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Gegenpol zum Alexanderplatz
Mit dem Baubeginn am Haus der Statistik werden große Hoffnungen verbunden, denn an der Planung war auch die Zivilgesellschaft beteiligt
Zum »großen Tag der Freude« kommt Berlins Finanzsenator nicht unvorbereitet. Souverän nennt Daniel Wesener (Grüne), ohne runden zu müssen, die »stolzen 64 627 Quadratmeter«, auf denen rund um das Haus der Statistik, in der DDR Sitz der Zentralverwaltung für Statistik, ein neues Städtequartier entstehen soll. Darüber, dass an diesem Dienstag der feierliche Startschuss für den Bau gegeben wird, ist der Grüne-Politiker erfreut, aber auch irgendwie erstaunt. »Wer sich den Startpunkt der Diskussionen vergegenwärtigt, der muss festhalten: Es ist ein großes Wunder, dass wir hier stehen«, sagt Wesener.
Die Pläne für das Haus der Statistik stellen einen seltenen Versuch dar, die Zivilgesellschaft bei der Planung und Nutzung elementar wichtiger Bauprojekte miteinzubeziehen: Am Tisch der federführenden »Koop 5« sitzt – neben dem Bezirk Berlin-Mitte, der Senatsverwaltung für Bauen sowie den landeseigenen Gesellschaften WBM (Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte) und BIM (Berliner Immobilienmanagement GmbH) – auch die zivile Genossenschaft Zusammenkunft Berlin (ZKB). Anlass genug für Finanzsenator Wesener, um von einer »Stadtentwicklung von unten« zu sprechen, die im Haus der Statistik stattgefunden habe. »Der Brückenschlag zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung ist einer, der uns immer noch an vielen Stellen schwerfällt«, sagt er. Natürlich gebe es noch Fragen, in denen bis heute Reibungen bestünden, doch: »Reibung kann auch Energie bedeuten.«
Am Ende der Verhandlungen steht eine Aufteilung des Quartiers, für das auch etliche neue Gebäude geschaffen werden, in mehrere Blöcke. Neben einem neuen Rathaus für den Bezirk Mitte, Räumlichkeiten für das Landesfinanzamt und die BIM entsteht auch Wohnraum samt Kindergarten, verwaltet von der WBM. Hinzu kommen Flächen, die die ZKB für kulturelle Einrichtungen nutzen will, viele davon in frei zugänglichen Erdgeschossen der jeweiligen Bauten.
»Es soll ein Quartier werden, das zusammenpasst und in dem urbanes Leben stattfinden wird«, sagt Ephraim Gothe (SPD), Bezirksstadtrat in Mitte. Mit dem Erdgeschoss des neuen Rathauses, so lässt sich seinen Worten entnehmen, will man sich besonders viel Mühe geben. Gothe spricht von einem großen, einladenden Foyer, einer großen Kantine für das gesamte Areal, von Ausstellungen und einer kleinen Bibliothek. Alles ist jedoch bei Weitem noch nicht entschieden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will einen Wettbewerb für die konkrete Planung des Rathauses zu Beginn des kommenden Jahres ausschreiben. Insgesamt 186,5 Millionen Euro sind für das »Rathaus der Zukunft« eingeplant.
Was sich der Bezirksstadtrat vom gesamten Areal erhofft, ist ein zu 100 Prozent gemeinwohlorientiertes Quartier, das seinen Beitrag zu einer möglichen Anerkennung der anliegenden Karl-Marx-Allee als Weltkulturerbe leisten wird. »Wir wollen hier tatsächlich ein Gegenprogramm abbilden zu dem, was am Alexanderplatz nebenan schon vorhanden ist«, sagt Gothe. Statt auf Einzelhandel und teure Wohnflächen werde man auf eine offene Verwaltung setzen.
Bis 2024 soll das neue Areal stehen. Sven Lemiss, Geschäftsführer der BIM, rechnet mit »einem harten Stück Arbeit«, hält die Zielsetzung aber für realistisch. Weil man das Haus der Statistik, das 2017 durch das Land Berlin vom deutschen Staat erworben wurde, bereits von Schadstoffen gereinigt und komplett entkernt habe, sei mit keinen weiteren großen Komplikationen zu rechnen. Die BIM verspricht zudem einen ökologischen Neubau, der mithilfe von Abwasser beheizt wird und auf dessen Dach Grünanlagen und Photovoltaikanlagen zur Klimafreundlichkeit beitragen. »Auch das kostet Geld, aber das ist gut investiert«, sagt Lemiss. Die BIM werde ihren Beitrag leisten, um nicht nur zu Beginn, sondern auch nach Ende der Bauphase zufrieden zu sein.
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