getötet, oder ob er von zwölf tödlichen Schüssen spricht. Im Kontext des Artikels sei klar gewesen, dass es den Autor*innen nicht darum gegangen sei, den Polizisten der Hinrichtung des Geflüchteten zu beschuldigen, wie die Anklage behauptet. Vielmehr sei es um legitime Kritik an einer Maßnahme der Polizei mit tödlichem Ausgang gegangen. Er beantragte, zu diesem Thema auch eine Literaturwissenschaftlerin einzuladen. Dazu wird es nicht mehr kommen.

Der Staatsanwalt schloss sich in Teilen den Ausführungen der Verteidigung an und beantragte Freispruch. Es sei um eine freie Meinungsäußerung gegangen, die vom Grundrecht gedeckt sei, so seine Begründung. Dem schloss sich die Richterin in ihrem Urteil an. Sie sprach allerdings von einem juristischen Grenzbereich.

Ganz anders sah das Rechtsanwalt Sven Adam, einer der Verteidiger in dem Verfahren. »Der Freispruch ist die einzige richtige Konsequenz, doch es hätte nie zu dem Verfahren kommen dürfen«, so sein erster Kommentar gegenüber »nd« zu dem Urteil. Er wies darauf hin, dass die Anklage niemals zugelassen worden wäre, wenn es sich nicht um Kritik an einer Polizeimaßnahme gehandelt hätte. Dabei seien schon während der Ermittlungen Grundrechte verletzt worden, meinte er.

Die Anzeige wegen übler Nachrede gegen Robel und Reinhardt hatte auch zur Folge, dass es im osthessischen Bad Hersfeld zu einer Hausdurchsuchung bei dem Journalisten Timo Schadt kam. Er war als Verantwortlicher einer lokalen Facebook-Gruppe eingetragen, über die der inkriminierte Artikel der »Belltower News« geteilt wurde.

Um die Person zu ermitteln, die den Artikel über den Facebook-Account der Gruppe geteilt hatte, durchsuchte die Polizei auch die Redaktionsräume des Magazins, das von Timo Schadt herausgegeben wird. Schadt loggte sich schließlich in den Facebook-Account ein und übergab seinen Laptop an einen Beamten. Dieser löschte den Beitrag und konnte einsehen, wer den Beitrag geteilt hatte. Das führte zur Anklage gegen den Fuldaer Wissenschaftler Philipp Weidemann, den dritten Angeklagten im Verfahren vor dem Fuldaer Amtsgericht. Auch er wurde auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.

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