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Gamechanger für die Konjunktur

Hohe Inflationsrate wird sich im Winter zunehmend auf die Wirtschaftsleistung auswirken

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer glaubt, dass die Zeiten der hohen Inflationsraten bald vorbei sind und das Schlimmste überstanden ist, der irrt vermutlich. Zumindest legen dies jüngste Äußerungen von Ökonom*innen nahe. »Wir gehen in eine Winter-Rezession«, warnte Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser vom Münchner Ifo-Institut am Montag in Berlin. Er war eigens in die Hauptstadt gereist, um die neueste Konjunkturprognose seines Forschungsinstituts vorzustellen.

Was Wollmershäuser präsentierte, ist alles andere als rosig: »Die Kürzungen der Gaslieferungen aus Russland im Sommer und die dadurch ausgelösten drastischen Preissteigerungen verhageln die wirtschaftliche Erholung nach Corona.« Insbesondere für nächstes Jahr mussten er und seine Kolleg*innen ihre Prognose für die Inflation massiv heraufsetzen – und zwar um ganze sechs Prozentpunkte.

Das bedeutet, dass die Preise laut dem Ifo-Institut nächstes Jahr sogar noch schneller steigen werden als dieses Jahr. So gehen die Konjunkturforscher*innen davon aus, dass die Teuerungsrate 2023 bei 9,3 Prozent liegen wird – nach 8,1 Prozent in diesem Jahr. Insbesondere Anfang nächsten Jahres dürfte die Inflation mit Raten über elf Prozent extrem hoch sein. Ein Grund dafür ist, dass die Energieversorger vor allem zum Jahresbeginn 2023 ihre Strom- und Gaspreise spürbar an die hohen Beschaffungskosten anpassen werden.

Nicht nur vom Ifo-Institut kommen derzeit Hiobsbotschaften. Die Teuerung dürfte im nächsten Jahr mit 8,7 Prozent noch stärker ausfallen als dieses Jahr mit acht Prozent, warnte Ende vergangener Woche das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. »Mit den hohen Importpreisen für Energie rollt eine konjunkturelle Lawine auf Deutschland zu«, warnte dessen Vizepräsident und Konjunkturchef Stefan Kooths. So geht das IfW davon aus, dass die hiesige Wirtschaft im kommenden Jahr um 0,7 Prozent schrumpfen wird.

Zwar dürfte die Industrie die derzeitige Energiepreiskrise relativ unbeschadet überstehen und auch der Arbeitsmarkt sich robust entwickeln. So geht das Ifo-Institut von einem weiteren Anstieg der Erwerbstätigkeit aus. Doch werden die Menschen hierzulande immer mehr die horrende Inflation zu spüren bekommen, die zu einem Rückgang ihrer Kaufkraft führen wird. »Die Maßnahmen der Bundesregierung aus dem Entlastungspaket III dürften diesem Rückgang zwar
etwas entgegenwirken, ihn aber bei Weitem nicht ausgleichen«, schreibt das Ifo-Institut in seiner Prognose.

»Der Konsum der privaten Haushalte wird zurückgehen«, ist sich Wollmershäuser sicher. Und das wird in den nächsten Monaten letztlich auch die Konjunktur belasten. So revidierte das Ifo-Institut seine Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem und im kommenden Jahr nach unten. Gingen die Münchner Konjunkturexpert*innen im Juni noch von einem Wachstum von 2,5 Prozent in diesem und 3,7 Prozent im nächsten Jahr aus, so schätzen sie das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr nun nur noch auf 1,6 Prozent. Für nächstes Jahr prognostizieren sie jetzt sogar einen Abschwung von 0,3 Prozent. »Erst 2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 Prozent Wachstum und 2,5 Prozent Inflation«, so Wollmershäuser.

Zwar sind solche Prognosen immer mit Bedacht zu lesen. Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen gibt es viele Sachen, die sich schnell ändern können oder schwer abschätzbar sind und so Vorhersagen schnell unbrauchbar machen können. So verweist das Ifo-Institut etwa auch darauf, dass seine Annahmen über die Entwicklung der Energiepreise und deren Überwälzung durch die Energieversorger auf die Verbraucher*innen sich auch als falsch herausstellen können. Auch ist nicht ganz klar, wie die privaten Haushalte auf die hohen Preisanstiege reagieren werden. Nichtsdestotrotz werden die Kaufkraftverluste infolge der Inflation aber extrem sein.

»Der Kaufkraftverlust, gemessen am Rückgang der realen Pro-Kopf-Löhne in diesem und im kommenden Jahr um jeweils etwa drei Prozent, ist so hoch wie nie zuvor seit dem Beginn der heutigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahre 1970«, schätzt nämlich Experte Wollmershäuser. Dabei geht er bei der Berechnung der Kaufkraftverluste bereits von relativ kräftigen Lohnsteigerungen pro Beschäftigten im Schnitt von 4,2 in diesem und 5,7 Prozent im nächsten Jahr aus. Tarifrunden wie die in der Elektro- und Metallindustrie, die diesen Montag begann und in der die IG Metall acht Prozent mehr Lohn fordert, sind also schon in der Ifo-Prognose berücksichtigt.

Doch am Ende des Tages werden auch gute Tarifabschlüsse von fünf bis sechs Prozent die Kaufkraftverluste infolge der Inflation auffangen können. Für kommendes Jahr rechnet das Ifo-Institut deshalb mit einem Rückgang der privaten Konsumausgaben von 1,9 Prozent. Und so wird die Inflationsrate zu einem »Gamechanger« für die Konjunktur.

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