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Krisentreffen des Bundeskabinetts
Regierung berät bei Klausur auf Schloss Meseberg über die Energiepolitik und eine neue Sicherheitsstrategie
Am Rande der Klausur des Bundeskabinetts in Meseberg konnte sich Olaf Scholz am Dienstag anhören, was für eine Politik in einem linken Bündnis möglich ist. Der Kanzler hatte als Gast den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez eingeladen, der ebenso wie Scholz ein Sozialdemokrat ist und einige Linkspolitiker, die Teil der Koalition sind, in seine Regierung berufen hat. Anders als die Bundesrepublik erhebt Spanien eine Übergewinnsteuer auf Krisengewinne. »Es geht um eine gerechte Verteilung der Lasten und eine gerechte Steuerpolitik. Neben Energieunternehmen werden auch Finanzunternehmen besteuert«, erklärte Sánchez nach seinen Gesprächen mit der Bundesregierung. Die Maßnahmen hätten breite Unterstützung in der spanischen Bevölkerung.
Eine Übergewinnsteuer ist gleichbedeutend mit staatlichen Abzügen auf Gewinne von Unternehmen bestimmter Branchen, die durch eine Krise – zum Beispiel den Ukraine-Krieg und seine Folgen – deutlich mehr Gewinne erzielen als sonst. In Deutschland ist eine solche Steuer bisher an der FDP von Bundesfinanzminister Christian Lindner gescheitert.
Das ist nicht der einzige Konflikt, der in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP schwelt. So sorgt etwa auch die Umsetzung der Gasumlage schon seit längerem für Streit. Sie soll Firmen entlasten, die wegen gedrosselter Lieferungen aus Russland anderswo teuer Gas einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen. Die Sozialdemokraten warfen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen handwerkliche Fehler vor, weil auch Unternehmen profitieren könnten, die bereits hohe Gewinne erzielten.
Trotzdem blickte Scholz gelassen auf das zweitägige Kabinettstreffen in dem Brandenburger Schloss. Dabei solle sichergestellt werden, »dass wir als Bundesregierung eng und untergehakt zusammenarbeiten«, sagte der Kanzler zum Auftakt. »Das wird eine Klausurtagung, wo es gute Stimmung gibt und die Bereitschaft, in einer ernsten Lage eng zusammenzuarbeiten zum Wohl des Landes.« Zudem bekräftigte er, dass es »sehr schnell« eine Entscheidung über das dritte Entlastungspaket für die drastischen Preissteigerungen geben werde.
Sánchez war auch deswegen zu Gast, weil er ein Verbündeter von Scholz in der Energiepolitik ist. Die beiden Sozialdemokraten sind Befürworter der »Midi-Catalonia-Pipeline« (MidCat), die Spanien und Südfrankreich beim Erdgastransport verbinden soll. Das Projekt scheiterte bislang an den Kosten und daran, dass Deutschland bis zum Überfall auf die Ukraine das günstige Gas aus Russland präferierte. Weil die Pipeline über die Pyrenäen verlaufen würde, wäre ihr Bau sehr teuer. Aber sie könnte mitteleuropäischen Staaten helfen, unabhängiger von russischem Gas zu werden.
Die MidCat-Pipeline würde nach ihrer Fertigstellung unter anderem dazu beitragen, in Spanien ankommendes Flüssiggas aus den USA und Nigeria nach Nordeuropa zu transportieren. Allerdings ist die französische Regierung noch skeptisch, ob das Projekt energiepolitisch notwendig ist. Sollte die Pipeline nicht über Frankreich führen können, wäre Italien nach den Worten von Sánchez ein möglicher Kandidat.
Neben der Energieversorgung wird sich das Bundeskabinett auch mit der geplanten nationalen Sicherheitsstrategie befassen. Scholz betonte, dass dazu nicht nur der Schutz des eigenen Landes und die Sicherheit seiner Bürger zählten, sondern auch die sichere Versorgung mit Energie und Rohstoffen, der Erhalt der sozialen Marktwirtschaft, starke Bildung und Forschung sowie eine vielfältige und lebendige Demokratie. Die Bundesregierung arbeite an einem »integrierten Ansatz, der alle Aspekte in den Blick nimmt«.
Allerdings ist klar, dass die Bundesregierung im Rahmen dieser Strategie vor allem das eigene Militär stärken wird. Außenministerin Annalena Baerbock hatte bei einer Rede im März die Richtung für die nationale Sicherheitsstrategie vorgegeben. Die Grünen-Politikerin bekannte sich zur sogenannten nuklearen Abschreckung der Nato. Außerdem will sie die Verfassung ändern, um besser gegen Cyberangriffe vorgehen zu können. Die Strategie wird aber nicht in Meseberg beschlossen, sondern soll bis zum Beginn des kommenden Jahres vorliegen.
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