Münchner Mängelliste gegen Union

Bayern-Trainer Nagelsmann beklagt nach 1:1 bei Union Berlin fehlende Energie

  • Maik Rosner
  • Lesedauer: 4 Min.
Münchens Fußballer Leroy Sané, Benjamin Pavard, Thomas Müller und Sadio Mané (v.l.n.r.) hatten wenig Spaß im Spiel gegen Union Berlin.
Münchens Fußballer Leroy Sané, Benjamin Pavard, Thomas Müller und Sadio Mané (v.l.n.r.) hatten wenig Spaß im Spiel gegen Union Berlin.

Am Sonntagvormittag war beim FC Bayern vom ersten größeren Verdruss der Saison schon wieder wenig zu sehen. Beim öffentlichen Training auf dem Vereinsgelände an der Säbener Straße kickte sich Sadio Mané entspannt ein paar Bälle mit dem Maskottchen Berni zu. Manés Unterschriften waren danach bei den jungen Fans genauso beliebt wie vor dem Wochenende. Und auch Trainer Julian Nagelsmann wirkte im Sonnenschein bereits etwas besänftigt nach seiner ersten grundsätzlichen Kritik, die er tags zuvor in Berlin im Stadion an der Alten Försterei und vor dem Auftakt der Champions League am Mittwoch bei Inter Mailand geübt hatte.

»Heute nervt es schon. Heute haben wir es nicht so gut gemacht«, sagte Nagelsmann nach dem 1:1 beim 1. FC Union, das zweite in Serie. »Insgesamt war die Energie nicht auf dem Niveau der letzten Wochen«, beklagte Nagelsmann und legte eine recht lange Mängelliste vor. »Nicht hundertprozentig wach in allen Situationen« seien seine Spieler gewesen. »Die taktische Disziplin war nicht vergleichbar mit den ersten Wochen«, man habe »relativ früh unsere Struktur offensiv über einen Flügel verloren«. Und auch Sheraldo Beckers fünftes Saisontor per Volley nach Christopher Trimmels Freistoßflanke (12.) »können wir besser verteidigen am zweiten Pfosten«. Mané hatte Becker laufen gelassen. Kurz darauf glich Joshua Kimmich mit einem abgefälschten Flachschuss aus (15.).

Zum Befund des gerechten Resultats gehörte auch, auf Unions Anteil an Münchens Mängeln zu verweisen. Denn zu beobachten war ja, wie es die Berliner geschafft hatten, den Gegner in ihre Spielweise hineinzuzwingen. Union verwickelte die Bayern in ein körperbetontes Kampfspiel, das den Münchnern nicht behagte und in dem sich die Berliner im Wortsinne zu Hause fühlten. Nicht so die eher filigran veranlagten Bayern. Für sie bedeutete der robuste Abnutzungskampf einen Stilbruch. Auch sie mussten sich dabei teilweise der Berliner Mittel bedienen, darunter Grätschen und lange Bälle. Die Bayern spielten also ein Spiel, das sie überhaupt nicht mögen und auch nicht so gut beherrschen wie Union. Die Münchner dominierten zwar, aber die Berliner bestimmten, wie gespielt wird. »Es war sicherlich der schwierigste Gegner bisher«, sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer.

Als sich die Münchner schon in die Kabine zurückgezogen hatten, intonierten die Fans noch vertrautes Liedgut. Dass nur ihre Mannschaft Meister werde, besangen sie ebenso wie ihre Vorfreude auf die anstehenden Nächte im Europapokal. Zu hören waren jedoch nicht die Anhänger der Münchner, sondern die des 1. FC Union. Ihr launiger Wunsch, den Titel in der Bundesliga zu gewinnen, wirkte nach diesem Spiel gar nicht einmal völlig maßlos. Denn die 22 012 Zuschauer waren ja Augenzeugen geworden, wie der bisherige Zweite Union den bisherigen Ersten FC Bayern in Ratlosigkeit und sogar Anflüge von Verzweiflung getrieben hatte.

Bei den Berlinern wurde das Remis vor der Premiere in der Europa League am Donnerstag gegen Royale Union Saint-Gilloise aus Belgien selbstredend als Erfolg gewertet. »Wenn du gegen so eine Mannschaft einen Punkt holst, ist es ein gewonnener Punkt, der dir Selbstvertrauen gibt«, sagte Kapitän Trimmel. »Die Mannschaft hat ein tolles Spiel gemacht«, befand Trainer Urs Fischer. Mit enormer Einsatzbereitschaft hatte sich Union den Bayern entgegengestellt und die Zahl der Münchner Torchancen im Vergleich zu deren vorherigen Spielen deutlich reduziert. Nun waren sie oft gar nicht erst zu gefährlichen Abschlüssen gekommen, weshalb sich zunehmend Signale der Resignation einstellten. Die Frage, ob ein Mittelstürmer wie Robert Lewandowski fehle, kam danach erneut auf. Sie wird die Bayern wohl durch die Saison begleiten – jedenfalls nach Punktverlusten.

Union dagegen kann viel Positives mitnehmen für die Europa League, vor allem »diese Bereitschaft über 90 Minuten, diese Mentalität«, wie Fischer betonte. Nur die oft schnellen Ballverluste kurz nach den Balleroberungen gefielen Unions Trainer nicht. »Zu nervös, zu unpräzise« habe seine Mannschaft oft agiert und die Bälle »zu einfach hergeschenkt«. Mehr Ruhe am Ball zu entwickeln, wird nun Unions Lernziel sein.

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