Immer neue Fragen zu tödlichen Dortmunder Polizeieinsatz

Beamte setzten abgelaufenes Reizgas gegen 16-jährigen Geflüchteten ein

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Fall des von einem Polizisten bei einem entgleisten Einsatz in Dortmund erschossenen 16 Jahre alten Geflüchteten werden neue Details bekannt. In der Sitzung des Rechtsausschusses hat das nordrhein-westfälische Justizministerium einen Bericht im Zusammenhang mit dem Tod von Mouhamed Lamine Dramé veröffentlicht. Nun wurde bekannt, dass abgelaufenes Pfefferspray zum Einsatz gekommen sein soll. Zudem ist wohl ein Augenzeugenvideo von dem offenkundig dilettantisch abgelaufenen Polizeieinsatz aufgetaucht. »Immer neue Informationen, immer neue Fragen – so geht es nun seit Wochen mit jedem Bericht von Justiz- und Innenminister. Das unterstreicht für uns umso deutlicher: Es ist richtig, diesen Fall auch politisch aufzuarbeiten«, erklärt Sonja Bongers, rechtspolitische Sprecherin der oppositionellen SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag.

Derweil teilt der für den deutschlandweit Aufsehen erregenden Fall zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert von der Staatsanwaltschaft Dortmund mit, dass er »aktuell keine Ermittlungsergebnisse bekannt geben und auch Presseanfragen bis auf Weiteres nicht mehr beantworten« werde. Das Innenministerium schweigt auch und verweist auf die Staatsanwaltschaft Dortmund, die »in diesem Verfahren nicht nur sachleitend« sei, »sondern auch die Pressehoheit« habe. Vorher werde auch Innenminister Herbert Reul (CDU) sich zu neuen Erkenntnissen oder Einzelheiten des Verfahrens nicht äußern.

Bereits vergangene Woche ließ Reul verlauten, es bestünde die Möglichkeit, dass sich die Polizisten tatsächlich falsch verhalten haben. Er habe den »Eindruck, dass bei diesem Einsatz einige Dinge nicht einwandfrei gelaufen sein könnten«. Welche Details ihm dabei genau in den Sinn kämen, könne er mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht sagen. Reul kündigte aber an, nun die Dienstvorschriften und Handreichungen der Polizei in NRW, die auf derlei Situationen vorbereiten sollen, zu prüfen und ebenso über eine »bessere Qualifizierung« der Polizisten zu beratschlagen. Auch der Einsatz der Bodycams soll genauer untersucht werden, da diese im Dortmunder Fall nicht eingestellt waren. Eine eventuelle Pflicht zum Tragen einer Bodycam und zur Aufzeichnung in bestimmten Fällen werde ebenfalls überdacht.

Das alles reicht der SPD allerdings längst nicht. Sie fordert: »Das Land muss die künftigen Einsatzvorschriften für Maschinenpistolen klären. Genauso muss die Polizeiarbeit im Umgang mit psychisch erkrankten Personen verbessert werden.« Darüber hinaus gibt es auch Fragen zum Einsatzmaterial. »Wie stellt die Landesregierung eine funktionierende Ausrüstung der Polizei sicher, bei der etwa Pfefferspray nicht abgelaufen ist«, fragt Bongers, die die Landesregierung bei der politischen Aufarbeitung in der Pflicht sieht. Die Entwicklung der vergangenen Wochen könne niemanden zufriedenstellen, urteilt die SPD-Politikerin.

Mouhamed, der in Dortmund in einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung wohnte und laut Polizei psychisch auffällig gewesen sein soll, wurde Anfang August in der Dortmunder Nordstadt von vier Kugeln aus einer Maschinenpistole erschossen. Laut Polizei soll Mouhamed zuvor mit einem Messer auf einen Beamten losgelaufen sein. Carsten Dombert von der Staatsanwaltschaft Dortmund hatte kürzlich eine Mitschuld der Polizei attestiert. Seinen Angaben zufolge sei bis zum Zeitpunkt, als Mouhamed von zwei Beamten mit Reizgas besprüht worden war, die Lage »statisch«, also ruhig, gewesen. Die Beamten sollen den mutmaßlichen Messerangriff Mouhameds somit überhaupt erst herbeigeführt haben.

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