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Kein strenges Arthouse-Programm
Sommer in Berlin: In ihren drei Freilichtkinos bemüht sich Piffl Medien um eine gute Mischung
Am Sperlingsee nebenan quaken die Frösche, vor dem Eingang zum Freilichtkino im Volkspark Rehberge bellen die Hunde von Spaziergängern und auf der Leinwand heulen Wölfe im Hochland von Tibet. Der Hund einer Zuschauerin ist verwirrt von diesen verschiedenen Geräuschen und richtet sich mit spitz nach oben gestellten Ohren auf. Dieses Freilichtkino ist eine ganz besondere Kulisse für den Naturfilm »Der Schneeleopard«. In irgendeinem Saal würde der französische Streifen ganz bestimmt sehr viel weniger Eindruck machen. Es stört nicht einmal, dass es gegen 23 Uhr etwas frisch wird. Das passt zu den Szenen im Eis, zu der Kälte, in der die Tierfilmer ausharren müssen, um einen der seltenen und scheuen Schneeleoparden vor die Kamera zu bekommen.
Von Mitte Mai bis Mitte September gibt es täglich eine Vorstellung. Das Freilichtkino im Volkspark Rehberge ist nicht so bekannt wie das im Volkspark Friedrichshain. Beide fassen 1500 Besucher und werden von der Piffl Medien GmbH betrieben, die außerdem noch im Hof des Künstlerhauses Bethanien in Kreuzberg Filme zeigt. Dort ist Platz für 900 Besucher. Gegründet wurde die GmbH 1999 von Hans-Christian Boese und Louis Schneider, die bis heute die Geschäftsführer sind, und von Arne Höhne, der auch noch dabei ist und sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Man startete als ambitionierter Filmverleih, aktuell bringt das Unternehmen den diesjährigen Berlinale-Festspielegewinner »Alcarràs – Die letzte Ernte« auf die Leinwände. Aber bereits im Jahr 2000 stieg die Firma zusätzlich ins Geschäft mit den Freilichtkinos ein. Von den Filmen, die dort gezeigt werden, schaut sich Höhne fast jeden vorher selbst an, um zu prüfen, ob sie ihn überzeugen und ins Programm passen. Da darf durchaus eine Hollywood-Produktion dabei sein. »Wir machen kein strenges Arthouse-Programm, sondern die Mischung, die gut ist«, erklärt Höhne. Den Besonderheiten von Innenstadtlage und Randgebiet schenkt er wenig Beachtung. Im Freilichtkino Rehberge werde vielleicht ein Tick mehr Mainstream gezeigt, aber wirklich nur ein Tick. »Vielleicht hat Kreuzberg das gewagteste Programm«, überlegt er. Aber auch in Rehberge laufen durchaus mal queere Kurzfilme.
Die Arbeit im Freilichtkino hat Höhne von der Pike auf gelernt. Los ging es für ihn damit Anfang der 1990er Jahre. Da riss er im Freilichtkino in der Hasenheide Karten ab und verkaufte Popkorn. Wenn ein Streifen nicht gut ankommt, gibt er nicht sofort auf. Beispiel: die neue Dokumentation über die Liedermacherin Bettina Wegner. Bei der ersten Aufführung im Friedrichshain blieben viele Sitzreihen leer. Das wollte Höhne nicht so stehen lassen. Also fragte er beim Verleih an, ob es mit etwas Vorlauf nicht zu organisieren sei, dass bei einem zweiten Versuch die Liedermacherin dazukommt. Und siehe da: Bei dieser zweiten Aufführung mit Wegner am 4. August war das Kino ausverkauft. Höhne strahlt. Der 56-Jährige ist Fan. Mit 14 Jahren durfte er das erste Mal allein abends zu einem Konzert – von Bettina Wegner.
8,50 Euro kostet ein Ticket in den Piffl-Kinos. Die zu zahlende Summe wurde im Laufe der Zeit öfter angepasst. »Aber den ermäßigten Preis von fünf Euro für Besucher, die einen Berlinpass vorweisen können, haben wir nie erhöht«, betont Höhne. »Die Hartz-IV-Empfänger haben ja auch nicht mehr Geld bekommen.« Im Vergleich seien auch 8,50 Euro noch günstig. Lieber sollten sich die Stammgäste dann einen Kinobesuch mehr leisten können. Es gebe nicht so viel Kommerz drumherum, sondern das Filmerlebnis solle im Zentrum stehen. »Andere Freilichtkinos öffnen schon zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn, damit viel Zeit zum Konsumieren bleibt. Wir öffnen erst 30 Minuten vorher.«
In Friedrichshain übernahm die Piffl GmbH vor 22 Jahren ein schon etabliertes Freilichtkino und steigerte die Besucherzahl bereits in der ersten Saison um ein Fünftel. »In Rehberge waren die ersten Jahre hart. Wir haben zunächst Verlust gemacht«, sagt Höhne und runzelt die Stirn. »Das mag vielleicht normal sein, aber wir waren das nicht gewohnt.« Inzwischen laufe es aber auch in Rehberge nicht schlechter als in Friedrichshain, versichert Höhne. Umsatz- und Besucherzahlen will er allerdings nicht nennen.
Geschäftsführer Louis Schneider hatte alle drei Jahre beim Bezirksamt Mitte angefragt, ob sich aus der verwilderten Freilichtbühne Rehberge nicht ein Freilichtkino machen ließe. Irgendwann bekam er den Hinweis, die Bühne sei privatisiert. Er pachtete sie vom neuen Eigentümer. Inzwischen ist das Areal rekommunalisiert und die Piffl GmbH hat mit dem Land Berlin einen Pachtvertrag über 38 Jahre abgeschlossen. Das zeigt das Vertrauen in den Standort. »Die Frist läuft weit über meine Lebenszeit hinaus«, erklärt der 56-jährige Höhne.
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Kinos mussten die Freilichtkinos während der Corona-Pandemie nicht schließen, da ihre Saison immer in die Sommer mit den geringen Infektionszahlen fiel. Anstrengend sei 2021 gewesen, dass die Corona-Regeln für die Freiluftkinos im Laufe der Saison mehrfach geändert worden seien, sagt Höhne. »Da ist es dieses Jahr doch entspannter.« Jetzt sind auch wieder die Kassenhäuschen geöffnet. In den beiden zurückliegenden Jahren wurden die Tickets ausschließlich online verkauft, um so die sitzplatzgenaue Reservierung hinzubekommen, die zur Nachverfolgung möglicher Infektionsketten erforderlich war. Das hat eine nachhaltige Wirkung. Vor Corona seien 30 Prozent der Tickets online weggegangen, nun seien es 80 Prozent, erläutert Höhne. Er widerspricht der Vermutung, die GmbH wolle durch den Verkauf von Online-Tickets Personal einsparen. Für das Buchungssystem müsse eine Gebühr an den Anbieter entrichtet werden. »Eine schnelle Kassenkraft ist günstiger.«
Eingefasst ist die Freilichtbühne Rehberge von einer Natursteinmauer mit Säulen, auf der früher Fackeln platziert waren. Die Nazis hatten hier einen sogenannten germanischen Thing-Platz angelegt, um nordische Rituale zu zelebrieren. Doch die Atmosphäre, die beim Kinoerlebnis entsteht, bricht sehr entschieden mit dieser gruseligen Tradition. Der Firmenname Piffl rührt übrigens her von einer Filmfigur: Otto Ludwig Piffl – der Kommunist aus Billy Wilders Ost-West-Komödie »Eins, zwei, drei« von 1961.
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