Land Brandenburg will Familie entschädigen

Grundstück weg, Haus weg: Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) sieht bei einem Rechtsstreit massive Versäumnisse beim Amtsgericht Luckenwalde

  • Matthias Krauß, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war die Stunde der warmen Worte und der wortreichen Versicherungen im Brandenburger Landtag – und des Versprechens einer Entschädigung. »Meinen Respekt, dass die Justiz einen Fehler zugibt, ist nicht gerade häufig«, sagte etwa die Linke-Abgeordnete Marlen Block am Donnerstag in der Sitzung des Rechtsausschusses.

Ebenjener Fehler hatte für ein Ehepaar aus Rangsdorf (Teltow-Fläming) fatale Konsequenzen. Es hatte vor zwölf Jahren guten Glaubens ein etwa 1000 Quadratmeter großes Grundstück bei einer Zwangsversteigerung erworben und darauf ein kreditfinanziertes Haus gebaut. So weit, so normal. Jahre später stellte sich allerdings heraus, dass das zuständige Amtsgericht Luckenwalde es vor der Versteigerung versäumt hatte, nach dem Erben des Grundstücks und damit nach dem eigentlichen Eigentümer zu forschen. Der aufgetauchte Erbe forderte unterdessen vor Gericht die Herausgabe des Grundstücks sowie des darauf befindlichen, noch gar nicht abbezahlten neuen Hauses. Auch wollte er Miete für die Zeit, in der das Ehepaar dort gewohnt hat. Zinsen wurden bezahlt, Anwaltskosten sind ebenfalls aufgelaufen. Und der Mann bekam Recht.

2014 entschied das Landgericht Potsdam, dass die Zwangsversteigerung aufgrund der Versäumnisse des Amtsgerichts nicht rechtens war. Das Grundstück gehört somit dem Kläger, nicht dem Rangsdorfer Ehepaar.

»Das ist unbenommen ein tragischer Fall«, sagte Marlen Block, auf deren Antrag hin der Ausschuss das Thema beriet. Die rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag sieht die Gefahr, »dass das Ansehen des Rechtsstaats gefährdet« werden könnte, wenn das schuldlos in diese Zwangssituation geratene Ehepaar nicht damit rechnen könne, via Staatshaftung entschädigt zu werden. Hier sei einer der seltenen Fälle aufgetreten, wo »Recht und Gerechtigkeit auseinanderfallen«. Es wäre schon eine erste Hilfe, wenn das Land gegenüber der Hausbank des Ehepaars erklären würde, dass »keine Zahlungsunfähigkeit eintreten« werde. Das sorge zumindest zeitweilig für »eine gewisse Sicherheit«.

Die Gerichte hätten einen Fehler gemacht, sagte auch Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) unumwunden. In der Grundbewertung sei sie sich mit der Linke-Politikerin Block einig. Hoffmann berichtete von einem persönlichen Gespräch mit den Betroffenen und zollte ihnen Respekt. Bei derartigen Erlebnissen könne man auch »auf diesen Staat aggressiv werden«. Das hätten diese Menschen aber nicht getan.

Dies sei ein Fall, in dem »nach meiner Auffassung der Staat haften muss«, sagte Hoffmann. »Das Land wird den Schaden zu ersetzen haben.« Vor dem Rechtsausschuss versicherte Hoffmann, dass das Land von der Möglichkeit einer Verjährungsregelung keinen Gebrauch machen werde. Der Versuch, zwischen den beiden Parteien eine gütliche Einigung zu erreichen, sei gescheitert. »Warum, vermag ich nicht zu sagen.« Doch: »Die Familie kann gewiss sein, dass Ministerium und Justiz bemüht sind, Lösungen zu finden.«

Freie-Wähler-Fraktionschef Péter Vida sprach von einer Entwicklung, »die man sich nicht vorstellen kann, wenn man von ihr nicht betroffen ist«. Der Fall zeige auch, »mit welcher Laxheit« in manchen Amtsstuben vorgegangen werde. Er erinnerte an die »Affäre Bodenreformland«, als sich der Staat in Brandenburg jede Menge Grundstücke aneignete, ohne zuvor nach rechtmäßigen Erben zu suchen. Es sei eben hierzulande nicht selten, dass »jemand Recht hat, es aber nicht bekommt«, polterte Vida.

Der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes, Klaus-Christoph Clavée, bedauerte im Rechtsausschuss, dass »wir nicht in der Lage sind, dem Ehepaar das Recht auf das Grundstück zu verschaffen«. An Vida gewandt, forderte er, »aus einem Einzelfall kein Systemversagen« zu konstruieren. Über die Frage einer Herausgabe des Grundstücks und einen Räumungsanspruch des Erben sei noch keine Entscheidung gefallen, sagte Clavée. Erst dann könne der Schaden für die Familie berechnet und der Schadensersatz gezahlt werden. Immerhin seien der Familie bereits Verfahrenskosten erstattet worden.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -