Hitziger Montag auf Leipzigs Straßen

Mehrere Tausend Menschen auf Linke-Demonstration in Leipzig gegen steigende Preise / Gegendemonstration von Rechtsextremen wird blockiert.

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 5 Min.

Linke und rechte Demonstrant*innen blieben am Montagabend in Leipzig sichtbar getrennt. Versuche von Rechtsextremen, die Linke-Demonstration gegen die aktuelle Preisexplosion für sich zu vereinnahmen, wurden unterbunden. Erst recht bildete sich keine Querfront. Und: Die Demokrat*innen waren in der Überzahl.

Mehrere Tausend Menschen gingen am Montagabend in Leipzig gegen steigende Preise in Folge des Ukraine-Krieges auf die Straße. Die Linke hatte zur Kundgebung auf dem Augustusplatz aufgerufen und allerhand Prominenz mitgebracht: Ko-Parteichef Martin Schirdewan, die Ko-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali, den Leipziger Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann und den früheren Fraktionschef im Bundestag Gregor Gysi. Dieser griff die Ampel-Regierung in seiner Rede scharf an: »Unsere Bundesregierung ist in Wirklichkeit überfordert. Sie kann mit der Situation überhaupt nicht umgehen.« Die Linke fordert einen Stopp der geplanten Gasumlage, einen Gas- und Strompreisdeckel, eine Übergewinnsteuer, ein »wirksames« Entlastungspaket für Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen und eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.

Auch fand Gysi klare Worte zur rechtsextremen Demonstration: »Mit diesem rechten Gesocks haben wir nichts zu tun, sie sind unerträglich«, grenzte er sich scharf von jenen etwa 1000 Demonstrant*innen ab, die sich auf der anderen Seite des Augustusplatzes versammelt hatten. Darunter die Kleinstpartei »Freie Sachsen« und ihr Chef Martin Kohlmann, Publizist Jürgen Elsässer, Holocaustleugner Nikolai Nerling und Ex-AfD-Politiker André Poggenburg. Die Rechten hatten versucht, eine Querfront auf der Demonstration zu bilden. Auf einem vorab von der »Freien Sachsen« verbreiteten Aufruf waren sogar die Namen Gysi und Pellmann abgedruckt – neben den erwähnten Protagonisten der rechten Szene. Damit hatten sie suggeriert, es handle sich um ein- und dieselbe Veranstaltung. Allerdings hatte das Landgericht Leipzig entschieden, dass die Kleinstpartei die Namen der Linke-Politiker löschen und den Aufruf richtigstellen muss.

Während auf der Linke-Demo die Redebeiträge gehalten wurden, wollten die Rechten auf den historisch bedeutsamen Leipziger Ring marschieren, wo 1989 die Massendemonstrationen gegen die DDR-Diktatur stattfanden. Allerdings kamen sie nur ein paar Meter weit, denn Antifaschist*innen errichteten eine Straßenblockade. Also drehten sie wieder um, ein Teil ging dann noch den Ring in entgegengesetzter Richtung – allerdings wurden die Rechten auch beim zweiten Versuch von linken Demonstrant*innen gestört. Es kam zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen, zeitweilig war die Atmosphäre angespannt. Zuvor war es bereits am Rande der Linke-Kundgebung zu kleineren Scharmützeln gekommen, als Antifaschist*innen versuchten, jenen Personen den Zutritt zu verweigern, die sie für rechts hielten.

Sören Pellmann, der für seine Partei bei der Bundestagswahl 2021 ein Direktmandat errungen hatte, was letztlich entscheidend war für den Wiedereinzug in Fraktionsstärke, war für seine Forderung nach linken Montagsdemonstrationen auch parteiintern kritisiert worden, weil dieser Begriff seit den verschwörungsideologischen Montagsmahnwachen von rechts besetzt ist. Nun konnte er als Erfolg verbuchen, dass die Anzahl der linken Demonstrant*innen überwog. »Ich ziehe eine positive Resonanz. Es war laut, es war bunt, es war auch ein klares Zeichen gegen rechts«, sagte Pellmann im Gespräch mit »nd«.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass antifaschistische Gruppen wie »Leipzig nimmt Platz« vor allem deshalb mobilisiert hatten, weil sie den Rechten nicht den Augustusplatz überlassen wollten – und nicht wegen der Linken. Die Linke-Landtagsabgeordnete Jule Nagel twitterte deutlich verhaltener als Pellmann: Dass die Veranstaltung »nicht zum Desaster« für die Linke geworden sei, sei »vor allem den außerparlamentarischen linken Gruppen zu verdanken«.

Derweil nutzen die Rechtsextremen bei ihrem Versuch der Vereinnahmung vor allem die Person Sahra Wagenknecht. Kritiker*innen der Ex-Fraktionschefin im Bundestag werfen dieser vor, dass sie Rechten dazu auch einen Anlass biete, da sie in Social-Media-Posts suggeriere, sie betrachte die Bundesregierung – vor allem die Grünen – und eben nicht den Aggressor Wladimir Putin als hauptverantwortlich für die außen- und wirtschaftspolitische Entwicklung in Europa. Das rechte Magazin »Compact« von Jürgen Elsässer hatte mit Wagenknechts Konterfei für die Veranstaltung geworben. Nun skandierten die rechten Demonstrant*innen in Leipzig: »Sahra, Sahra!«. Ein gemischtes Publikum hatte sich bei ihnen versammelt: Neben Männern in Shirts mit eindeutig rechtsextremen Botschaften fanden sich dort auch gewöhnlich gekleidete ältere Frauen.

Bei der Linke-Kundgebung waren ebenfalls verschiedene Milieus zusammengekommen: außerparlamentarische Gruppen wie »Wer hat, der gibt«, die sozialpolitische Forderungen in Richtung einer Umverteilung in den Fokus rücken, neben jüngeren Linksradikalen, die sich mit antifaschistischen Botschaften an der Frontlinie zu den Rechtsextremen postierten, und zumeist älteren Personen, die mittels entsprechender Schilder den Austritt aus der Nato forderten. Außenpolitisch dominierten in den Reden der Linke-Politiker*innen die klassischen Sichtweisen: Frieden sei nicht gegen Russland möglich, man dürfe nicht den USA hinterherlaufen.

Irena Rudolph-Kokot, Sprecherin des Aktionsnetzwerks »Leipzig nimmt Platz«, übte hinterher im Gespräch mit »nd« Kritik an der Organisation: »Für die Rechten, die sonst immer montags mit 80 Leuten über den Ring wackeln und uns schon seit Monaten nerven, war das Aufwind.« Statt einer Demonstration einer Partei wünscht sich die SPD-Politikerin ein überparteiliches Bündnis gegen die hohen Preise. Zwar waren auch an diesem Montag überparteiliche Gruppen beteiligt, so der Verein Shia, der sich als Interessenvertretung von Alleinerziehenden versteht, und die linksradikale Gruppe Prisma als lokaler Ableger der Interventionistischen Linken. Gefehlt haben aber zum Beispiel Gewerkschaften und Klimagruppen. Ein solches Bündnis sei in Leipzig aber bereits in Planung, sagte Rudolph-Kokot.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.