Hoffnung für vietnamesische Familie

Zehntausende Menschen unterstützen eine Petition gegen drohende Abschiebung aus Chemnitz

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Familie Pham/Nguyen bei der Taufe ihrer Tochter Foto: Privat
Die Familie Pham/Nguyen bei der Taufe ihrer Tochter Foto: Privat

In den Fall des Chemnitzer Vietnamesen Pham Phi Son, der seit 1987 in Sachsen lebt und jetzt gemeinsam mit seiner Familie abgeschoben werden soll, kommt Bewegung. Der Sächsische Flüchtlingsrat hatte am Freitag eine Online-Petition für ein Bleiberecht der Familie gestartet. Diese findet riesigen Zuspruch. Mehr als 70 000 Menschen haben sich bisher mit der Familie solidarisiert. Das Ziel, 12 000 Unterschriften von Sächsinnen und Sachsen zu sammeln, war statt nach den angepeilten acht Wochen bereits nach vier Tagen erreicht. So viele Unterschriften aus Sachsen werden benötigt, um die Petition öffentlichkeitswirksam an den Landtagspräsidenten und den Petitionsausschuss des Landtages übergeben zu können.

Das Ziel, Öffentlichkeit herzustellen, ist bereits jetzt erreicht. Bundesweit berichten Medien über den Fall. Der 65-jährige ehemalige DDR-Vertragsarbeiter, der vor rund sechs Jahren in Vietnam heiratete und seine Frau nach Deutschland holte, gibt fast jeden Tag Interviews für Radio- und Fernsehsender. Er zeigte sich gegenüber »nd« tief bewegt, dass die Medien und so viele ihm unbekannte Menschen Anteil am Schicksal seiner Familie nehmen.

Sachsens Innenminister Armin Schuster erklärte in Dresden auf Journalistenfragen, für ihn sei die Abschiebung der Familie noch nicht entschieden. Der CDU-Politiker bestätigte, dass der Vietnamese nie strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Er könne aus den Worten der Härtefallkommission keine »fundamentale Ablehnung« des Falls erkennen, so der Innenminister. Die Kommission könne aber nicht den gleichen Fall ohne neue Argumente erneut debattieren. Er selbst könne den Fall nur an sich ziehen, wenn er ihm vorgelegt werde.

Wie »nd« berichtet hatte, lebt Pham Phi Son als unbescholtener Bürger in der sächsischen Stadt. 2017 wollte er die Geburt seiner Tochter Emilia beurkunden lassen. Dabei fiel der Ausländerbehörde Chemnitz auf, dass er ein Jahr zuvor länger als sechs Monate in Vietnam verbracht hatte. Nach sechs Monaten Aufenthalt im Ausland erlischt in der Regel die Niederlassungserlaubnis.

Die Ausländerbehörde Chemnitz, die bundesweit für ihre sehr harten Entscheidungen berüchtigt ist, entzog die Niederlassungserlaubnis, kündigte von Amts wegen seine Wohnung und untersagte seinem Arbeitgeber, den Mann weiter zu beschäftigen. Das Gericht lehnte eine Klage des Vietnamesen ab. Die Härtefallkommission in Sachsen, die eigentlich geschaffen wurde, um genau solche Härten abzuwenden, erkannte hier im Jahr 2019 keinen Härtefall. In diesem Sommer lehnte der Vorsitzende der Kommission, der CDU-Hardliner Geert Mackenroth, der auch Sachsens Ausländerbeauftragter ist, eine erneute Befassung mit dem Fall ab.

Pham Phi Son war 2016 länger als sechs Monate in Vietnam geblieben, weil er sich dort in medizinische Behandlung begeben musste und dadurch nicht reisefähig war. Eine alte Kriegsverletzung am Bein war unter dem subtropischen Klima wieder aufgeflammt. In Deutschland ist diese Verletzung unauffällig.

Auf Antrag der Linken wird sich der Chemnitzer Stadtrat nach der Sommerpause mit dem Thema befassen. Er könnte die Ausländerbehörde der sächischen Stadt auffordern, tätig zu werden. Pham Phi Son und seine Frau haben nach eigenen Angaben mehrere Arbeitsangebote. Würden ihnen die Behörden erlauben zu arbeiten, könnten sie sofort loslegen. Son hat Berufserfahrung in der Gastronomie, wo händeringend Personal gesucht wird.

Die Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel forderte Armin Schuster auf, der Familie eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 7 des Aufenthaltsgesetzes zu erteilen. »Das Recht hat er als quasi oberste Instanz.« Ihr SPD-Kollege Frank Richter, der den Fall sehr genau kennt, sagte: »Ich habe die herzliche Bitte an das Innenministerium und die Chemnitzer Ausländerbehörde, einmal die Perspektive wechseln: Statt um Restriktionen für ein Fehlverhalten sollte es um Chancen für Menschen und Würdigung von Integrationsleistungen gehen.«

Richter sieht es nicht im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention, wenn die in Deutschland geborenen Tochter der Familie, die fünf Jahre alt ist, nach Vietnam abgeschoben wird, wo sie nie lebte. Da der Familienvater keinen Pass hat, könnte sie sogar nur mit der Mutter abgeschoben werden, was Richter wegen der Familientrennung als »noch schlimmer« einschätzt. In Chemnitz besucht das Mädchen einen Kindergarten.

Online-Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/nach-35-jahren-in-sachsen-familie-pham-nguyen-muss-bleiben

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