- Berlin
- Verkehrspolitik
Flucht nach vorn für den Bahnverkehr in der Prignitz
Das Land plant die Abbestellung von Regionalzügen, die Landkreise wollen das Gegenteil
Am Montag legte Hans Leister vom Bündnis Schiene in Potsdam ein »Impulspapier« vor, das nicht nur den Verzicht auf die Abbestellung von Bahnverbindungen in der Prignitz beinhaltet, sondern den großzügigen Ausbau und die Anbindung des lokalen Verkehrs in einer Weise fordert, dass eine neue Verbindung über Berlin-Spandau, Nauen, Pritzwalk, Güstrow bis nach Rostock entstehen könnte. Das wäre nicht allein für Pendler interessant, sondern für den touristischen Verkehr hin zur Mecklenburgischen Seenplatte, zeigte sich Leister überzeugt. Passagierpotenziale für eine solche Linie sehe er auch durch den in Umfragen ermittelten Umstand, dass sich rund 300 000 Berliner mit dem Gedanken trügen, »ins erschwinglich-grüne Umland zu ziehen«.
Derzeit fährt zwischen Neustadt/Dosse und Pritzwalk die Regionalbahn RB73 nur noch dreimal am Tag, laut Verkehrsplanung des Landes Brandenburg soll sie auf dem wenig genutzten Abschnitt Pritzwalk-Kyritz durch Busse ersetzt werden. Weiter nördlich führt das Bahnangebot für Passagiere aus Pritzwalk gerade noch nach Meyenburg. Jenseits davon bis nach Mecklenburg hinein wird die Strecke heute nur noch vom Güterverkehr genutzt.
Die Strecke ist deutlich über 100 Jahre alt, aber laut Leister in einem »passablen Zustand« und würde eine Reisegeschwindigkeit von 60 bis 80 Kilometern pro Stunde gestatten. Es wäre ein anderer Weg nach Rostock. Reisende aus dem Westen Berlins, dem Havelland, aber auch aus Leipzig oder Magdeburg hätten hier eine gute Alternative zum Regionalexpress von Berlin über Neustrelitz nach Rostock, der alle zwei Stunden verkehrt. Leister lässt das Argument nicht gelten, dass in der Region immer weniger Menschen lebten und man sich daher die Bahn sparen könne. »Das muss man in einem größeren Zusammenhang sehen.« Die Entscheidung für eine neue Durchbindung Richtung Norden würde dann auch eine Modernisierung gestatten, ferner eine höhere Reisegeschwindigkeit und den Einsatz von batterieelektrischen Triebwagen.
Der Landrat von Ostprignitz-Ruppin, Ralf Reinhardt, und sein Kollege aus der Prignitz, Christian Müller (beide SPD), unterstützen dieses Anliegen uneingeschränkt. Um das relativ dichte Schienennetz, das sich in Brandenburg erhalten habe, »beneiden uns viele Regionen in Deutschland«,
sagte Reinhardt. Die Bahnanbindung entscheide vielfach darüber, ob sich Gewerbe ansiedele und dem Standort treu bleibe. Eine Streckenstilllegung setze eine Spirale nach unten in Gang, die am Ende zu abgehängten Regionen führe. Dass der Bus ebenso gute Dienste leiste wie die Bahn, sei »ein altes Märchen«, fügte Reinhardt hinzu. Auch vor über 100 Jahren sei die Region dünn besiedelt gewesen, und dennoch sei die weitsichtige Entscheidung für den Aufbau eines beachtlich dichten Schienennetzes gefallen. Reinhardt macht keinen Hehl aus seiner Enttäuschung darüber, dass die Landesplanung vor einem halben Jahr die Streckenstilllegung ankündigte. Die Verbindung kostet den Staat derzeit 2,1 Millionen Euro im Jahr. Die Landkreise übernehmen zehn Prozent der Summe.
Landrat Müller nannte als kurzfristiges Ziel den Erhalt der Verbindung. Dafür sehe es gar nicht so schlecht aus. Die Verbindung von Pritzwalk nach Norden ist laut Brandenburgs Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) auch für Mecklenburg interessant. »Ich bin zuversichtlich, dass wir da zu einer Lösung kommen«, sagte er.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.