Geschäfte mit Tod und Krieg

Das Bündnis Rheinmetall Entwaffnen protestiert in Kassel gegen die deutsche Rüstungsindustrie

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Im großen Park in der Goetheanlage in der Nähe des Bahnhofs Kassel-Wilhelmshöhe stehen viele Zelte und es werden mehr. An verschiedenen Ecken auf der Wiese sind Menschen damit beschäftigt, weitere Zelte aufzubauen. Zwei ältere Frauen schauen skeptisch vom Rand zu. »Wir wohnen in der Nähe und führen hier unsere Hunde aus. Ist hier plötzlich ein Campingplatz?«, fragt die eine. Zwei jüngere Frauen klären sie auf. »Das ist ein antimilitärisches Camp des Bündnisses Rheinmetall Entwaffnen. Wir haben hier bis Sonntag unsere Zelte aufgeschlagen, weil wir uns theoretisch und praktisch mit Military und Krieg befassen wollen«, sagte die eine. Die Einladung, das Camp zu besuchen, nehmen die beiden Anwohnerinnen gerne an.

Auf kleinen Tischen liegen Flyer mit Argumenten gegen Kriege und Aufrüstung. Auf Transparenten teilen die Camper*innen ihre politischen Überzeugungen mit. »Soziale Revolution statt militaristische Zeitenwende« steht auf einem lilafarbenen Banner. »Krieg dem Krieg« heißt die Parole auf einem anderen Transparent, auf dem auch für einen klassenkämpferischen Internationalismus geworben wird. Die beiden Frauen wünschen den Aktivist*innen viel Erfolg und verabschieden sich freundlich.

Doch nicht alle Anwohner*innen sind so offen für die Anliegen der Antimilitarist*innen. In Regionalzeitungen beschweren sich einige über Lärm beim Campaufbau. Bündnissprecherin Connie Lehnert hat sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und auf die Vorgaben der Polizei verwiesen. Die habe darauf bestanden, dass der Campaufbau erst ab Sonntagmittag beginnen konnte. Doch auch politische Inhalte gefallen manchen Anwohner*innen nicht. Schließlich haben die Antimilitarist*innen den Ort bewusst gewählt. »Wir gehen in eine Stadt, die wie kaum eine andere für deutsche Rüstungsproduktion steht«, heißt es im Aufruf. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sich in Kassel und Umgebung Rüstungskonzerne angesiedelt, die in der Nazizeit Profite machten.

Die Rüstungsschmiede Kassel wurde Ziel alliierter Bombenangriffe. Große Teile der Stadt wurden zerstört. Nach dem Krieg hofften viele, dass sich Kassel von der militaristischen Tradition verabschiedet. Doch im Kalten Krieg wurde die nordhessische Stadt erneut ein Zentrum der Rüstungsindustrie und blieb es bis heute. »Vom Tiger zum Leopard« lautete die Überschrift eines Referats des Friedensaktivisten Lühr Henken über die Waffen- und Rüstungsindustrie in Kassel, das er 2017 im Rahmen einer Ringvorlesung an der Kasseler Universität hielt. An erster Stelle nannte Henken die Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW), die in Kassel mit Nexter einen europäischen Rüstungskonzern mit Milliardenumsatz errichtet hat. Der Kampfpanzer Leopard wird dort produziert und in Krisenherde der Welt exportiert.

Doch KMW ist nicht der einzige Rüstungsproduzent. Rheinmetall Defence lässt in Kassel Radfahrzeuge und Schützenpanzer produzieren. Der Krieg in der Ukraine hat die Aktienkurse dieser Konzerne in die Höhe schießen lassen. In der Lokalpresse werden verstärkt Jobs in der Rüstungsindustrie angepriesen. In der strukturschwachen Region finden daher Aktivist*innen nicht immer Zustimmung, die das Camp unter das Motto »Kassel entwaffnen, ist (k)eine Kunst« stellen» und damit natürlich auch auf die documenta anspielen, die in diesem Jahr in Kassel stattfindet.

Für die Antimilitarist*innen ist es gerade jetzt wichtig, gegen Krieg und Militarismus aufzustehen, weil im Zuge des Ukraine-Krieges auch Teile der außerparlamentarischen Linken kaum noch Kritik an der Nato äußern. «Weder Putin noch Nato» lautete das Motto des Offenen Treffens gegen Krieg und Militarisierung – Stuttgart (OTKM). Ihre Solidarität gelte der betroffenen Bevölkerung und den fortschrittlichen Kräften im Land, nicht aber Nationalstaaten, betonen sie. Am Freitag soll in Kassel der Antimilitarismus praktisch werden. Geplant sind Blockaden der Rüstungsfirmen in der Stadt. Details werden vorher natürlich nicht bekannt gegeben. Am Samstag wird um 13 Uhr eine antimilitaristische Demonstration am Kasseler Hauptbahnhof starten. Die Route soll an den zentral gelegenen Produktionsstätten von KMW vorbeiführen. « Unsere Proteste richten sich gegen die Rüstungsproduktion, nicht gegen die Arbeiter*innen», betont Bündnissprecherin Nina Kempe.

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