Linke Schlammschlacht geht weiter

Sahra Wagenknecht beschimpft Martin Schirdewan, Dietmar Bartsch lehnt Rücktritt ab

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Wird Sahra Wagenknecht die Linke verlassen? Seit der Klausur des Parteivorstands am vergangenen Wochenende in Rathenow erhärten sich entsprechende Gerüchte. Noch ist unklar, ob tatsächlich eine Abspaltung des Wagenknecht-Lagers in Planung ist, jedoch hört man aus Parteikreisen, dass bereits Genoss*innen angesprochen worden seien, ob sie mitgehen würden. Manche in der Partei sind der Auffassung, die für ihre umstrittene Rede im Bundestag auch aus den eigenen Reihen heftig kritisierte ehemalige Fraktionschefin habe mit der Linken längst gebrochen.

Eine aktuelle Äußerung Wagenknechts lässt sich in diese Richtung interpretieren: Nachdem der Ko-Parteivorsitzende Martin Schirdewan die Bundestagsabgeordnete öffentlich gemaßregelt hatte, beschimpfte diese ihn nun gegenüber dem Portal Zeit Online. Sie sagte: »Ein Parteivorsitzender, der das Paralleluniversum seiner Twitter-Blase mit der Stimmung in der Bevölkerung verwechselt, ist eine Fehlbesetzung.« Dass Wagenknecht kein Schirdewan-Fan ist, hatte sie bereits zuvor unmissverständlich deutlich gemacht. Nach dem Erfurter Parteitag im Juni, auf dem sich der Europaabgeordnete gegen den von ihr und ihren Anhängern favorisierten Leipziger Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann durchgesetzt hatte und Janine Wissler als Ko-Chefin bestätigt worden war, ätzte sie: »Never change a loosing team.«

In Erfurt hatte das Wagenknecht-Lager, zu dem aus der Bundestagsfraktion zum Beispiel Sevim Dağdelen, Żaklin Nastić und Klaus Ernst gerechnet werden können, hinsichtlich Posten und Programmatik deutliche Rückschläge kassiert. Im Parteivorstand ist dieses Lager gar nicht mehr vertreten, mehrere Kandidat*innen hatten auf dem Parteitag ihre Bewerbungen zudem zurückgezogen.

Am 8. September hatte Wagenknecht im Bundestag behauptet, der Westen habe einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun gebrochen. Eine höchst diskutable Aussage, schließlich hatte Putin zunächst den Einmarsch in die Ukraine befohlen. In der Folge verhängte der Westen Sanktionen gegen Russland. Auch Partei- und Fraktionsführung haben deutlich gemacht, dass die Reihenfolge der Ereignisse nicht verdreht werden dürfe.

Auf dem Erfurter Parteitag hatten die Delegierten einen Leitantrag beschlossen, in dem der russische Angriffskrieg als völkerrechtswidrig verurteilt wird. Schirdewan sprach gegenüber der Funke Mediengruppe mit Blick auf die Wagenknecht-Rede von einer »Missachtung demokratischer Beschlüsse bei Auftritten im Namen der Fraktion durch einzelne Abgeordnete« und nahm auch die beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali in die Pflicht: »Es ist Aufgabe der Fraktionsführung, dafür zu sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.«

Die Reaktionen aus der Parteispitze sind gleichwohl vorsichtig. Während Landespolitikerinnen wie Juliane Nagel aus Leipzig in einem offenen Brief den Ausschluss von Wagenknecht aus der Fraktion fordern, was mittlerweile auch die Abgeordnete Martina Renner unterstützt, versuchen Schirdewan, Wissler und der Linke-Bundesvorstand, die Füße noch einigermaßen stillzuhalten.

Sie rechnen offenbar damit, dass Wagenknecht und Co. ohnehin bald die Partei verlassen werden, und wollen kein zusätzliches Öl ins Feuer gießen. In einem Beschluss des Vorstands heißt es: »Mit Befremden hat der Parteivorstand zur Kenntnis genommen, dass bekannte Mitglieder der Linken in verschiedenen Kontexten öffentlich über die Bildung eines konkurrierenden politischen Projekts gesprochen haben und damit die Einheit der Partei Die Linke in Frage gestellt haben.«

Gleichwohl: Die Gründung eines Parallelprojekts dürften sich die Abweichler*innen gut überlegen, nachdem zuvor bereits »Aufstehen« gescheitert ist. Deshalb ist es fraglich, ob die Strategie der Parteiführung aufgeht. Es kann auch sein, dass Wagenknecht das Bündnis mit dem Lager um den Ko-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, nutzen will, um sich und ihren Positionen innerparteilich wieder mehr Einfluss zu verschaffen.

Spannend wird nun die Fraktionssitzung am kommenden Dienstag. In dem offenen Brief werden Bartsch und Mohamed Ali zum Rücktritt aufgefordert. Bartsch lehnte einen solchen am Donnerstag gegenüber dem »Stern« allerdings ab: »Nein, sicher nicht.« Er kann trotz der Querelen auf sein Machtbündnis mit den Wagenknecht-Leuten setzen.

Wahr ist aber auch, dass einige aus dem Reformerlager, aus dem Bartsch kommt, Wagenknecht ebenfalls kritisch sehen. Entscheidend für Bartschs Machterhalt wird auch sein, ob er seine eigenen Leute weiter hinter sich versammeln kann.

Der Vorschlag, dass Wagenknecht zum Haushalt sprechen solle, obwohl sie gar keine Funktion als Sprecherin in der Fraktion innehat, kam nach Angaben von Bartsch übrigens »nicht von der Fraktionsführung, sondern von den Haushältern«. Dass er nach der Rede Wagenknechts geklatscht habe, sei »ein Gebot der Höflichkeit« gewesen, »keine Bewertung«, betonte der Fraktionschef.

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