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Kämpfen, um gehört zu werden

Die 22-jährige Abgeordnete Klara Schedlich (Grüne) über das Wahlalter ab 16

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 7 Min.

Das Abgeordnetenhaus soll bald über eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für Landeswahlen und Volksentscheide abstimmen. Warum ist Ihnen das Wahlalter 16 ein Anliegen?

Mir ist es generell ein sehr großes Anliegen, mehr Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten für junge Leute zu schaffen. Politik sollte für die Zukunft gemacht werden und junge Leute müssen am längsten mit den Folgen der Entscheidungen leben, die wir jetzt treffen.

Haben Sie denn das Gefühl, dass zurzeit die Anliegen von 18-Jährigen mitgedacht werden? Die können ja wählen und sind trotzdem noch relativ jung?

Ja, und vor allen Dingen kaum in den Parlamenten vertreten. Also ich bin momentan die jüngste Abgeordnete deutschlandweit mit 22. Und ich merke auf jeden Fall, dass es einen Unterschied macht, ob man so aus der Eltern- oder aus der Geschwistergeneration mit den Leuten redet. Wenn man mich fragt, braucht es noch mehr junge Leute in den Parlamenten. Und es ist einfach wichtig, mehr und mehr Menschen Mitsprachemöglichkeiten zu geben. Umso niedriger die Altersgrenze, desto besser.

Umso niedriger, desto besser? Wie niedrig sollte es denn gehen?

Wir hatten im Wahlprogramm bei den Grünen 14 als Grenze. Und die Grüne Jugend sagt einfach: Alle, die wählen möchten, sollten das können. Sozusagen Wahlalter null. Und dass dann alle Leute, die sagen, okay, jetzt habe ich eine Meinung und möchte die ausdrücken, auch wählen dürfen. Vorausgesetzt natürlich, die Person kann den Stift selbst halten und sich dazu äußern.

Da kam von anderen Parteien einiges an polemischem Aufschrei.

Da stellen sich jetzt alle Zweijährige vor, die wählen gehen, das wäre in der Praxis auf keinen Fall der Fall. Es geht einfach darum, dass meine 13-jährige Schwester wählen könnte. Die ist super informiert und hat ja auch Politik in der Schule – anders als manche älteren Leute, die das komplett ausblenden können, wenn sie möchten. Ich würde behaupten, sie könnte mindestens genauso gut wählen wie manche 40-, 60- oder 80-Jährigen.

Ist die Gesetzesänderung denn realistisch? In der letzten Legislatur fehlten noch fünf Stimmen, die damals weder von der CDU noch von der FDP kamen, diese Legislatur fehlen für die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zusätzlich zu den Stimmen der Koalitionsfraktionen noch acht weitere.

Diesmal sagt die FDP, dass sie mitmacht. Und damit sind wir über der Zwei-Drittel-Grenze. Wir schauen gerade noch, wann genau das Thema auf die Tagesordnung im Plenum kommt. Es ist alles vorbereitet, wir wollen das gerne noch dieses Jahr durchkriegen.

Glauben Sie denn, dass Wählen ab 16 tatsächlich auch die Mehrheitsverhältnisse ändern würde? Nur so würde sich ja am Ende auch die Politik verändern.

Ja, das ist auf jeden Fall möglich. U18-Wahlen, da wählen zwar noch Jüngere mit, aber die gehen zumindest meistens anders aus als die regulären Wahlen. Wichtig ist, dass das für niemanden der Grund ist, das Wahlrecht zu ändern, sondern dass es halt wirklich um Beteiligung geht. Ja, und möglicherweise verändern sich die Mehrheitsverhältnisse. Das passiert aber sowieso bei Wahlen. (lacht)

Hat es Sie gestört, als Sie unter 18 nicht wählen durften? Sie sind ja sehr früh politisch aktiv geworden.

Genau, bei mir musste meine Mutter noch den Antrag unterschreiben, dass ich bei der Grünen Jugend Mitglied werden darf, weil ich das nicht alleine entscheiden durfte (lacht). Dann habe ich beim Wahlkampf mitgemacht, aber konnte selber nicht wählen gehen. Und das fand ich natürlich blöd, weil ich mir auch damals dachte, ganz viele andere Leute machen keinen Wahlkampf und informieren sich nicht, machen zum Teil gar nichts, aber dürfen dann wählen. Das fand ich immer unfair. Und so geht es auf jeden Fall auch anderen jungen Leuten jetzt. In allen Jugendparteien, in politischen Bündnissen, da gibt es ganz viele junge Leute, die total viel Ahnung haben und gerne wählen gehen würden, aber das halt nicht dürfen, oder nur kommunal.

