- Berlin
- Mieten
Hintenrum gegen die Mietenbewegung?
Mietenpolitische Initiativen werfen Senatsverwaltung vor, Netzwerkarbeit zu torpedieren
Die Andreas Geisel (SPD) unterstellte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenSBW) gibt sich am Freitag arglos. In einer Erklärung teilt sie mit: »In den Jahren 2022 und 2023 werden erneut Zuwendungen vergeben, um den Austausch zwischen Initiativen und Vereinen zu wohnungs- und mietenpolitischen Fragen zu fördern.« Damit solle »die berlinweite Vernetzung und der inhaltliche Austausch zwischen Initiativen und Vereinen gefördert werden«. Zuschüsse für 2022 seien in Höhe von 80 000 Euro und für 2023 in Höhe von 165 000 Euro bewilligt.
Das Verfahren zum Mittelerhalt: bis zum 16. September können über einen auf der Webseite der Verwaltung veröffentlichten Projektaufruf Anträge gestellt werden. Was da für sich genommen als probate Unterstützung mietenpolitischer Initiativen zu sehen sein könnte, stellt sich für besagte Initiativen ganz anders dar.
Seit Anfang dieses Jahres habe man auf die Bewilligung und Auszahlung der auf zwei Jahre eingeplanten Mittel von 320 000 Euro gewartet, um das Projekt Initiativenforum weiterzuführen, stellen die Beteiligten in einer kürzlich veröffentlichten Erklärung klar. »Monatelang gab es auf Rückfragen keine Auskunft der SenSBW«.
Mit der jetzt veröffentlichten Ausschreibung würden zudem »die funktionierenden und kooperativen Strukturen ignoriert und die Zukunft des Initiativenforums in Frage gestellt«, obwohl es gelungen sei, eine »Schnittstelle der Initiativenlandschaft zu den Strukturen der Berliner Politik« zu schaffen – sowie »ein regelmäßiges Forum für den Austausch kritischer, häufig kontroverser, aber konstruktiver Vorschläge aus der Mietenbewegung mit Abgeordneten und Verwaltung«.
Der nun veröffentlichte Projektaufruf verfehle das koalitionsvertraglich festgelegte Ziel der weiteren Verbesserung des Austauschs »zwischen Politik, Verwaltung, organisierter Zivilgesellschaft und städtischen Bewegungen«, um »dauerhaft sichere Mieten und das Gemeinwohl zu fördern«. Wenn nun der Austausch allein »zwischen Initiativen und Vereinen« gefördert werden solle, stehe dies im Widerspruch zur in der Koalition vereinbarten Fortführung des Forums beziehungsweise habe mit dem Initiativenforum in seiner aktuellen Form nichts mehr zu tun.
Bei der Senatsverwaltung will man davon nichts wissen: Da der aktuelle Haushalt – der zugegebenermaßen erst im Juni verabschiedet wurde – eine Weiterführung der Projektförderung vorsähe, sei die Behauptung, dass eine Beendigung anstehe, falsch, erklärt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen am Donnerstag auf nd-Nachfrage. Man habe sich für das Vorgehen entschieden, weil man »mit Blick auf den bisherigen Fördervorgang und kritischen Vorgängen beim Zuwendungsempfänger« eine »schlichte Weiterförderung des bisherigen Zuwendungsempfängers im Wege einer Direktvergabe« als nicht möglich erachte, heißt es weiter. »Der jetzige Projektaufruf schließt keinen Träger aus, bevorzugt aber auch keinen.«
Peter W. Schmidt von der Initiative »Mieterprotest Kosmos-Viertel« und Mitglied des Beirats des Initiativenforums sieht das anders: »Der Träger des Initiativenforums braucht praktische Erfahrung mit den aktiven Initiativen der Stadt. Ohne Beteiligung des Beirats bei der Vergabeentscheidung wird es kein handlungsfähiges und akzeptiertes Initiativenforum mehr geben«. Es gehe auch nicht an, »dass für 2022 bewilligte Mittel von 160 000 Euro ungenutzt und die Mitarbeiter*innen unbezahlt bleiben, nur weil die Verwaltung das Verfahren über ein Jahr in die Länge zieht«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.