Stimmt, für Bezirkswahlen gilt in Berlin schon das Wahlalter 16.

Das weiß aber auch fast niemand. Ich habe das jetzt auch im Wahlkampf noch mal erlebt, dass ganz viele junge Leute sich gar nicht so bewusst waren, dass sie im Bezirk auch schon wählen können. Das könnte auf keinen Fall schaden, das auch in den Schulen noch mehr anzukündigen.

Neben dem Recht auf Beteiligung ist ein beliebtes Argument auch der Effekt, dass die Möglichkeit, wählen zu gehen, politisierend wirkt.

Richtig, richtig. Das ist eigentlich mit das Allerwichtigste. Wenn du in der Position bist, wo du Verantwortung trägst und mitentscheiden kannst, bist du auch motivierter, dich mehr zu informieren. Wenn ich eh nichts machen darf, dann ist es auch verständlich, zu sagen, okay, dann will ich mich damit auch nicht beschäftigen.

Im Koalitionsvertrag stehen noch weitere Maßnahmen, um die Interessen junger Menschen stärker einzubinden. Warum ist das Thema gerade jetzt so wichtig?

In der Pandemie haben wir immer wieder gesehen, wie schnell Jugendliche vergessen werden und wie schnell immer wieder gegen uns geschimpft wird. Und gleichzeitig wird sehr viel von uns erwartet. Deswegen müssen wir Strukturen schaffen und dafür sorgen, dass junge Leute nie wieder nicht gehört werden. Dafür wollen wir den sogenannten Jugendcheck umsetzen. Das bedeutet, dass alle Gesetzesvorhaben darauf geprüft werden müssen, was für Auswirkungen sie auf junge Leute haben werden. Jugend ist einfach ein Querschnittsthema, das bei allen Senatsverwaltungen angesiedelt ist. Zum Beispiel muss auch beim Thema Stadtentwicklung mitgedacht werden, dass es Aufenthaltsorte für Jugendliche braucht, Orte, wo sie sich in der Stadt entfalten können, wo sie Sport treiben können, wo sie was trinken können, eventuell in Parks ohne Alkoholverbote. Die wurden ja zum Glück aufgehoben.

Die Themen junger Menschen sollen also ernster genommen werden. Wie ernst werden Sie denn als Anfang 20-Jährige von Ihren Kolleg*innen genommen?

Wenn man als junge Frau in der Politik in einen Raum kommt, hat man nicht das Privileg, dass einem direkt Kompetenzen zugeschrieben werden. Man muss sich immer mehrmals beweisen und darum kämpfen, gehört zu werden. Es gibt immer wieder Situationen, wo man sich meldet, etwas sagt, und drei Wortbeiträge später sagt irgendeiner dasselbe und dann beziehen sich plötzlich alle auf den. Und man sitzt da und denkt sich, wow, hört mir doch zu (lacht). Aber es wird besser. Es wird immer Gruppen geben, die das einfach nicht gut finden, wenn junge Frauen Politik machen. Aber das ist auch nicht mein Ziel, die zu bekehren.

Aber Sie senden damit ein Signal.

Genau, ich hoffe, dass ich anderen Leuten zeige: Du musst nicht alles wissen, um dich zu engagieren, sondern wichtig ist deine Perspektive und da bringst du schon genug mit. Aus gutem Grund ist Politiker*in kein Studium oder eine mehrstufige Ausbildung, die man machen muss. Wir vertreten ja die Gesellschaft und wenn wir die Gesellschaft auch abbilden wollen, dann braucht es mehr Diversität in den Parlamenten. Deswegen finde ich auch das Wahlrecht für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit so wichtig. Meine Oma zum Beispiel lebt seit vielen vielen Jahren in Berlin und darf nicht wählen, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft hat.

Und glauben Sie, dass Sie andere junge Menschen dazu inspirieren, sich politisch zu engagieren?

Ab und zu tauchen Leute bei der Grünen Jugend auf und sagen hey, ich folge dir auf Insta und fand das cool und dachte, ich schau mal vorbei. Oder einmal haben wir als Fraktion beim Girlsday mitgemacht und am Ende die Gruppe von Mädchen gefragt, wer jetzt Politikerin werden will. Fast alle haben sich gemeldet.

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